Rederei Heidelberg gewinnt die ZEIT DEBATTE Tübingen
Letztlich konnte es nur eines geben: Das Heidelberger Stadtderby im Finale der ZEIT DEBATTE Tübingen 2017 entschied das Team Uninformierte Uniformierte (Julius Steen, Jakobus Jaspersen, René Geci) der Rederei Heidelberg für sich. Als Opposition setzten sie sich gegen die Regierung Heidelberg Meta-Kätzchen (Benedikt Rennekamp, Angelique Herrler, Johannes Meiborg) vom DC Heidelberg/Bamberg in – laut Mitgliedern der Chefjury – „einer der besten Finaldebatten seit langem“ durch. Als Fraktionsfreie Redner komplettierten Christoph Saß (Münster), Tina Rudolph (Jena) und Elisa Schwarz (Konstanz) das Finale. Juriert wurde die Debatte zum Thema „Sollte die Strafhöhe in Gerichtsprozessen durch eine Software verbindlich festgelegt werden?“ von Chefjuror Jan Ehlert (Hauptjuror), Jan-Gunther Gosselke, Jule Biefeld, Lennart Lokstein, Daniil Pakhomenko und Erik Thierolf (Präsident). Die zwei Chefjuroren Alexander Hiller und Sabrina Effenberger waren aufgrund der jeweiligen Heidelberger Clubzugehörigkeit für das Finale gesperrt.
Elisa Schwarz erhielt für ihre Freie Rede auf Seiten der Opposition von der prominenten Ehrenjury, bestehend aus Muhterem Aras (Landtagspräsidentin Baden-Württemberg), Dr. Philipp B. Bocks (Geschäftsleitung Karl Schlecht Stiftung), Dr. Bernd Vilhauer (Geschäftsführer Weltethos-Institut der Universität Tübingen) und Thore Wojke (Vizepräsident Deutsche Debattiergesellschaft), den Ehrenpreis für die beste Finalrede.
Das Finale markierte nicht das erste Aufeinandertreffen der beiden Heidelberger Teams: Bereits in der letzten Vorrunde kam es zum ersten Städteduell, dort noch mit glücklicherem Ausgang für den Debating Club. Auf dem Weg ins Finale besiegte die Rederei als Opposition das Team OP.de (Elisa Schwarz, Anna-Maria Schmid, Tina Rudolph) aus Konstanz/Jena im ersten Halbfinale, während sich der Debating Club aus der Regierung knapp gegen Münster Martini (Johanna von Engelhardt, Philipp Schmidtke, Christoph Saß) durchsetzen konnte. Dabei verfolgten die beiden Halbfinals komplett unterschiedliche argumentatorische Ansätze: Ging es im ersten Halbfinale vor allem um die moralischen Implikationen des Themas „Ist die Existenz von Sanctuary Cities in den USA zu begrüßen?„, standen im zweiten Halbfinale die direkten Konsequenzen im Mittelpunkt.
Das von Sabine Wilke und Titian Gohl cheforganisierte Turnier bestach vor allem durch seine hohe Jurorenqualität: So war es möglich, dass die Halbfinals und das Finale mit komplett unterschiedlichen Juroren besetzt werden konnten. Aufgrund des guten Wetters konnte dieses Mal als Tübinger Highlight auch die Stocherkahnfahrt durchgeführt werden, die 2015 noch abgesagt werden musste.
Gleichzeitig markierte die letzte ZEIT DEBATTE der Saison 2016/2017 das Ende einer Ära: Der vierte Chefjuror Willy Witthaut beendete seine langjährige Redner- und Jurorenkarriere und wird sich aus der aktiven Debattierszene zurückziehen. Zu seinen größten Erfolgen zählte unter anderem die deutsche Vizemeisterschaft 2014 und die Chefjurierung der letztjährigen Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft.
Die Themen:
R1: Sollten sich Politiker im Wahlkampf zu einem bestimmten Verhalten im Amt rechtlich bindend verpflichten können?
R2: Definition: Unter einem “Deal” verstehen wir im Kontext der Debatte den Ausschluss sämtlicher Gerichtsverfahren (Zivil- und Strafverfahren). Er wird zwischen dem mutmaßlichen Täter und dem mutmaßlichen Opfer ausgehandelt und beinhaltet die Zahlung einer Geldsumme.
Sollen wir Deals bei Verfahren wegen sexueller Belästigung zulassen?
R3: Sollten NGOs Fortschritte in ihrem Bereich aktiv unterstützen, auch wenn diese weiterhin den eigenen Zielen und Idealen widersprechen?
Infotext: Beispiele dafür sind: PETA setzt sich für humanere Formen des Kükenschredderns ein oder unterstützt Regierungen, Walfang zu regulieren. Amnesty unterstützt Regime, Ehebruch milder zu bestrafen (auch wenn weiterhin Ehebruch unter Strafe steht), ICBL akzeptiert einen Vertrag zur Ächtung von Landminen, der die innerkoreanische Grenze als Ausnahme zulässt, etc.
R4: Infotext: Firmen, wie Ambrosia Labs, haben sich darauf spezialisiert, Muttermilch von Müttern in Entwicklungsländern (z.B. Kambodscha oder Bangladesch) anzukaufen und diese dann in westlichen Industrienationen weiterzuverkaufen. Durch den Verkauf dieser Muttermilch verdienen die Frauen bis zu 12 US$ pro Tag, je nach Menge der verkauften Milch (der Preis ist etwa 1,80 US$/100ml). Das Durchschnittseinkommen liegt in Kambodscha etwa bei 1100 US$/Jahr.
Sollte der kommerzielle Handel mit Muttermilch verboten werden?
R5: Sollte die Weltwirtschaft wieder stärker regionalisiert werden?
R6: Sollte das Privatleben von Politiker*innen Teil des öffentlichen Diskurses sein?
HF: Infotext: Sanctuary Cities bezeichnen Städte in den USA, die sich in Fragen illegaler Einwanderung Anweisungen von Bundesbehörden oder Bundesrecht widersetzen. Dabei ermöglichen Sanctuary Cities illegalen Immigranten, das Gesundheits- und Bildungssystem zu nutzen, sowie einer Arbeit nachzugehen, ohne mit einer Abschiebung durch Behörden der Stadt rechnen zu müssen. Die gängigste Form dabei ist, dass Beamten angewiesen werden, nicht nach dem Aufenthaltsstatus der jeweiligen Person zu fragen. Es gibt ca. 80 Sanctuary Cities in den USA, darunter viele in Kalifornien, die sich oftmals an Grenzgebieten zu anderen Staaten befinden. Die Behörden von Sanctuary Cities selbst verweigern Bundesbehörden die Auskunft oder widersetzen sich Anweisungen und Gesetzen, um das System in der Stadt aufrecht zu erhalten.
Ist die Existenz von Sanctuary Cities in den USA zu begrüßen?
F: Infotext: Seit einigen Jahren existiert Software, die Gerichte bei der Strafzumessung unterstützen soll. Sie kann dazu Informationen nutzen, die sich sowohl auf die Tat beziehen (z. B. Vorgehen bei und Verhalten unmittelbar nach ihrer Begehung) als auch auf den Täter (z. B. Vorstrafen und Rückfallwahrscheinlichkeit). Der Code zu dieser Software ist geheim.
Sollte die Strafhöhe in Gerichtsprozessen durch eine Software verbindlich festgelegt werden?
jm./lok.