Auftreten im digitalen Raum – Nachträge zu Online OPD
Nach dem ersten MiFi der OPD-Regelkommsission zu Online-OPD und nachdem mit den Pöbelzdamm-Debatten das erste OPD-Online Turnier stattfand, sind noch einige Fragen offen. Diese klärt die Regelkommssion heute auf.
Vor ein paar Wochen war der Anfang gemacht: Durch die nimmermüden Potsdamer haben wir den Einstieg in die Online-OPD-Turnierwelt getan. Ein Dank gilt an dieser Stelle besonders allen Jurorinnen und Juroren, die sich auf diese Pionieraufgabe eingelassen haben.
Wir haben nach dem Turnier noch einmal mit ein paar Beteiligten gesprochen und Feedback eingeholt. Dabei haben wir eine Weile überlegt, ob wir noch ein zweites MiFi schreiben möchten: Denn erstens ergaben die Rückmeldungen, dass es größtenteils glatt lief (häufigste Antwort: „Online OPD ging eigentlich besser als erwartet.“); zweitens wollen wir nicht überall hineinreden.
Gleichzeitig gab es an uns aber auch die Bitte, noch ein paar Dinge klarzustellen. Und außerdem möchten wir dabei helfen, dass in allen Clubs – auch gerade in der Ersti-Phase – gutes Online-Feedback gegeben werden kann. Deswegen ein paar Nachträge zum ersten Artikel:
(1) Zur Bewertung von Auftreten
Bereits im ersten Artikel hatten wir ein zweischrittiges Vorgehen empfohlen:
- Beobachtet, was ihr seht!
(Bsp.: Wenn ihr nur das Gesicht seht, wird die Mimik wohl einen größeren Ausschlag für eure Wertung geben, als wenn man die ganze Person sieht) - Überlegt, ob euch durch die Positionierung etwas fehlt
(Bsp.: Wenn ihr nur die Haare des Redners seht, werdet ihr wahrscheinlich nicht diese Haare bewerten, sondern in eurer Bewertung zum Ausdruck bringen, dass euch durch die Kameraeinstellung etwas in der authentischen Wahrnehmung der Rede fehlte)
Außerdem stellten wir fest, dass Technik zwar keine Punkte gibt, aber die Wahrnehmung der linken Kategorien – also auch das Auftreten – beeinflussen kann. (Bsp.: Wenn jemand im Schatten redet, kann man die Gestik und Mimik wahrscheinlich nicht so positiv wahrnehmen, als wenn diese klar und gut zu sehen sind.)
Es ergaben sich aber noch ein paar Unklarheiten, die wir hier nochmal ansprechen möchten.
Erstens: Wie geht man mit fehlender Gestik um?
Wenn ihr selber den Eindruck habt, dass euch die Gestik in dieser Rede fehlt bzw. dass ihr sie vermisst, könnt ihr das negativ in der Wertung zum Ausdruck bringen. Selbst dann sollte eure Punktzahl aber normalerweise nie auf 0 gehen, weil das Auftreten von so vielen anderen Faktoren positiv beeinflusst werden kann (siehe unten). Wenn ihr das Fehlen der Gestik hingegen gar nicht negativ wahrnehmt und nur das Gefühl habt, Punkte abziehen zu müssen „weil die anderen sagen, Gestik muss sein“: Dann wäre das nicht richtig, weil ihr von eurer eigenen Wahrnehmung ausgehen sollt.
Zweitens: Was kann man im (Online-)Auftreten alles bewerten?
Die folgende Liste soll euch mal die – immer noch nicht vollständige – Bandbreite aufzeigen. Und demonstrieren, was man alles beobachten kann (selbst wenn man nur das Gesicht sieht). WICHTIG: Bewertet nur das, was ihr selber positiv / negativ wahrnehmt. Die hier aufgezählten Dinge sind nicht als solche gut oder schlecht!
- Blick: Blickrichtung und -intensität (=Weitung der Pupillen/“glasiger Blick“). Fühle ich mich angeschaut (bei Zoom reicht für mich vielleicht auch, wenn die Person nur halbwegs in Richtung Webcam blickt)? Oder geht der Blick auf die Notizen / in die Leere / an die Decke? Wie wirkt das auf mich?
- Kopfausrichtung: Frontal zur Webcam oder zur Seite oder geneigt? Auf gerader Ebene zur Wirbelsäule oder überdehnt („hochnäsig“/“von oben herab“) oder mit dem Kinn weit unten? Wie wirkte das auf mich?
- Mimik: Spiegeln sich die Emotionen der Rede im Gesicht wider? Wirkt der Gesichtsausdruck aufgeschlossen, freundlich, ernst… – oder war das Gesicht sehr starr? Wie wirkte das auf mich bzw. steckten mich diese Emotionen an?
- Gestik: Wie ist die Position der Arme– auf welcher Höhe spielt die Gestik und wie nah am Körper ist sie (eng angelegt oder raumgreifend)? Wie ist die Haltung der Hand bzw. der Finger (eingeklapptes Handgelenk, schlaff oder angespannt, rund oder flach, Handflächen nach vorne, oben, unten oder hinten, Ballung der Faust…)? Visualisiert die Gestik das Gesagte? Ist sie synchronisiert mit den Betonungen im Satz? Ist sie repetitiv? Gibt es eine Ruheposition– und wenn ja, wie sieht diese aus und wie häufig wird sie eingenommen? Wie wirkt all das auf mich? •
- Haltung und Positionierung: Wie ist die Ausrichtung zur Kamera (frontal oder seitlich; „bottom-up“, „auf Augenhöhe“ oder „bottom-down)“? Sitzt die Person oder steht sie? Beim Stand: Wie stehen die Füße auf dem Boden, wie weit sind die Beine auseinander, sind die Knie durchgedrückt oder locker? Ansonsten: Ist die Wirbelsäule und sind die Schultern aufrecht oder hat der Körper eine zusammengesunkene Haltung? Bewegt sich die Person (Bewegung im Oberkörper; Laufen im Raum)? Wenn ja: gezielt oder nicht gezielt? Wie wirkt das auf mich?
(2) Zu fehlenden Kameras
Unter dem letzten Artikel gab es ja Diskussion darüber, ob bzw. wie man Reden ohne Webcam bewerten sollte.
Zur Klarstellung: Generell würden wir sagen, dass Webcams in Online-Debatten obligatorisch sein sollten. Nicht zur Schikane, sondern einfach, weil sich Reden mit oder ohne Kamera nicht sinnvoll und fair vergleichen lassen. Entsprechend wäre eine Rede ohne Kamera in Auftreten leider mit 0 Punkten zu bewerten. (Wenn sie nur für eine kürzere Zeitspanne ausfällt, natürlich nicht zwingend– siehe Punkt 4).
Sollten Orgas und Chefjurierende aber ausdrücklich ein „gemischtes“ Turnier zulassen wollen, müsste man eine halbwegs faire Bewertungsgrundlage finden. Hier macht es wahrscheinlich am meisten Sinn, die durchschnittliche Punktzahl der übrigen Kategorien in das Auftreten zu übertragen.
(3) Zur Sichtbarkeit der Kameras
Eine Empfehlung an Jurierende: Sorgt dafür, dass ihr die Redenden groß genug seht, um Auftreten (und z.T. Kontaktfähigkeit) sinnvoll bewerten zu können!
- Wenn ihr mit dem digitalen Jurierbogen arbeitet, den Jan-Gunther netterweise erstellt hat, dann lasst Zoom auf eurem Bildschirm trotzdem weiterhin viel Raum.
- Stellt während der Debatte auf die Sprecher- statt die Galerieansicht.
(4) Zu partiellen Disconnects
Zur Erinnerung: Unsere Empfehlung war ein Zeitkontingent von einer Minute (vielleicht auch zwei Minuten) für Reconnects, ansonsten wird die Redezeit normal gestoppt.
Wir wurden aber gefragt, wie wir mit der Grauzone einer instabilen Verbindung umgehen würden. Zunächst einmal obliegt es der Hoheit des Hauptjurors oder der Hauptjurorin, zu entscheiden, ob eine Rede unhörbar / zu schwer verständlich ist. Genauso können die Redenden selbst beschließen, dass sie bei einer instabilen Verbindung ihr Zeitkontingent anzapfen, um einen neuen Connect zu probieren.
Gab es hingegen kleinere Störungen (Mikrofon war mal kratziger, Webcam war teilweise aus), wird das eher die Bewertung der linken Kategorien beeinflussen. Störungen für wenige Sekunden werden dabei wahrscheinlich selten Unterschiede in den Punkten machen, da sie die Überzeugung kaum beeinflussen. Dauern die Passagen hingegen länger an, kann das schon zu schlechteren Punkten führen.
(5) Zur Zeitnahme
Zuletzt gab auch Rückfragen zur Zeitnahme. Wir wollen da als Kommission natürlich keine Regel für festlegen. Sehr geeignet sind sicherlich Stoppuhren/Debate-Keeper vor der Webcam; sonst sollten Stoppsignale wahrscheinlich eher visuell (Klatschen/Chat) als auditiv (Klopfen) gegeben werden, weil die Audio-Regulation von Zoom hier nicht mitspielt.
Ein speziellerer Fall ist die Rolle von Delays: Tatsächlich kann es sein, dass beim berüchtigten Runterzählen ab 7:10min (das Regelwerk verlangt nur, die „Glocke zu heben“) die Deadline minimal verzögert bei den Redenden ankommt. Wir würden sagen: Die Entscheidung über Abzüge liegt im Ermessen der Jury. Den möglichen Delay müssen die Redenden sinnvoll berücksichtigen.
OPD-Regelkommission/cal.
Die OPD Regelkommission besteht aktuell aus Jan Ehlert, Sven Jentzsch, Joschka Braun, Anton Leicht und Christopher Gack. Sie verwaltet das OPD-Regelwerk und wird jährlich auf der Mitgliederversammlung der Streitkultur e.V. gewählt, wobei Bewerbungen auch für externe Debattierende möglich sind.
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