Anders als Schattenboxen: Die zweite Debatte im ZDF

Datum: Sep 13th, 2013
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Category: Debattieren in der Öffentlichkeit, Politik und Gesellschaft, Rezension

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3 Kommentare zu “Anders als Schattenboxen: Die zweite Debatte im ZDF”

  1. Matthias Morrkopf says:

    Zwar ist das ganze Format noch dabei sich zu entwickeln, dafür der im Artikel beschriebene Trend nur zu begrüßen. Sei es nun aus persönlicher Betroffenheit oder der Tatsache, dass die Nichtpolitiker nie im Zwang sind Reallösungen/Anträge zu stellen, blieb für mich die
    zentrale Frage zur Beantwortung unbeantwortet: Was kann eine internationale militärische Intervention ohne Bodentruppen ausrichten? Zu Bedenken ist dabei ein Handeln vor bzw. nach der Unterstellung der chemischen Waffen unter russische Kontrolle.
    Denn gerade dieser Punkt ist in der internationalen Verstrickung dieses Stellvertreter”krieges” entscheidend für die Konsequenzen auf das Handeln der Strippenzieher und letztendlich für die Frage, ob etwas moralisch verpflichtend ist. Diese Moralität muss ja schließlich ebenfalls immer an den Konsequenzen eines Handelnden gemessen werden.

    Beide Seiten nahmen an ein Militärschlag könnte den Konflikt voll entscheiden und Bodentruppen seien nicht in allen möglichen Fällen zwingend. Zu sehen ist es daran, dass die Contra-Seite darauf pocht nicht zu wissen, wer zu unterstützen sei. Doch dass die Unterstützung zum Sieg führt unterstellt sie damit unausgesprochen und die Pro-Seite fordert ihn ja gerade aus diesem Grund.
    Ist ein Regimewechsel ausdrücklich gewünscht? Wenn ja, was soll mit Assad passieren: Internationaler Gerichtshof?; Tod durch Militärschlag?
    Konsequenzen noch und nöcher und alles Teil der moralischen Entscheidung, ob wir Wasser trinken und Wein predigen.
    Vielleicht müsste man sich das Briefing der Redner durch das ZDF und die gemeinsame Vorbereitung der Redner noch einmal genauer ansehen für dieses spezielle Format?!

  2. Vielen Dank für den Artikel! Ich finde auch, dass das Format sich erheblich verbessert hat seit der letzten Sendung. Es ist eben keine Debatte im hochschuldebattiererischen Format, wenn auch verwandt. Ich teile das Fazit: Der Trend ist gut und es wird noch besser, wenn es mehr Zeit bekommt, sich zu entwickeln.

    Ich kann aber die Einschätzung von Debattieren nicht ganz teilen, es handele sich um einen bloßen “Sport” und es sei “beinahe zynisch”, weil DebattantInnen idR nicht persönlich betroffen seien.

    Zum Sport: Weshalb jemand debattiert, ist sehr persönlich. Ich kann aber von mir schreiben, dass der sportliche Charakter einen Teil, aber nicht das Ganze ausmacht. Natürlich bin ich auf einem Turnier, um das beste Ergebnis für mein Team herauszuholen, das herausholbar ist. Aber Debattieren ist nicht nur das Turnier. Ich debattiere, weil ich dadurch lernte und lerne, das Bananenblatt von zwei Seiten zu betrachten und mich inhaltlich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen. Insbesondere ermöglichen die Fähigkeiten, die man beim Debattieren erwirbt, erst sich in den politischen Prozess einzubringen und damit dann vielleicht auch die Erfahrungen zu machen, die in “die debatte” so beeindruckt haben. Dabei ist Debattieren für mich nicht ein Ersatz für eine Beteiligung am öffentlichen Meinungsaustausch, sondern erhöht meine Möglichkeiten dazu.

    Zum Zynismus zwei Punkte:
    Erstens kann bei einer Syrien-Debatte, bei der tatsächlich die meisten DebattantInnen eher nicht persönlich betroffen sind, leicht übersehen werden, dass es durchaus eine Reihe von Themenfeldern gibt, in denen (einige oder alle) Debattanten es sehr wohl sind. Das ist oft nicht Äußeres, sehr wohl aber Inneres, oft Justiz, Soziales, Sport, Kultur, Hochschule. Natürlich gibt es immer noch genug Debatten, in denen keineR eine “wirkliche Vorstellung” hat. Aber wenn wir das als Argument gelten ließen und als allgemeines Gesetz postulierten, dann dürfte – überspitzt gesagt – der Bundestag über wenig mehr als die Diäten debattieren.
    Zweitens aber, bei allem Respekt aus aus persönlichen Erfahrungen gespeister Autorität, ist ein gewisses Maß an rationaler Behandlung von Fragen vielleicht auch dem angemessen, wird es doch kaum vorkommen, dass von einer Entscheidung niemand einen wie auch immer gearteten nachteil davonträgt. Konkret zum Militäreinsatz nur ein Beispiel auf jeder Seite: Wir riskieren das Leben von SoldatInnen bzw. wir verhindern verhinderbare Gräueltaten nicht. Diesen Personen sollten wir erklären können, weshalb wir die Nachteile für sie in Kauf nehmen. Mir als Betroffener reichte es nicht, die Antwort zu bekommen, dass die Frau oder der Mann auf der Gegenseite so emotional mitnehmend war. Solche persönliche Autorität kann nur ein Mittel sein, um Argumente zu transportieren – nicht das Argument selbst. So erkennt denn auch der Artikel selbst, dass tiefgründige Argumentationen nicht aufkamen. Ich empfände es eher als zynisch, das Ethos über den Logos zu stellen.

  3. Sarah Kempf says:

    Lieber Sven,

    danke für deine Rückmeldung. Allerdings glaube ich, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Da uns über verschiedene Kanäle Reaktionen erreichten, unter denen einige deiner Einschätzung ähneln, sei an dieser Stelle noch etwas zur Klarstellung hinzugefügt.

    Erstens: Wir (im Sinne von: die Chefredaktion) finden es sehr gut, dass das ZDF “Die Debatte” macht, und sind überzeugt, dass es sich lohnt, das Format fortzusetzen. Wie offenbar viele andere auch, so fanden wir die zweite Sendung im Vergleich zur ersten sehr viel gelungener und hoffen auf weitere Sendungen.

    Zweitens: Dennoch schien uns, dass auch die zweite Sendung in der Art ihrer Umsetzung (eher Antworten auf Fragen als Auseinandersetzung der Fraktionen, s.o.) mit dem Debattieren, wie wir es kennen, wenig zu tun hat. Wir hatten den Eindruck, dass die Ausführungen, verglichen mit guten Hochschuldebatten, inhaltlich weniger tiefgründig waren. Das lag nach unserer Einschätzung zum einen an der besagten Umsetzung, zum anderen eben -wie du auch schreibst- daran, dass DebattiererInnen “über den Dingen schweben” und dadurch eher zu einer rationalen Analyse in der Lage sind.

    Drittens: Nichtsdestotrotz fanden wir, dass die Debatte, obgleich für uns DebattiererInnen ungewohnt und inhaltlich aus verschiedenen Gründen nicht so tiefgründig wie möglich, durchaus ihren Reiz hatte. Für uns lag er darin, dass die Betroffenen (nicht nur “betroffen” im Sinne von: aus Syrien stammend, sondern auch: als Journalist vor Ort gewesen, als Akteur an politischen Verhandlungen beteiligt etc.) dem Thema einen persönlichen Anstrich geben und die Zuschauer auf eine Weise emotional ansprechen konnten, die man als Redner im Debattieren, wie du auch schreibst, schon allein auf Grund der Themenvielfalt gar nicht bieten kann.
    Hier liegt wohl das Missverständnis. Im Text heißt es nicht, dass Debattieren eine grundsätzlich zynische Freizeitbeschäftigung sei, sondern neben der Sendung, die wir am Donnerstag gesehen haben, beinahe zynisch erscheint. Anders gesagt: Es macht einen Unterschied, ob jemand über den Tod von Menschen spricht, der in einem Kriegsgebiet war und viele Menschen sterben gesehen hat, oder ob es ein Student in einer Finaldebatte macht, der nie mitangesehen hat, wie Menschen getötet wurden. Dass abhängig davon, wer dann über einen Militäreinsatz spricht, die Wortbeiträge anders ausfallen, liegt auf der Hand. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es auf jemanden, der selbst in Syrien war, zynisch wirken würde, wenn ein “Schreibtischtäter” einen Militärschlag befürwortet. Das macht Debattieren aber nicht schlechter, der Witz liegt ja gerade darin, dass man losgelöst von Betroffenheit auf theoretischer Ebene eine Streitfrage durchdenkt. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich eine Debatte anschaut, wie wir sie kennen.

    Deshalb war unser Fazit: Die Sendung am Donnerstag war gut, insbesondere verglichen mit der ersten Debatte, aber aus anderen Gründen, als es eine gute Hochschuldebatte wäre. Weder ist das Gefühl grundsätzlich der Logik überlegen, noch anders herum. Es kommt eben darauf an, welches Ziel man verfolgt.

    Ich hoffe, das konnte zur Klärung beitragen.

    Viele Grüße,
    Sarah

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