Jurieren in Berlin – Änderungen und Pläne
Im Vorfeld der ZEIT DEBATTE Berlin 2016 wurden verschiedene Gedanken zur BPS-Jurierung und zur Förderung der Jurierenden geäußert. Die Chefjury des Turniers hat sich dazu ihre eigenen Gedanken gemacht und möchte uns heute einen Maßnahmenkatalog vorstellen, der auf ihrem Turnier Anwendung finden soll.
Skala der Einzelredenpunkte
Die Überlegungen von Christian Zimpelmann enthalten eine grundlegende Kritik an der bisherigen Vergabe von Einzelredenpunkten (“Speaks”) auf deutschsprachigen Turnieren im British Parliamentary Style (BPS). Für die Vorbereitung der ZEIT DEBATTE in Berlin haben wir uns intensiv mit diesen Kritikpunkten auseinandergesetzt und halten sie in den meisten Punkten für gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund haben wir auch darüber nachgedacht, die Speaks, wie von Christian angeregt, abzuschaffen und den Break im Falle von Gleichstand bezüglich der Teampunkte durch die „Buchholzwertung“ zu erstellen. Nach ausführlicher Diskussion haben wir uns dennoch dafür entschieden, an den Speaks als Kriterium für den Teambreak bei Punktegleichstand festzuhalten. Stattdessen möchten wir die ZEIT DEBATTE in Berlin dafür nutzen, für die Vergabe von Einzelredenpunkten zu sensibilisieren und stellen euch in diesem Artikel unseren Ansatz vor.
Da die Einzelredenpunkte nicht selten breakentscheidend sind, ist eine möglichst einheitliche Vergabe der Einzelredenpunkte ein Gebot der Fairness. Wie Christian haben wir jedoch den Eindruck, dass die Vergabe im status quo – neben Zeitdruck – darunter leidet, dass den Juries die Skala, nach der die Speaks vergeben werden sollten, oft nicht vorliegt oder – nicht selten – nicht einmal bekannt ist. Das wollen wir ändern, indem wir die Skala im Juror*innenbriefing vorstellen und in jedem Raum für die Jury auslegen. Dabei orientieren uns am internationalen Vorbild und haben die Speaker Scale, die seit den WUDC 2013 in Berlin im internationalen Debattieren verwendet wird, ins Deutsche übersetzt. Sie soll Grundlage der Einzelredenbewertung auf der ZEIT DEBATTE Berlin sein. Ihr findet die Skala hier.
Wir möchten alle Juror*innen dazu ermutigen, sich bei der Vergabe der Punkte an den Beschreibungen der Punktespannen zu orientieren. Dies kann und sollte dazu führen, dass die Spanne der tatsächlich vergebenen Punkte größer wird. Wir sind uns im Klaren darüber, dass die bewusste Orientierung an der Skala den impliziten Vorstellungen bezüglich der Einzelredenbepunktung im deutschsprachigen Raum widerspricht, da aktuell in der absoluten Mehrheit der Debatten nur die Punktespanne von etwa 68 bis 79 verwendet wird. Wir sind jedoch überzeugt, dass mit einer konsequenten Verwendung der Skala die Ungenauigkeit und Uneinheitlichkeit bei der Vergabe der Speaks vermindert werden kann. Damit es bei dem Turnier mangels bisheriger Erfahrung mit der Skala nicht zu größeren Verzerrungen kommt, veröffentlichen wir die Skala bereits jetzt, damit ihr euch als Juror*innen aber auch als Redner*innen in optimaler Weise auf die ZEIT DEBATTE Berlin vorbereiten könnt. Wir möchten euch zudem dazu anregen, die Skala bereits auf den nächsten Clubdebatten zu verwenden und Erfahrungen mit ihr zu sammeln. Je mehr ihr die Skala verinnerlicht, desto besser werden eure Bewertungen als Juror*innen sein und desto besser werdet ihr als Redner*innen verstehen, was ihr tun müsst, um hohe Punkte zu erhalten. Selbst wenn es bei der ZEIT DEBATTE in Berlin angesichts des erstmaligen bewussten Einsatzes dieser Skala zu gewissen Ungenauigkeiten bei der Punktevergabe kommen sollte, sind wir der Auffassung, dass mit einer konsequenten Vereinheitlichung der Bewertungsgrundlage die Punktevergabe und damit auch die Breakerstellung langfristig fairer und gerechter werden. Wir hoffen, dass andere Turniere, wie die DDM, die ZEIT DEBATTE Leipzig und die Regios diese Skala ebenfalls verwenden werden und stehen euch für Rückfragen dazu gern zur Verfügung.
Verbot von Zwischenrufen
Unserer Erfahrung nach sind im British Parliamentary Style Zwischenrufe der Debatte nicht förderlich. Oft stören sie. Selten bringen sie die Debatte inhaltlich voran. Mitunter sind sie einfach nur ein Zeichen von Nervosität der dazwischenrufenden Partei. Dazu kommt, dass Zwischenrufe in BPS, anders als in der OPD, nicht gesondert bewertet werden.
Wir haben uns deshalb nach reiflicher Überlegung dazu entschieden, Zwischenrufe in Berlin zu verbieten. Wir möchten, dass die Teams nicht mehr zwischenrufen; wir möchten, dass die jeweiligen Hauptjuror*innen zwischenrufende Redner*innen zur Ordnung rufen.
Obwohl diese Regelung vielen Redner*innen aus dem internationalen Debattierkontext vertraut sein dürfte, sind wir uns bewusst, dass es einige Redner*innen geben wird, die den Zwischenrufen nachtrauern werden. Wir wissen aber auch, dass es viele Redner*innen gibt, die sich durch Zwischenrufe eher gestört und unwohl fühlen. Zwar können einzelne Zwischenrufe sinnvoll sein, aber in der Gesamtheit der Zwischenrufe sehen wir nur einen sehr geringen Nutzen für das inhaltliche Niveau der Debatten. Daher kommen wir in der Abwägung der Interessen dieser beiden Gruppen zu dem Ergebnis, die Zwischenrufe zu verbieten. Auch sehen wir die Harmonisierung der Regeln mit den internationalen Gepflogenheiten als Vorteil an. Denn auch deutschsprachige Turniere, insbesondere ZEIT DEBATTEN, können als Trainingsmöglichkeit für internationale Turniere genutzt werden.
Mentoringprogramm
Wie bereits über den E-Mail-Verteiler des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) bekannt gegeben, planen wir für die diesjährige ZEIT DEBATTE in Berlin ein Mentoringprogramm zur Förderung von Juror*innen mit Entwicklungspotential. Dabei sollen Juror*innen der ZEIT DEBATTE Berlin, die als Mentee in das Programm aufgenommen werden möchten, eine*n Mentor*in zur Seite gestellt bekommen, welche*r sie während des Turniers als Ansprechperson begleitet. Mentee und Mentor*in werden außerdem zwei Runden gemeinsam jurieren. Zusätzlich wird vor und während des Turniers Zeit eingeplant, in der Fragen, Probleme und Verbesserungsvorschläge besprochen werden können.
Als Mentor*innen fungieren erfahrene Juror*innen, welche sicher mit der Jurierdiskussion und dem Feedback umgehen können. Als Mentee können Juror*innen unterschiedlicher Erfahrungslevel an dem Programm teilnehmen, die von einem direkten Austausch mit sehr erfahrenen Juror*innen profitieren wollen. Demnach ist dieses Angebot nicht nur auf Jurier-/Debattieranfänger*innen begrenzt. Die Anmeldung zur Teilnahme als Mentee erfolgt über das Juror*innen-Anmeldeformular. Anmeldungen als Mentor*in können gerne bis zum 04. März per Mail an Christina Dexel geschickt werden (cdexel33 [at] gmail [dot] com).
Wir hoffen, dass das Mentoring-Programm dazu beiträgt, den Erfahrungsaustausch zwischen Juror*innen zu intensivieren und die Entwicklung von interessierten und engagierten Juror*innen zu fördern. Für Anregungen zu dem Programm stehen wir euch sehr gerne zur Verfügung.
Die Chefjury der ZEIT DEBATTE Berlin besteht aus Dessislava Kirova, Christina Dexel, Jonathan Scholbach und Tobias Kube. Dessislava und Christina debattieren bei der Berlin Debating Union, Jonathan bei der Debattiergesellschaft Jena und Tobias beim Brüder Grimm Debattierclub Marburg. Die einzelnen Mitglieder der Chefjury können verschiedene Turniererfolge vorweisen, Tobias war in der Saison 2014-15 Präsident des VDCH.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Dessislava Kirova/Christina Dexel/Jonathan Scholbach/Tobias Kube/lok
Schade! Die Buchholzwertung war so ziemlich das sinnvollste was hier jemals auf der Seite vorgeschlagen wurde…
Darf ich fragen warum ihr euch dagegen entschieden habt? Probleme mit der Realisierung aka „das kann ich nicht einfach bei tabbie herbei-klicken“, oder gibt es ernsthafte Einwände?
Darüber hinaus: Wo ist die verlinkte Skala jetzt genauer als der Status Quo? Die Beschreibungen sind alle vague ( wo ist der unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Argument?) und widersprechen meinen Erfahrungen aus internationalen Turnieren, bzw. ich bin sehr irritiert, dass ich Punkte bekomme wenn meine Rede „Aufmekrsamkeit fesselt“ und „überzeugend“ ist. Für mich sind das OPD-Begriffe…? Müsste da nicht viel mehr was über verschiedene Tiefen in der Interaktion stehen und über die Wertung von Prämissen und korrekten Schlüssen?
Freut mich, dass ihr meinen Beitrag positiv aufgenommen habt! Um die Buchholzwertung zu testen, ist ein DDL-Turnier wahrscheinlich besser geeignet. Würde mich freuen, wenn sich jemand traut das auszuprobieren. 🙂
Die Skala bekannter zu machen ist ein guter Ansatz, ob sie ausreicht muss sich zeigen. Ihr solltet bedenken, dass es auf den ersten Turnieren zu Problemen führen kann, wenn der Maßstab „breiter“gemacht werden soll und Juroren unterschiedlich stark ihre Gewohnheiten anpassen.
Ich hoffe einfach mal, dass die Bildunterschrift bei den Zwischenrufen nicht wahr wird, sondern dass sich das nur auf die ZD Berlin beschränkt. Die Begründung im Artikel ist imho doch eher dürftig. In BPS wird ja nunmal holistisch bewertet, da ist es ja irgendwie klar, dass auch Zwischenrufe nicht gesondert bewertet werden und damit sicher kein Alleinstellungsmerkmal der Zwischenrufe, das ein Verbot rechtfertigen würde. Und wie das zahlenmäßige Verhältnis („einige“, die sie vermissen vs. „viele“, die sie als störend empfinden) von Freunden und Gegnern von Zwischenrufen wirklich ist, ist auch fraglich und sollte vor einem solchen Schritt (oder zumindest bevor man das häufiger macht) genauer untersucht werden. Da wäre es deutlich einfacher, auch in BP zu erlauben, die Glocke umzulegen und den*die Reder*in entscheiden zu lassen, ob Zwischenrufe zu störend sind oder nicht.
Wie Toni schon sagt, werden Zwischenrufe nicht gesondert gewertet, das ist denke ich jedem bewusst. Trotzdem ist mir persönlich immer noch nicht klar, ob sie (so sie denn erlaubt sind) nie (!) in die Bewertung eingehen können oder ob sie eben doch in die Gesamtbewertung mit eingehen können, wenn (!) sie zb gut und passend sind. Von daher ist der Verbot der Zwischenrufe zumindest eine Lösung dieses meines Problems, auch wenn ich definitiv zu den Leuten gehöre, die Zwischenrufe sehr vermissen würden (und in Mainz würden das sicherlich alle). Ich wäre auch eher für eine Glockenregel, aber man kann das ja auch mal ohne Zwischenrufe ausprobieren. Fände ich ehrlich gesagt etwas dröge, aber Debatten müssen ja nicht zwingend unterhaltsam oder besonders engagiert sein, um gut zu sein.
Mich würden auch die Gründe interessieren, warum die Buchholzvariante nicht getestet wird, rein der Neugier halber. Denn ihr habt euch ja offenbar sehr ausführlich mit dieser Frage auseinander gesetzt und da wäre ich einfach gespannt auf eure Gründe 🙂 Die Entscheidung an sich ist aber natürlich vertretbar und ich würde mich Christian anschließen, dass man ein solches neues System erst einmal auf einem DDL-Turnier oder einem anderen kleineren Turnier testen sollte.
Finde ich sehr gut mit den Zwischenrufen.
Zwischenrufe schaden praktisch nur in BP, tragen nichts zur Debatte bei – da nicht bewertbar – können aber den „holistischen Eindruck“ der Teamleistung etwas erschüttern, wenn Sie störend eingesetzt werden sollen. Da keine inhaltliche Bewertung stattfindet (oder zumindest nicht stattfinden dürfte) müssten sie allesamt als störend eingesetzt angesehen werden. Nun kann man noch „verstärkend“ „shame“ oder „Hear, hear“ reinrufen. Man kann das aber auch gleich weglassen und sich auf Güte und Tiefe der Analyse konzentrieren und gut ist.
Wird Zeit, dass man BP wie BP und OPD wie OPD behandelt und das hier erscheint mir ein gelungener Schritt in diese Richtung.
Das ist doch in der Tat beeindruckend! Ihr kommt zu dem Ergebnis, dass die Einzelrednerpunkte vor Allem deshalb ein schlechtes Kriterium darstellen, weil den Juroren die Skala nicht geläufig oder unbekannt ist – und die Lösung des Problems ist eine andere Skala, die den Juroren noch weniger geläufig und noch unbekannter ist!
Ob ihr das Ding nun daneben legt oder nicht wird keinen Unterschied machen. Es ist schließlich jedem Einzelnen völlig unklar, wann Argumente „relevant und einschlägig“ oder „sehr gut und zentral“ sind. Dann kommt der super Vorschlag, dass jeder das ja schonmal lesen kann, das nützt ohne weitere Erklärung aber niemandem etwas, s.O. Dann sollen wir das im Club üben? Sorry, wir machen das andere Format und vergeben selbst in dem in Clubdebatten keine Punkte. Und selbst wenn nun Clubs anfangen mit der neuen Skala zu üben, haben sie ja mangels „Berliner Expertise“ überhaupt keine Referenz, ob ihr Üben eigentlich die richtigen oder falsche Ergebnisse produziert. Netto-Effekt: Man lernt sicher nichts, festigt sich aber ggf. auf falsche Interpretationen.
Die tatsächlich zu vergebende Punktespanne scheint mir jetzt auf ca. 55-89 ausgedehnt zu werden (grobe Schätzung, da unklar). Dabei ist es oft schon schwierig genug, in den kurzen Jurierzeiten auf eine konsensfähige Bepunktung zu kommen, wenn die Punkte aber noch diverser sein können dauert das also noch länger.
Zuletzt wird in jedem Juriergespräch die Notwendigkeit bestehen über die Skala zu reden und zu diskutieren, die in den verschiedenen Clubs nun ohne Referenzen erarbeitet wurden. Die Folge: Die Zeit wird noch knapper, die Entscheidungen noch erzwungener.
Unterm Strich bleibt eine gehörige Menge Chaos, unter Zeitdruck arbeitende, überforderte Juroren, und damit sicherlich keine besseren, sondern drastisch verzerrte Entscheidungen.
Die Buchholzwertung wäre wenigstens ein Versuch gewesen, die Sache einfacher und fairer zu gestalten; hier hat man sich für komplizierter und unfairer entschieden.
tldr: Wenn Unkenntnis und Erfahrungsmangel das Problem sind, hilft Unbekanntes und Unerfahrenes selten. Ist so meine Erfahrung…
Was für ein dürftiger Versuch der BDU mal wieder über die Hintertür internationale Debattierregeln einzuführen um das deutsche BP zu beschädigen weil es einem nicht gefällt… Nach den schwachsinnigen Ausführungen auf der MV durch die Orga dass man nur ein BP-Turnier organisieren könne weil man das andere Format nicht gut genug kenne (hört hört), der absolut unangemessenen Kombination von linker Ehrenjury und Willy-Brandt Haus kommt jetzt noch das Zwischenrufverbot. Das die Punkteskala jetzt erst so richtig verzerrt wird ist auch noch ein schöner Effekt der „tollen“ (für die, die Ironie nicht verstehen: dämlichen) Ideen die sich diese Chefjury ausgedacht hat. Was für ein Scheiß! Achso, sorry dass ich jetzt so deutlich war und meine Kritik nicht in rosa Watte verpackt habe. Ich nenne Scheiße halt noch Scheiße!
Die angestrebte erweiterte Nutzung der Punkteskala finde ich recht sinnvoll, darüber habe ich für OPD auch schon nachgedacht. Auch das Mentoringprogramm könnte nützlich sein, dann muss dafür allerdings wirklich viel Zeit eingeplant werden.
Was mich ein wenig stört ist, dass Zwischenrufe mit einer wirklich unsinnigen Begründung verboten werden sollen. Mit der Begründung „Sie werden nicht gesondert bewertet“ kann man auch BPS-Einzelreden und POIs abschaffen. Ich frage mich, was der eigentliche Gedanke dahinter sein soll – warum muss man alles machen wie im Internationalen? Stören sehe ich die ZR nicht wirklich, vielleicht bei schwacher Argumentation den Redner, ja, aber das ist eben gerade der Sinn von Interaktion – auf Fehler hinzuweisen. Abgesehen davon sind ZR das einzige Mittel gegen den Versuch, Teams der vorderen Hälfte in der hinteren Hälfte „rauszublocken“.
Was mich aber wirklich, wirklich sehr ärgert ist die Aussage „Denn auch deutschsprachige Turniere, insbesondere ZEIT DEBATTEN, können als Trainingsmöglichkeit für internationale Turniere genutzt werden.“ Das spricht nicht gerade von Wertschätzung gegenüber dem deutschsprachigen Debattieren, insbesondere wenn man sich noch an das Berliner Statement von der letzten MV erinnert „Und dank unserer internationalen Juroren kann der Sumpf des deutschsprachigen Debattierens bei uns auch viel lernen.“ So toll ist das international nicht, nur wesentlich selektiver, für diejenigen mit reichen Eltern oder gutem Einkommen. Ich finde, Aussagen wie die beiden genannten sind gegenüber den Leistungen sowohl deutschsprachiger TurnierteilnehmerInnen als auch den AusrichterInnen abschätzig und nichts, was man als Narrativ noch stützen muss.
Wir möchten gern auf die Frage antworten, was die Gründe waren, warum wir uns dagegen entschieden haben, die Buchholzwertung als Breaktentscheider zu verwenden. In unserer Diskussion kamen verschiedene Argumente auf. In der Abwägung der verschiedenen Sichtweisen war für uns letztlich ein Meta-Argument entscheidend: Der Versuch, die Skala explizit zu machen, ist vom Status Quo ein kleinerer Schritt, ein „milderes Mittel“. Wir glauben, dass das Bewusstmachen der Skala und – daraus resultierend – ihre konsequentere Anwendung ein sehr lohnenswerter Versuch ist, die von Christian Zimpelmann benannten Probleme in den Griff zu bekommen und wir denken, dass man zunächst diesen kleineren Schritt versuchen sollte, bevor man sich zu radikaleren Änderungen entschließt. Dazu noch eine Anmerkung zur Skala: Dies ist die Skala, die BPS-Jurieren schon heute zugrundeliegen sollte. Sie wird auf Jurierseminaren gelehrt (was allerdings meist in einem kurzen Verweis darauf besteht, dass die Skala existiert.) Es ist also keinesweges so, dass wir da etwas Neues erfinden, sondern wir rufen vielmehr den Bewertungsmaßstab in Erinnerung, nach dem sich Juror*innen sich eigentlich heute schon richten sollten.
Da hier in der Diskussion so ein starker Fokus auf den Satz gelegt wird, dass Zwischenrufe in BP nicht bewertet werden, auch noch etwas dazu: Diese Aussage ist in unserer Entscheidungsfindung nur ein Nebenpunkt gewesen. Der ausschlaggebende Punkt war für uns, dass der Beitrag von Zwischenrufen zur inhaltlichen Debatte in BP unserer Erfahrung nach im Mittel eher ein Negativ-Beitrag ist: Natürlich gibt es geniale Zwischenrufe, aber die sind leider sehr selten. Das Gros der Zwischenrufe leistet unserer Erfahrung nach keinen Beitrag zur Debatte, sondern stört die Auseinandersetzung eher.
In Lennarts Kritik am Narrativ des deutschsprachigen Debattierens als minderwertig deutet sich eine Interpretation unserer Aussagen an, die von uns nicht intendiert war – ein Missverständnis, das wir umgehend ausräumen möchten: Natürlich haben die Ausrichter*innen der ZD Berlin unsere größte Hochachtung, genau wie alle anderen Ausrichter*innen deutschsprachiger Turniere, die viel Mühe in das Gemeinwohl unserer Debattiergemeinde stecken. Selbstverständlich sind wir auch bereit, den angesprochenen Satz genau umgekehrt zu formulieren, er wird dadurch nicht weniger wahr: Mit einer Harmonisierung mit den internationalen Regeln lässt sich auch jedes internationale Turnier als Training für ein deutschsprachiges Turnier nutzen.
Christina, Dessislava, Tobias und Jonathan
@Nicolas Friebe: Noch eine ganz persönliche Anmerkung, unabhängig von meiner Rolle auf dem Turnier: Solange Du nicht willens oder fähig bist, Deine Meinung in einer Weise zu artikulieren, in der sich ein gewisser für jede Kommunikation notwendiger Respekt für das Gegenüber gegenüber erkennen lässt, werde ich Deine Beiträge inhaltlich als nicht gesagt behandeln. Ich hoffe für die Gesprächskultur dieser Diskussion, dass das auch alle anderen an der Diskussion Beteiligten so handhaben werden.
Schöne Grüße,
Jonathan
@Jonathan: Genau diese Einstellung ist das Problem. Mir gefällt der Ton nicht also ignoriere ich. Ist wahrscheinlich nach den oben genannten Begründungen auch einfacher… Stört mich persönlich auch nicht, da ich eh nicht mit einer sachlichen Auseinandersetzung über die Frage gerechnet habe. Das diese Internationalisierung des BP bei der ZD Berlin schon im vorhinein per AM angekündigt wird, zeigt ja auch schon dass man hier einen missionarischen Charakter dahinter sieht. Sonst hätte man das auch kurz bei der Regeleinführung machen können. Aber dann wäre ja nicht eine generelle Diskussion daraus geworden. Der Artikel ist die CA-Version von Petrys Schusswaffeninterview, ungeheuerliches (ZR abschaffen) ankündigen und sich dann freuen dass eine Diskussion losgeht. PR-technisch natürlich ein kluger Schachzug. Ob das allerdings die Akzeptanz für die Regelauslegung fördert ist eine andere Frage. Vor allem da Berlin bekannt dafür ist, sich eklatant am deutschen Debattieren zu stören und gern alles international harmonisieren möchte und jetzt versucht man halt Regelpolitik durch die Hintertür zu machen. Ob den Nicht-Berliner CAs überhaupt klar ist, dass sie hier ihre Reputation als CAs für billige BDU-Politik verbrennen? Naja, mir solls egal sein… Die Debattierer merken schon genau was die BDU hier mal wieder vorhat!
@Jonathan: Die Skala wird eben nicht gelehrt. Allein die Tatsache, dass ihr damit intendiert die Breite der vergebenen Punkte zu erhöhen, spricht doch hier für sich. Weiterhin habe ich keine Möglichkeit festzustellen, ob meine Interpretation eurer Intention nun die Richtige oder die Falsche ist. Dazu würde mich nach wie vor eine Antwort interessieren. Wie trägt dieses Veröffentlichen zu Einheit bei? Womit stellt ihr sicher, dass ich eure Skala genauso interpretiere wie ihr? Und jeder Andere in seinem Club ebenfalls?
Ich zitiere dich hier einmal höchst selbst: „Eine unnötig große Skalenbreite ist ein Einfallstor für Willkür, weil sie unbegründete Ausschläge erst ermöglicht.“ Zu finden in deinem Mittwochsfeature von vor eingier Zeit.
Wenn ihr Chaos vermeiden wollt, dann gebt den Leuten wenigstens eine Umrechnungstabelle, in der steht welchen „alten Punkten“ die breitere Skala entsprechen soll. Dann hätte man eine Referenz wie ich oben angesprochen habe.
Was der Netto-Nutzen sein soll bleibt für mich nach wie vor aber schleierhaft. Das Problem ist nicht, dass die Leute die Einzelrednerpunkte nicht vergeben können, sondern, dass sich nicht die Zeit genommen wird. Das verhindert ihr jetzt aber umso wirkungsvoller.
Das Einzige, was ihr damit tatsächlich versuchen könnt zu erreichen, ist die Bewertung mehr an den internationalen Maßstab anzugleichen. Gleiches gilt für das Verbot von Zwischenrufen. Eine Begründung außer „das wollen wir so“ gibt’s nach wie vor nicht. Wenn es nämlich tatsächlich nur ein Negativ-Beitrag wäre, so würde sich das ja in den Bewertungen niederschlagen und Kraft des „natürlichen Marktes“ regeln.
Das hier geplante Vorgehen ist eigensinnig, nicht Wunsch der Debattierszene und nicht Teil eurer Bewerbung auf die ZD gewesen. Für Experimente richtet ein DDL-Turnier aus.
Also Nicolas F., ich bin ein Freund von Zwischenrufen. Für mich ist eine Debatte ein „lebendes“ Konstrukt, zudem finde ich eine Sanktion kaum möglich, weswegen ich ein Verbot für nicht sinnvoll halte. Aber ich bitte dich, Nicolas, du warst selbst auf genug ZD und Regios auf denen ich dir gegenübersaß, bei denen es ein faktisches Zwischenrufverbot gab (bsp. Regio 2010, Greifswald 2010 und fast alle anderen BPS Turniere bis 2012). Was wurde damals gesagt: Das Vorwegnehmen von Inhalten ist nicht gestattet. Heißt, das einzige was erlaubt war, war sowas wie „Zustimmung“, „Shame“, etc. Das wird nach der jetzigen Regelung nicht anders sein. Warum du hierdraus mit wirklich absurden Vergleichen anstellst, ist Geschichtsverdrehung, Polemik und wenn überhaupt PR für deine eigene Agenda und schiebst das ganze auch noch auf einen Club. Sry, aber dafür: Shame on you! Aber wahrscheinlich sage ich das auch nur, weil ich in einer geheimen Untergrundorganisation mit den Leute im Bunde bin. Ich freue mich schon auf die Angriffe.
Ist das Verbot von Zwischenrufen absolut, schließt also beim Anbieten einer Zwischenfrage eine begleitende Aussage wie „Verständnisfrage/Dazu/Letzte Chance“ mit ein?
Das könnte ich (mit obiger Argumentation) nicht nachvollziehen, sind diese doch eher hilfreich für den Redner, die Frage schon im Vorfeld einordnen zu können.
*Für Rednerinnen natürlich auch.
Mir kam irgendwann mal der Gedanke, ob es nicht pragmatisch wäre, ODP-Punkte in BP umzurechnen und den gleichen Maßstab zu nutzen. Jeder hat eine grobe Vorstellung davon, ob das jetzt eher eine 42 oder eher eine 47 oder eine 51 war, und das könnte man mittels einer Tabelle in BP-Punkte umrechnen (man müsste sich überlegen, was man mit den linken Kategorien macht). Ich habe es noch nicht gut genug durchdacht, um es selbstbewusst als gute Idee propagieren zu wollen, aber vielleicht taugt es zumindest als es eine interessante Anregung für die diskursfreudige Crowd :-).
Als großer Fan von Zwischenrufen blutet mir persönlich das Herz, aber diese Regelung ist im deutschsprachigen Debattieren nicht ohne Beispiel und m.E. unter dem Regelkonsens abgedeckt, da können CAs sagen, sie wollen das so haben.
In diesem Zusammenhang würde ich nur noch im Interesse der Interaktion anregen den Redner_innen, ein mandatory minimum für Fragen aufzuerlegen. Der Trend, dass ein Team insgesamt nur zwei Fragen zulässt, macht in Kombination mit dem Zwischenrufverbot eine echt lahme Debatte, bei dem ein Team auch einfach nur rausblasen kann, ohne Korrektur. Damit werden auch die Zwischenfragen wieder aufgewertet, bzw. bestehen Teams nicht, die sich nicht mit dem Gegner auseinandersetzen. Man denken an ein Finale mit nur 4 Zwischenfragen, damit fehlt der Debatte die Interaktivität.
@Nikos: Die Kriterien in BP sind andere als in OPD, glaube nicht, dass das sinnvoll wäre. Davon abgesehen weiß ich im SQ auch, was in etwa ne 70, ne 75 oder ne 80 ist…
Ich finde es auch schade, dass Zwischenrufe verboten werden. Ich fand wenige Dinge im Debattieren so anstrengend, wie späte Runden auf internationalen Turnieren in denen der Raum praktisch ruhig ist. Wenig Applaus vor, nach und während den Reden, wenige Zwischenfragen und dazu noch keine Möglichkeit über Zwischenrufe zu interagieren. Es ist fürchterlich, zu so einer apathischen Gruppe zu sprechen. Und ich glaube, dass ein Teil davon kommt, dass es ohne Zwischenrufe kaum lohnt, nach seiner eigenen Rede noch aufzupassen. Selbst wenn es nur wenig in die Wertung eingeht, hat man dennoch mit Zwischenrufen mehr das Gefühl, dass man immer noch an der Debatte beteiligt ist.
Zwischenrufe können natürlich auch unnötig und störend sein. Es sollte daher auf jeden Fall auch die Möglichkeit geben die Glocke umlegen zu lassen. Das wäre als Regeländerung allerdings überhaupt kein Problem.
Wenn es keinen Bestrafungsmechanismus gibt (wie die Punkte in OPD) können Zwischenrufe natürlich missbraucht werden. Aber einerseits denke ich, dass man dem Problem mit Ordnungsrufen teilweise Herr werden kann, andererseits gab es das Problem bisher auch nicht. Wir sind ja alle nette Menschen.
Das auch wenige Zwischenrufe den Redner ablenken können, halte ich für akzeptabel. An Zwischenrufe gewöhnt man sich relativ schnell und die Interaktionsmöglichkeiten sind wichtiger als die Risiken.
Wenn wir davon reden, ob man international für deutsche Turniere oder national für internationale Turniere trainieren kann, sehe ich als viel relevanteren Vorteil, dass man mit Zwischenrufen, in OPD für BP und in BP für OPD trainieren kann.
Und da die allermeisten Debattanten in Deutschland öfter OPD als internationales BP reden, sollte das die weit wichtigere Perspektive sein.
Gleichzeitig sehe ich ein nicht allzu kleines Risiko, dass es in ZR-losen BP Clubs zu einer Abneigung gegen OPD kommen könnte, weil sich besonders neuere Redner nicht trauen in einem Format mit Zwischenrufen zu reden. Da diese aber nunmal die Hälfte aller Spaß-Trainings- und Siegmöglichkeiten ausmachen, wäre dies ein großer Verlust für alle, der als gewichtiger einzustufen wäre, als alle eventuellen internationalen Angleichungen.
Ich finde es sollten noch ein paar Worte zum WUDC Zwischenrufverbot gesagt werden: Bei Turnieren mit Teilnehmern aus mehreren Ländern, besonders wenn nicht-Muttersprachler beteiligt sind, bieten Zwischenrufe mehr Probleme als Vorteile, da sie oft nicht verstanden werden. Ich verstehe regelmäßig normale Zwischenfragen nicht, da wäre es utopisch es mit hastig eingeworfenen Rufen zu versuchen. Daher gäbe es hier einen großen Vorteil für die Muttersprachler und Verwirrung bei allen anderen.
In Deutschland können wir uns, da wir alle des Deutschen mächtig sind, uns diesen Luxus allerdings leisten.
Ich persönlich würde sie auch dann in Deutschland erlauben, wenn einzelne fremdsprachige Teams dabei sind, da man sich bei diesen, genau wie bei Anfängern, mit Zwischenrufen zurückhalten würde.
Fazit: Zwischenrufe sind super, Formatverbindend und in Deutschland, im Vergleich zu internationalen Szene, umsetzbar.
Volle Unterstützung für Konrads Post, hoffentlich bleibt das Verbot von ZR eine einmalige Sache der ZD Berlin (dazu auch kurz zu Willy: 2013/14 waren ZR gerade nicht verboten und Debatten damit umso angenehmer 😉 )
Trotzdem werden wir nun zur ZD Berlin kaum mehr etwas ändern können, daher bleibt nur die Beantwortung noch offener Fragen:
1. (von Johannes) Ist das Verbot von Zwischenrufen absolut, schließt also beim Anbieten einer Zwischenfrage eine begleitende Aussage wie “Verständnisfrage/Dazu/Letzte Chance” mit ein?
2. (von Peter) Wie wollt ihr das Zeitproblem lösen und wie werdet ihr ein angemessenes Heranführen ALLER Juror_innen an die Skala (und eure Interpretation dazu) ermöglichen? Diese Fragen sind bei möglichen 4-Personen-Panels umso wichtiger. Schön wäre es daher, wenn neben dem ausführlichen Jurorenbriefing auch die Teams über die (intendierte) Vorgehensweise während der Jurierdiskussion informiert würden.
Schließe mich Flo (blutendes Herz uund mandatory questions) und Konrad an 🙂 Und klar, die Harmonisierung bei den Speaks oder den Zwischenrufen mit dem internationalen Debattieren ist selbstverständlich ein legitimes Ziel, auch wenn es meiner Ansicht nach kein zwingendes (sondern ein vertretbares) ist.
Davon aber mal abgesehen schließe ich mich Ally und Peter an: Ich wüsste nicht, wie es gewährleistet werden soll, dass die Juroren die neue Skala in wenigen Wochen und ohne Eichdebatte oder Turnier so anwenden können sollen wie intendiert. Natürlich kann jeder von uns die Skala auf seine Weise interpretieren, das ist keine Frage. Aber mit einheitlichen Ergebnissen würde ich dabei nicht unbedingt rechnen. Und das macht das Vergeben der Speaks doch eigentlich eher schwerer und komplizierter, oder? Je nachdem verlassen sich dann die unerfahrenen Juroren allein auf das Urteil jener Leute, die mit der Skala bereits länger vertraut sind und reden bei den Speaks einfach nicht mit (was ich schon für problematisch halten würde). Oder es kommt zu großen Meinungsverschiedenheiten a la „ich interpretiere das aber so, der Wortlaut der Skala gibt das her“. Und da die Skala wesentlcih breiter wäre, müsste man viel länger diskutieren, um zu einem Konsens zu kommen (es sei denn, man erlaubt zu mitteln…). Wenn man die Skala und die Maßstäbe mal verinnerlicht hat, dann gibt es dadurch eventuell einen Fortschritt gegenüber dem SQ bei der Speaksvergabe (Harmonisierung mit internationalen Maßstäben), aber auch das ist nicht gesichert, falls die Mehrheit der deutschsprachigen Debattanten sich auf eine andere Interpretation des internationalen Maßstabs einigt, was selbstverständlich auch ohne Aussprache geschehen kann, nämlich durch konsensuale Anwendung über einen gewissen Zeitraum. Man würde dann wohl von einem Konsens bei den Speaks (dem heutigen) zu einem anderen kommen (womöglich dem Internationalen, womöglich aber auch einer deutschsprachigen Interpretation der Skala). In jedem Fall denke ich aber wie Peter und Ally, dass so ein Konsens nicht innerhalb drei Wochen ohne gemeinsame Debatten, Turniere oder Jurierseminare erreichbar ist und die Umsetzung daher in drei Wochen in Berlin ein großes Problem werden wird. Das wäre ein längerfristiges Projekt, das man sicherlich irgendwann einmal starten muss, wenn man es denn starten will (was ich nach wie vor für legitim halte). Ob eine ZEIT DEBATTE dafür der beste Ausgangspunkt ist, ist aber angesichts des Prestiges und der Bedeutung des Turniers für viele Teilnehmer eine andere Frage.
Ich schließe mich übrigens auch nochmal Ally an in Sachen Briefing der Redner. Denn die Redner werden nach einem anderen Maßstab juriert werden und das kann durchaus breakrelevant sein.
Ich finde das Ziel, die Skala stärker in der Breite zu Nutzen sehr sinnvoll.
Auch aus OPD-Regelkommissionssicht wäre es sehr spannend zu diskutieren, welche Möglichkeiten es hier für eine Umstellung gibt, über was für einen Zeitrahmen, mit welchen Nachteilen.
Daher sollten wir hier erst einmal getrennt diskutieren, ob eine weitere Skala sinnvoll wäre oder nicht, und davon unabhängig, welche Methode die sinnvollste wäre.
Sonst haben wir hier das Risiko, dass alle die entweder das Ziel oder die Methode kritisieren, jetzt gegen das Vorgehen der CJs wettern, obwohl sie evtl. die Grundidee unterstützen.
@Ally: Warum sollte sich das nicht mehr ändern lassen? Ist sogar bis zum Jurorenbriefing noch problemlos möglich. Bis dahin hat die Änderung ja noch überhaupt keinen Einfluss. Außer dass die Berliner Helferlein irgendwann diese Skala 12 mal drucken müssen…
Vorbereiten kann sich ja sowieso niemand sinnvoll, also hats auf die Juroren überhaupt keinen Einfluss.
Und ich sage ja immer: Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A schon falsch war…
Vorweg: Ich freue mich darüber, dass Änderungen ausprobiert werden und wir nicht probieren Regeln zu zementieren (by the way dieser OPD Vorschlag von Jonathan ist toll). Das gilt uneingeschränkt auch für die Regeländerung auf der ZD in Berlin.
Trotzdem bin ich ein Freund der Zwischenrufe (wen würde das überraschen). Ich stimme zu, dass viele Zwischenrufe nicht zielführend sind und (leider) schlecht in der Bewertung aufgegriffen werden (was übrigens auch für POIs gilt).
Jedoch sind Zwischenrufe u. a. deswegen ein kleiner Teil dessen, was gute von sehr guten Rednern unterscheidet. Zum einem gibt es sie doch, die guten Zwischenrufen (etwa den Widerspruch aufzeigen und wird dieser nicht aufgelöst ist das durchaus Teil meiner Jurierung). Zum anderen gibt es eben auch die schlechten Zwischenrufe, die etwa einen Redner zu einer Analyse oder Definition zwingen, die er sonst nicht gebracht hätte (also schlecht für den Zwischenrufer nicht die Debatte).
Besonders schade finde ich jedoch die Regeländerung aus der anderen Perspektive: Gerade für einen guten Redner bieten Zwischenrufe die Chance für Schlagfertigkeit und Interaktion, bis hin zu vorbereiteten Antworten auf provozierte (shame) Zwischenrufe. Auch bieten sie gerade auf den Diagonalen die Möglichkeit der Interaktion außerhalb von POIs. Diese halte ich für erstrebenswert in Anbetracht der Beobachtung, dass i. d. R. eine POI ran genommen wird und die eben auch nicht immer gut ist. Genau hier bieten (gute) Zwischenrufe die Möglichkeit der diagonalen Interaktion.
Wir bedanken uns für die lebhafte Diskussion unserer Entscheidungen und möchten gern auf die Fragen und Kritik eingehen, die im weiteren Verlauf der Diskussion aufgeworfen wurden.
Zuerst zu den Beiträgen, die den Interpretationsspielraum der Einzelredenskala als problematisch ansprechen: Ganz abstrakt sehen wir auch, dass der Skala immer noch eine unhintergehbare Vagheit innewohnt, die sich schon daraus ergibt, dass ein so komplexes Phänomen wie Debattieren verbal beschrieben und kategorisiert werden soll. In diesem Sinne ist die Einzelredenskala sicher nicht perfekt. Aber als wir uns gefragt haben, ob wir diese Maßnahme durchführen, haben wir nicht einen abstrakten Maßstab der Perfektion zur Grundlage unserer Entscheidung gemacht, sondern uns gefragt, ob die Maßnahme eine Verbesserung des Status Quo darstellt.
Deswegen kurz ein paar Worte dazu, wie wir diesen Status Quo wahrnehmen: Wie schon im Beitrag erwähnt, teilen wir die kritische Position Christian Zimpelmanns in den meisten seiner Punkte. Zur Zeit reicht die explizite Skala von 50-100 und die einzige Frage, die an die Einzelrede gestellt wird, lautet: „War das eine gute Rede?“ Daneben gibt es eine sehr viel engere implizite Skala, deren Zustandekommen sich jurierhistorisch recht gut als ein Vergessen der expliziten Skala beschreiben lässt.
Im Status Quo hat niemals eine explizite und allgemeine Kommunikation über den gegenwärtigen de-facto-Bewertungsmaßstab stattgefunden. Die Verengung der gegenwärtigen Skala interpretieren wir vielmehr als ein Zeichen der Unsicherheit, die unter anderem aus dem Vergessen der expliziten Skala resultiert – wenn man nicht weiß, welche Punkte man vergeben sollte, dann wird man große Ausschläge vermeiden, um nicht allzuviel falsch zu machen. Eine explizite Skala, die zudem zumindest einigen Juror*innen aus dem internationalen Debattieren bekannt ist, und auch historisch gesehen der (mittlerweile offenbar bei vielen ins Unbewusste abgesunkene) Ausgangspunkt der gegenwärtigen Bewertungen ist, stellt in unseren Augen eine Verbesserung des Status Quo dar. Und das ist es, woran wir unsere Maßnahmen messen.
Dass einige davon auszugehen scheinen, dass wir hier ein ganz neues Instrument einführen, lesen wir auch als ein Zeichen, wie wenig sich mit der BP-Einzelredenbewertung bisher auseinandergesetzt wurde – denn die Speaker Scale, die unserer Übersetzung zugrundeliegt, wurde beispielsweise schon im Jurorenleitfaden der DDM 2014 verlinkt (https://docs.google.com/document/d/1bIuLciDzv6UT3Ct6A4KPqAReZIGZJfQRf7-PceIVg58/edit, S.14 unten), und wir haben sie selbst in BP-Jurierseminaren vorgestellt.
Unabhängig von der Frage, ob man den Status Quo überhaupt durch eine explizite Skala verändern sollte, könnte man natürlich über die konkrete Gestalt der Skala sprechen. Leider hat sich noch niemand die Mühe gemacht, die behauptete Vagheit am Text der Skala zu demonstrieren. Ohne Hinweise auf konkrete Mängel des Textes ist es für uns aber schwer, uns zur Vagheit der Skala zu äußern. Wenn konkrete Mängel in den Formulierungen der Skala aufgezeigt würden, wären wir für konstruktive Kritik im Sinne einer konkreten Sensibilisierung für einzelne Formulierungen der Skala sehr dankbar. Nachdem wir sie aufmerksam studiert haben und uns auch über ihre Übersetzung intensiv Gedanken gemacht haben, sind wir der Auffassung, dass die Skala, die ja auch international in vielen Turnieren geprüft ist, recht klar formuliert ist.
Wir wissen, dass es Juror*innen auf der ZD Berlin geben wird, die aus dem internationalen Debattieren mit der Skala vertraut sind. Für die ZD Berlin sind wir daher davon überzeugt, dass die Einzelreden relativ verlässlich (und besser als ohne die Skala) bewertet werden werden. Für die Zukunft der BP-Einzelredenbepunktung nehmen – wie beschrieben – an, dass eine Explikation ein Schritt in die richtige Richtung hin zu einer Verbesserung der Einzelredenbewertung darstellt.
Schließlich noch einige Worte zu den Zwischenrufen. Wir verstehen sehr gut, dass einige Debattierer*innen einen persönlichen Bezug zu Zwischenrufen haben, der ja hier in der Diskussion auch in vielen Beiträgen anhand des persönlichen Erlebens und Empfindens deutlich gemacht worden ist. Diese persönlichen Empfindungen sind durchaus – wie schon im Artikel beschrieben – in unsere Abwägung bereits eingegangen.
Wir möchten hier daher vor Allem auf die Frage eingehen, die für unsere Entscheidung auch den größeren Ausschlag gegeben hat – die Frage, ob Zwischenrufe für die Interaktion in der Debatte hilfreich sind. Unserer Auffassung nach kommt es in dieser Frage darauf an, die subjekive Position in der Debatte und die Position de*r außenstehenden Betrachter*in nicht zu verwecheln. Natürlich freut man sich oft, wenn man meint, man habe einen guten Zwischenruf gemacht. Wir haben aber nicht die Beobachtung gemacht, dass Zwischenrufe die Interaktion tatsächlich verbessern und zu einer inhaltlich vertieften Auseinandersetzung Substanzielles beitragen.
Für eine strategisch und taktisch sinnvolle Auseinandersetzung stellen neben dem Rebuttal die Zwischenfragen das deutlich effektivere Mittel dar, das in unseren Augen auch die Qualität der Debatten – anders als Zwischenrufe, die häufig impulsiv und unüberlegt getätigt werden – deutlich hebt.
Beste Grüße,
Tobi, Dessislava, Christina und Jonathan
Selbst wenn Zwischenrufe in keinen Fall zu einer „inhaltlich vertieften Auseinadersetzung“ führen würden (was ich immernoch bezweifle, es gibt gute Zwischenrufe, auch wenn sie natürlich nicht so häufig sind. (Das gilt aber auch für POIs, auch wenn ich da zugestehe, dass die häufiger gut sind) Und natürlich behauptet hier niemand, Zwischenrufe wären ein besseres Interaktionsmittel als POIs oder ein Rebuttal. Aber: Wie ihr selbst gesagt habt, gibt es genug Leute, denen sie schlichtweg Spaß machen. Als Zuhörer*in wie als Redner*in. Und die Mehrheit der Teilnehmer*innen hat mit den Break wenig zu tun, will natürlich lernen, aber eben auch genau das: Spaß haben. Warum überlässt man dann nicht dem*der Reder*in am Pult die Frage, ob Zwischenrufe jetzt hilfreich sind oder nicht und gibt ihnen das Recht sich Zwischenrufe zu verbitten?
Danke für deine (bzw. eure ) ausführliche Stellungnahme, Jonathan. Ich finde es wirklich gut, dass ihr euch diese Mühe macht und eure Entscheidung so transparent macht 🙂
Ich denke inzwischen, eure Idee mit den Speaker Points ist prinzipiell eine gute. Nicht so sehr wegen der Vergleichbarkeit mit dem internationalen Debattieren (das ist aus meiner Sicht eher ein positiver Nebeneffekt) als wegen der tatsächlichen Auseinandersetzung mit der Punktevergabe als solche. Ob das in der Praxis beim Turnier gut funktioniert, ob die Juroren sich die angemessene Zeit dafür nehmen können, ist eine andere Frage. Die Idee an sich bleibt aber richtig. Und wenn in jedem Raum immer mindestens eine Person sitzt, die mit der Skala vertraut ist, sollte das auch funktionieren. Schade wäre dann aber, wenn die anderen Juroren das dann nur noch abnicken könnten und ihre Ansicht zur Skala nicht einbringen könnten. Denn es kann ja sein, dass die Skala von unterschiedlichen Leuten unterschiedlich interpretiert wird (das wird sogar sehr sicher der Fall sein, siehe Peters Ausführungen). Bis sich da ein größerer Konsens gebildet hat, wird es dauern, da bleibe ich dabei bzw bei Peter und Konrad. Dieser Konsens kann ja übrigens auch wieder jenseits dessen liegen, was international üblich ist, denn du hast ja schon geschrieben, dass diese (oder eine vergleichbare) Skala schon einmal die Grundlage für die Speax war und trotzdem hat man sich in VDCH-Land irgendwann in eine andere Richtung entwickelt, warum auch immer. Ich denke aber, dass sich die ZD als solche auf dieser Grundlage durchführen lässt und das Speakertab wahrscheinlich nicht verzerrt wird (zumindest nicht mehr als sonst) und das wäre aus meiner Perspektive das wichtigste bei dieser Änderung.
Bei den Zwischenrufen kann ich euch noch nicht ganz folgen. Sicher, die werden nicht immer so viel tollen Inhalt liefern, aber manchmal eben schon. Da stellt sich dannn die Frage, ob der Störfaktor auf der anderen Seite so groß ist, dass man sie komplett verbieten muss, zumal viele Leute sich ja nicht nur nicht gestört fühlen, sondern sogar großen Spaß daran haben. Man könnte jeden einzelnen Redner entscheiden lassen, ob er Zwischenrufe zulässt oder ihm die Möglichkeit geben, während der Rede die Glocke umlegen zu lassen (siehe Toni und Konrad). Oder man könnte eine opt-in Lösung anbieten, wonach sich alle (!) Teams vor jeder Runde (gerne anonym) äußern können, ob sie Zwischenrufe erlauben wollen oder nicht. Wenn alle dafür sind, kann man sie erlauben, wenn ein Team dagegen ist, verbietet man sie. So muss sich niemand irgendwie unter sozialem Druck fühlen, dafür oder dagegen zu stimmen. Das wäre auch kein großer Aufwand, da gibt einfach jedes Team nach dem Eintreten in den Saal ein kleines Papier ab auf dem „ZR ja/nein“ steht. Das kann man bei dem Aufruf der Rednerreihenfolge machen, kostet praktisch keine Zeit und setzt niemanden unter Druck, da anonym. Nur mal so ein Vorschlag.
Im Übrigen denke ich aber nicht nur, dass Debatten für Zuschauer zumindest langweiliger (wenn auch nicht langweilig) werden, wenn keine Zwischenrufe erlaubt sind, sondern auch für die Debattenteilnehmer. Und wie Toni schon sagt, wenn es den Leuten Spaß macht, sie es gerne wollen und vielleicht sogar ab und zu auch noch guter Inhalt geliefert wird, wenn auch selten: warum sollte man Zwischenrufe dann verbieten?
Ich wiederhole nochmal die noch nicht beantworten Fragen (trotz Jonathans länger (Danke!) Antwort):
1. (von Johannes) Ist das Verbot von Zwischenrufen absolut, schließt also beim Anbieten einer Zwischenfrage eine begleitende Aussage wie “Verständnisfrage/Dazu/Letzte Chance” mit ein?
2. Werdet ihr eine Art Pflicht zur Annahme mind. einer und Empfehlung zur Annahme zweier Zwischenfragen pro Rede (!) implementieren, um ausreichend Interaktion zu ermöglichen? Wir haben nämlich bisher tatsächlich das Problem, dass fehlende Zwischenfragen in Deutschland idR kaum bis gar nicht geahndet werden und damit gerade die ER eklatant im Laufe der Debatte benachteiligt wird. Das mag international anders sein, ändert aber an der aktuellen Situation in Deutschland nichts.
Ich halte unsere CJ allesamt für fähige, kluge Leute. Was ich deshalb einfach nicht verstehe, ist warum ihre Maßnahmen so wenig zu den ausgelobten Zielen zu passen scheinen. Ich komme also zu dem Schluss, dass die Ziele, die tatsächlich erreicht werden sollen, von den hier angegebenen abweichen.
Zu Zwischenrufen:
Angebliches Ziel: Negative, störende Zwischenrufe unterbinden.
Maßnahme: Alle Zwischenrufe verbieten.
Obwohl auch von Jonathan beschrieben wird, dass es gute Zwischenrufe gibt und nicht alle störend sind, werden alle verboten. Obwohl viele Leute die ZR als erhaltenswert erachten, werden sie verboten. Auf die Sorge, dass es dann zu wenig Interaktion geben könnte, wird nicht eingegangen. Auf alternative Problemlösungsvorschläge wird nicht eingegangen. Maßnahme und Ziel passen offensichtlich wenig zueinander.
Mögliches tatsächliches Ziel: Anpassung von deutschem an internationales BP.
Zu Einzelrednerpunkten:
Angebliches Ziel: Unter Verweiß auf Christians Beitrag, die Probleme des Zeitdrucks und der Unkenntnis des Maßstabs lösen.
Maßnahme: Bisherigen Konsens über Bepunktung für ungültig erklären und eine andere Punktevergabe als im SQ fordern.
Dass das Zeitproblem dadurch schlimmer wird, wird offensichtlich ignoriert. Auch nach Hinweiß darauf, gibt es keine Erklärung, wie es gelöst werden soll. Wie die Eichung aller (!) Juroren auf den anderen Maßstab erfolgen soll wird nicht erklärt, stattdessen die überflüssige Idee, man könne das ja im Club üben (kann man ohne Referenz nicht). Im SQ mag es einige Juroren geben, die den Punktekonsens nicht kennen; in Berlin wird es nur einige geben die ihn tatsächlich kennen. Wie das zum Ziel passt ist mir schleierhaft.
Mögliches tatsächliches Ziel: Anpassung von deutschem an internationales BP.
Ich möchte überhaupt nicht aussagen, dass die Angleichung an internationale Maßstäbe nicht sinnvoll wäre. Zumindest bei der Punktevergabe denke ich durchaus, dass das gut sein könnte. Bei den ZR bezweifle ich das. Kann und sollte man alles mal diskutieren. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die geplanten Maßnahmen eher zu mehr Chaos führen, als zu mehr Einheit. Das ist mir für diesen Beitrag aber auch relativ schnuppe. Was mich nervt ist, dass ich das Gefühl bekomme man versucht mich für dumm zu verkaufen, indem man sich Ziele auf die Fahnen schreibt, die sich gut anhören, aber nicht zu den Maßnahmen passen, um Regelungen einzuführen die man gerne hätte!
Möglicherweise liege ich völlig falsch, aber persönlich reichen mir die Erklärungen, wie eure Maßnahmen zu den Zielen passen noch nicht aus. Ich blicke daher mit ungutem Gefühl darauf, dass die ZD nun als Großexperiment herhalten werden muss um mich (hoffentlich) zu überzeugen.
@Peter: Zwischenrufe sehe ich ähnlich wie du. Das mit den Einzelrednerpunkten ist aber schon ziemlich wichtig. Im Moment gibt es kaum Unterscheidung insbesondere in der Spitze. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass es insbesondere in den letzten Monaten etwas besser wurde, so ist die Unterscheidung zwischen einer guten Rede, einer sehr guten Rede, einer genialen Rede und einer einzigartigen Rede im Bereich 78-82 Punkten. Das einzige Mal das mehr als 85 Punkte für eine Rede vergeben wurde, war auf der SDM vor 4 Jahren (Damals hatte S. H. 88 Punkte erhalten). Wenn an der Skala nicht gerüttelt wird, haben wir das Problem, dass der Break bei den Punktgleichen Teams abhängig ist von einem Juror bzw. einer Jurorin. Jemand der liberaler ist, kann mit einer einzigen Entscheidung den Break entscheiden. Ob nun angesagt wird: Seid alle konservativ oder seid alle liberal ist in dem Sinne egal. Aber die Idee der CJs der ZD Berlin alle auf einen Maßstab einzustimmen ist sinnvoll.
Kurz: Mehr Ausdifferenzierung ist besser!
@Willy: Damit hast du mit Sicherheit Recht. Meine Sorge ist ja aber gerade, dass die neue/alte/eigentliche/bessere/wasauchimmer Skala eben nicht alle auf einen Maßstab einstimmt, sondern alle jetzt mit verschiedenen Maßstäben in das Turnier gehen. Die Eichung auf einen gemeinsamen Maßstab kann dann höchstens on-the-fly passieren und das halte ich für äußerst riskant, gerade auf einer ZD mit so vielen Teams, bei der die Punkte sicher für etliche Leute relevant werden. Bis alle einigermaßen kongruent punkten vergehen mindestens 3 Runden und dann liegt das Kind bereits im Brunnen. Eventuell könnte man dieser Problematik mit einer Eichdebatte begegnen, aber dafür läuft inzwischen die Zeit davon. Auch wenn die Einstimmung auf einen differenzierteren Maßstab sinnvoll sein mag, sollte die ZD nicht zum Bauernopfer dafür verkommen.
@Peter: Ja, es mag sein, dass dadurch ein Kind in den Brunnen fällt. Das passiert aber auch bei einer Runde, wenn nur ein Juror / eine Jurorin liberaler punktet, weil er / sie zum Beispiel internationales Debattieren gewohnt ist. Ich verstehe ja die Kritik, ich weiß aber nicht warum der Status Quo weniger Probleme verursachen soll als der Vorschlag der ZD Berlin. Und wenn beides Probleme verursacht, dann gehe ich lieber den Weg, der langfristig (ja, ich gestehe zu auf der ZD gibt es vll. Probleme) besser ist als einen Status Quo beizubehalten, den wir nicht gut finden, sondern nur akzeptieren weil er gerade so funktioniert und Beschwerden nur vereinzelt und leise artikuliert werden.
Peter, bitte fasse etwas Vertrauen zu uns: Wir geben die Ziele an, die wir tatsächlich verfolgen und belügen Euch nicht etwa, um etwa eine hidden agenda durchzusetzen. Im Übrigen hat die Opposition „national vs. international“, die für Einige hier bei der Deutung unserer Maßnahmen relevant zu sein scheint, in unseren Überlegungen keine große Rolle gespielt; „national“ bzw. „deutsch“ und „international“ sind in unserer Entscheidungsfindung keine relevanten Kategorien gewesen. Einzig in dem bereits erwähnten Argument, dass man auf internationalen Turnieren für nationale Turniere trainieren kann und umgekehrt, sind diese Worte überhaupt in unserer Diskussion aufgetaucht.
Es tut uns leid, dass Du den Eindruck hast, wir wollten Dich „für dumm verkaufen“ (Beitrag No. 29). Offenbar gibt es in unserer Kommunikation Barrieren, aber wir bemühen uns ehrlich darum, diese aus dem Weg zu räumen und versuchen, auf alle Argumente einzugehen. Sicherlich machen wir dabei auch Fehler, und übersehen hier und da etwas – die Texte sind relativ lang :-). Vielleicht kannst Du aber schon die Vorabankündigung unserer Maßnahmen als Versuch (an)erkennen, Kommunikation und Diskussion zu ermöglichen, und vielleicht kann dies Dein Vertrauen in unsere kommunikative Redlichkeit stärken – das würde uns sehr freuen. Wir sind guter Hoffnung, dass wir durch respektvolle Kommunikation zu einem wechselseitigen Verständnis für die Positionen des jeweiligen Gegenübers kommen können. Deswegen äußern wir uns nun weiter zur Sache:
Zum Dissens bezüglich der Einzelredenskala: Du bewertest den Status Quo augenscheinlich weniger kritisch als wir, wenn Du implizit davon ausgehst, dass es zur Zeit einen „[b]isherigen Konsens über Bepunktung“ (Beitrag No. 29) d.h. einen allgemein geteilten, intersubjektiven Maßstab gäbe. Dein Argument, dass Du im SQ bereits wüsstest, „was in etwa ne 70, ne 75 oder ne 80 ist…“ (Beitrag No. 18) hat uns noch nicht deutlich werden lassen, warum Du die Bewertung im SQ für allgemein verlässlicher hältst, als eine Bewertung, die sich konsequent an den Formulierungen der Skala orientiert. Denn subjektive Sicherheit reicht ja gerade nicht aus, um einen intersubjektiv einheitlichen Maßstab zu konstitutieren. Unserer Erfahrung nach, die – wie in Christian Zimpelmann Artikel deutlich wurde – augenscheinlich auch von anderen geteilt wird, ist der implizite Maßstab des SQ *sehr* unzuverlässig.
Deine Kritik am Aussagegehalt der Skala ist in unseren Augen hingegen viel zu grob: Denn Du scheinst so zu argumentieren, als wäre die Skala inhaltlich völlig leer, intersubjektive Verlässlichkeit daher überhaupt nicht gegeben. Die Skala hat aber – anders als Du meinst – eine „Referenz“, denn sie bedient sich einer allgemein verständlichen Sprache, und differenziert in diesem intersubjektiv geteilten Medium die Merkmale verschiedene Reden voneinander. Die Skala bildet also Punkte auf allgemein verständliche Beschreibungen ab. Intersubjektivität wird also zunächst einmal zu einem gewissen Grad dadurch hergestellt, dass die Skala in einer Sprache formuliert ist, die wir alle sprechen. Das ist in unseren Augen ein Fortschritt zum Status Quo.
Bei den Zwischenrufen ist in unseren Augen nicht nur der Maßstab entscheidend, wie vielen Leuten das gefällt oder missfällt (wir haben übrigens auf nichtöfffentlichem Weg auch Rückmeldung von Leuten bekommen, die das Verbot begrüßen, sodass der sich aus den Beiträgen hier ergebende Eindruck, das Verbot würde einhellig oder auch nur mehrheitlich abgelehnt, nicht der Wirklichkeit entsprechen muss), sondern es spielen auch übersubjektive Werte, wie unter Anderem die Qualität der Debatte, eine Rolle. Und für dieses Kriterium ist es nicht ausreichend, zu konstatieren, dass es einige wenige gute Zwischenrufe gibt – was wir ja durchaus anerkennen -, sondern es muss die Auswirkung der Gesamtheit der Zwischenrufe auf die Debattenqualität betrachtet werden. Und die bewerten wir in der Summe negativ. (Wir haben bereits im Artikel versucht, diese Grundlage unserer Entscheidung als solche deutlich zu machen, als wir schrieben „Unserer Erfahrung nach sind im British Parliamentary Style Zwischenrufe der Debatte nicht förderlich. […] Selten bringen sie die Debatte inhaltlich voran.“)
Zu den beiden von Allison wiederholten Fragen (Beitrag No. 28 – danke nochmal für die Erinnerung!):
@1: Wir erlauben einzig die begleitende Aussage „Verständnisfrage“. Diese kann mitunter für einen produktiven Verlauf der Debatte hilfreich sein. „Dazu“ ist in unseren Augen eine unnötige Ansage, „Letzte Chance“ ist unserer Auffassung nach ein Versuch, über Bande mit der Jury zu kommunizieren. Daher betrachten wir das ohnehin als schlechten Stil und werden dafür keine Ausnahme im Zwischenrufverbot machen.
@2: Wir ermuntern alle Teams zur Interaktion, indem sie Zwischenfragen annehmen, aber wir führen keine solche Pflicht ein. Wenn eine Partei keine Interaktion ermöglicht (wenn etwa die SO der ER keine Zwischenfrage gewährt), dann geht das in die Juryentscheidung ein, weil die mangelnde Interaktion im Zweifelsfall (etwa bei einem inhaltlichen Patt) gegen diese Partei ausgelegt werden wird. Zwischenfragen anzunehmen liegt also im strategischen Interesse der Parteien. Eine darüber hinausgehende Pflicht zu definieren, ergibt aus unserer Sicht deshalb keinen Sinn, weil die Interaktion natürlich auch von der Zwischenfragen anbietenden Partei beeinflusst wird. Die Jury soll in dieser Situation im Kontext der Debatte entscheiden, wem die Schlechtleistung mangelnder Interaktion anzulasten ist.
Zu den Einzelpunkten: Ja, auch ich halte eine Verbreiterung der Punktevergabe für sinnvoll. Die neue, alte Skala auszulegen, bringt die ganze Sache aber wie schon häufig gesagt wurde, nicht wirklich weiter und würde eher für Verwirrung sorgen, gerade bei unerfahrenen Juroren. Denn auch wenn die Skala ausliegt: Sie ist auch hochgradig interpretationsbedürftig. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass sich wahrscheinlich kaum eine Rede in eine dieser Beschreibungen pressen lässt (das ist SQ, wird aber durch die neue, alte Skala nicht gelöst), da Struktur, Relevanz der Argumente, Erklärungstiefe der Argumente, Aufmerksamkeit wohl selten alle gleichzeitig auf einem Niveau sind. Und für Begriffe wie „selten“, „nahezu vollständig“… muss eben erst ein Konsens gefunden werden, was das denn nun konkret heißt. (diesen Konsens gab es immerhin bisher) So ist es wie Peter es schon sagte, dass ihr wahrscheinlich eher mehr als weniger Chaos in der Einzelbepunktung produziert und wenn ihr schon auf Christians Artikel verweist, wäre es dann konsequenter, wirklich etwas Neues (wie eben z.B. die Buchholzwertung) zu machen.
Zu den Zwischenrufen: Selbst wenn die Qualität der Debatte euer Kriterium ist: Bisher habt ihr nur behauptet(!), die Qualität würde durch ZR nicht gesteigert. Von einem Absenken der Qualität (was ja als Begriff auch noch definitionsbedürftig wäre) war eigentlich nicht die Rede. Und um die Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung merklich senken können, müssten ZR schon sehr häufig schlecht eingesetzt werden (denn das Ignorieren eines blöden Zwischenrufs, der die Debatte inhaltlich nicht weiterbringt, wurde wohl noch keinem Redner in BPS negativ angelastet). Diesem zu intensiven ZR-Einsatz, der die Debatte dann wirklich inhaltich zurückwirft, könnte man dann aber auch mit den hier angebotenen milderen Mitteln Einhalt gebieten.
Zu den RednerInnen-Punkten habe ich mich noch gar nicht geäußert, das will ich nun nachholen. Vllt. bringt meine Zusammenfassung ein wenig Ordnung in den Clash.
Zentrale Frage ist ja: was machen wir mit den RederInnenpunkten in BPS? So lassen, wie es ist oder die Skala wieder auf die Spanne 50-100 Punkte aufziehen? Ich möchte eine Bemerkung zum Thema RederInnenpunkte voranstellen: Seit das deutschsprachige DEbattieren begann, haben wir eine enorme Kontraktion der Punktespanne erlebt. Würde man sich die Tabs seit 2000 anschauen, würde man – das behaupte ich – folgenden Tendenz finden: Die Extremwerte in den hohen Punkten gehen zurück, die Extrema am unteren Ende bleiben weitgehend gleich. Durchschnitt und Median liegen jedes Jahr höher. Heißt: die RederInnen-Felder rücken immer näher zusammen. Die Konsequenz lässt ich an den veränderten Regeln in OPD beobachten: die Abzüge sind kleiner geworden und – wichtigstes Argument meines Beitrags: wir haben das Nachkomma-Runden für die RederInnen-Punkte in OPD eingeführt.
In OPD mag die Spanne zwischen 30 und 50 annähernd linear verlaufen, aber danach wird es exponentiell. Mehr (oder weniger) Punkte zu bekommen, folgt einer nicht-linearen Logik, bei der bessere Leistung weniger Punkte bringt. Dito gilt das für BPS, hier liegt die Spannen eben nur zwischen 70 Punkten unten und 80 Punkten am oberen Rand.
Nun zur Streitfrage: weitermachen, wie bisher oder dem Vorschlag folgen? Was die Lösung kurieren soll, ist die Differenzierung zwischen den Teams beim Break. Daran ändert allerdings der Vorschlag wenig. 0,3 können, genauso wie 3 Punkte Abstand, eine Differenz ausdrücken. Bei 3 Punkten ist der Unterschied deutlich, meint man. Zieht man aber gleichzeitig die Skala auf, wird die Unterscheidungskraft schon wieder geringer, alle liegen ja mehr auseinander (StatistikerInnen vor, das ist (m)eine Laienhafte Beschreibung).
Ohne jetzt den Debattenfortschritt (Danke, Toni!) zu ignorieren: lieber mit dem alten, nicht so deutlichen Werkzeug im Konsens weiterwursteln, als mit der neuen Skala bei einer ZD Unsicherheit, Ausreißer und Maulerei über Schiebung zu produzieren. Für die Refominitiative bin ich sehr dankbar, ihrer erstmaligen Anwendung auf der ZD stehe ich – ganz preußischer Bürokrat aus Gründen der Sicherstellung der Gleichförmigkeit des Verfahrens – gespalten gegenüber.