Debattieren im digitalen Raum: Julian Vaterrodt über die HangoutDebates
2011 in Münster: Auf einem meiner ersten Turniere, dem Münsteraner Nikolausturnier, unterhielt ich mich das erste mal mit Willy Witthaut über SkypeDebates. Ich war begeistert von der Idee, einen weiteren Tag meiner Woche mit Debattieren verbringen zu können. Kurz nach diesem Gespräch trat ich der Facebook-Gruppe bei, über welche die Organisation damals lief. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die SkypeDebates allerdings bereits auf dem absteigendem Ast. Ich wurde somit der Chance beraubt, selbst an einer solchen Debatte teilzunehmen.
2014 in Zagreb: Da einige meiner Freunde aus der Debattierszene auf der internationalen Ebene beschlossen, in ihre Heimatländer zurückzukehren, wurden die Europameisterschaften in Zagreb zu einem Abschiedsturnier. Unter ihnen ist Nicolas Hernandez, der in den vergangenen zwei Jahren für den Debattierclub der Universität Münster e.V. debattierte. Wir nahmen uns vor, per Skype den Kontakt zu halten. Doch nach wie vor stimmte uns die Vorstellung, nicht mehr gemeinsam Debattieren zu können, wehmütig. Aber war Skype nicht auch für mehr genutzt worden? Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Willy zu Beginn meiner Debattierzeit. SkypeDebates 2.0 oder, wie sie inzwischen heißen, die HangoutDebates wurden geboren. Nachdem wir uns entschieden hatten, dieses Projekt wieder zu beleben, gewannen wir als weitere Unterstützerin Jule Biefeld von der BiTS Debating Society.
Was sind die HangoutDebates?
Die HangoutDebates folgen dem internationalen Standard des British Parliamentary Style (BPS). Ein paar kleine Änderungen optimieren das Regelwerk für die Durchführung über das Internet. Die Basis bleibt: Siebenminütige Reden, vier Teams, Juroren – all das, was ihr bereits kennt. Änderungen gibt es bei der Vorbereitungszeit. Wir haben festgelegt, dass den Teilnehmer 20 Minuten zur Verfügung stehen. Das bezieht fünf Minuten zum Beseitigen technischer Probleme ein, etwa wenn sich jemand erneut in die Gruppe einwählen muss. Wer einen Point of Information einbringen möchte, benutzt dazu die Chatfunktion. Schließlich würde es seltsam anmuten, wenn man zum Beispiel in einem Internetcafé aufstehen müsste.
Die HangoutDebates nutzen die von GoogleHangouts zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten. So können Debatten live auf Youtube gestreamt werden und bis zu 16 Teilnehmer in eine Debatte eingebunden werden.
Schöne Geschichte, aber was soll der Unsinn?
Die HangoutDebates verschreiben sich der Vernetzung der Debattierer. Sie stellen langfristig sicher, dass Debattierer auf der ganzen Welt gegeneinander antreten können, ohne um den halben Globus fliegen zu müssen, um an einem Turnier teilzunehmen.
Wir haben mit den HangoutDebates mehrere Ziele.
Zum einen möchten wir Debattierern eine internationale Plattform bieten, auf der sie Teams bilden können, die sonst räumlich getrennt wären. Wenn man noch nie zusammen angetreten ist, ist es so zum Beispiel möglich, Debattierer aus der ganzen Welt kennenzulernen und Strategien auszuprobieren. Unsere erste HangoutDebate hatte Teilnehmer aus Dänemark, England, den USA, Deutschland und der Schweiz und wir hoffen, dass wir die Zahl der Länder in Zukunft noch ausbauen können.
Zum anderen möchten wir dem Debattieren neue Wege ebnen. So ist es denkbar, dass Clubs mit zu wenigen Mitgliedern für regelmäßige Debatten die Möglichkeit erhalten, an Debatten teil zu nehmen und zu trainieren. Dasselbe gilt für Einzelkämpfer in Regionen, in denen es keinen Club gibt. Die freiwilligen Aufzeichnungen können nachträglich analysiert und für clubinterne Zwecke verwendet werden.
Das ermöglicht auch eine intensivere Förderung des Nachwuchses. Denn der kann mit Menschen trainieren, an die man sonst nur im Rahmen einer Europa- oder Weltmeisterschaft herankäme. Dieser Vorteil gilt auch für Menschen, die selber nicht an Turnieren teilnehmen möchten. Da bei den HangoutDebates Dinge wie das Auftreten sowieso keine Rolle spielen, ist es auch möglich, anonym zu debattieren.
Wo Licht ist, gibt es auch Schatten. So muss man leider einräumen, dass ohne Internetzugang keine Teilnahme möglich ist. Die Abhängigkeit von einer zuverlässigen Internetverbindung wurde uns schmerzlich bewusst, als John Harper als Juror inmitten einer Rede einen Verbindungsabbruch hatte. Auch die unterschiedlichen Betriebssysteme, auf denen Hangout laufen kann, sind ein Unsicherheitsfaktor. Wir versuchen, Leute zu ermutigen, nicht ein Internetcafé zu nutzen, um sich den HangoutDebates anzuschließen. Im Moment arbeiten wir an Richtlinien, um solche Risiken zu minimieren.
Ein weiteres Problem ist die Zeitverschiebung. Um die USA nicht völlig außen vor zu lassen, mussten wir die Debatten auf 20 Uhr deutsche Zeit legen.
Was ist der Langzeitplan?
Kurzfristig möchten wir die HangoutDebates zunächst ausgiebig testen und die Probleme beheben, die wir im Laufe der Zeit feststellen. Derzeit finden die Debatten einmal monatlich statt. Deshalb kann die Testphase noch eine Weile dauern. Langfristig sind zwei Szenarien möglich:
- Szenario 1: Die Szene wächst, die Facebook-Gruppe und die Anzahl parallel stattfindender Debatten ebenfalls. Bei diesem Szenario bietet es sich an, eine Liga-Tabelle ähnlich der Freien Debattierliga (FDL) einzuführen. Auch ganze Online-Turniere sind denkbar.
- Szenario 2: Die Bewegung fällt erneut in einen Dornröschenschlaf und erwacht diesmal vielleicht nie wieder.
Damit letzteres nicht passiert und das grandiose Mittel, das uns Debattierern bereits früher mit den SkypeDebates zur Verfügung stand, weiterhin existieren kann, möchte ich euch herzlich einladen, Teil dieser Community zu werden. Ihr müsst nur in der Facebook-Gruppe eine Mitgliedsanfrage stellen.
Wir suchen stets Juroren und Redner, die Spaß an dieser neuen Herausforderung haben. Ob ihr als Team oder solo dazu kommt, spielt keine Rolle. Wenn ihr euch solo einwählt, werdet ihr einem Teampartner zugelost.
Wir haben die Chance, eine internationale Gemeinschaft aufzubauen, die trotz der räumlichen Entfernung interagieren kann. Wir können jungen Hüpfern und alten Hasen eine gute neue Trainingsmethode zur Verfügung stellen. Deshalb hoffe ich, dass die HangoutDebates noch lange bestehen werden, und freue mich bereits auf zukünftige Auseinandersetzungen mit Menschen aus der ganzen Welt.
Julian Vaterrodt/ama/hug
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 9.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Julian Vaterrodt ist Präsident der BiTS Debating Society, die er mit aufgebaut hat. 2013 richtete er gemeinsam mit seinem Club die Westdeutsche Meisterschaft aus. Julian debattiert seit 2011. Bei der vergangenen Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014 in Berlin erreichte er das Halbfinale. In Iserlohn macht er derzeit seinen Master im Bereich Finance und Unternehmensführung.