Von Dialogorientierung und streikenden Druckern: Neun Nachwuchstrainer über ihren ersten Praxiseinsatz
20 junge Debattierer werden seit einigen Monaten im „Train the Trainer“-Projekt des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) ausgebildet. Am Ende der Ausbildung sollen sie eigenständig Trainings konzipieren und umsetzen können. Das Projekt startete mit einer E-Learning-Phase und wurde mit zwei Praxis-Wochenenden in Frankfurt und Wiesbaden fortgesetzt. Zwischen den beiden Wochenenden versuchten sich die Seminarteilnehmer zum ersten Mal selbst als Trainer, entweder in ihren eigenen oder in fremden Clubs. Im Gespräch mit der Achten Minute erzählten sie von ihren Seminarerlebnissen – von fehlenden Stiften, weglaufender Zeit und unerwarteten Festen.
Ruwen Fritsche
– Göttingen –
Es war eine ungewohnte Situation, als ich bei uns im Club mein Training abgehalten habe. Zumindest seit ich im Debattieren aktiv bin, halten wir bei den Clubsitzungen keine Theorie-Einheiten ab, sondern stets Debatten. Teilgenommen haben schätzungsweise zehn bis 15 Leute, es war eine gemischte Gruppe, die etwa zur Hälfte aus Anfängern bestand. An sie hat sich mein Training gerichtet. Es ging um Themenanalyse, dabei haben wir Theorie-Einheiten und praktische Übungen abgewechselt.
Im Prinzip hat auch alles ganz gut geklappt, aber es gibt schon Übungen, die man sich vorher leichter vorstellt, als sie dann in der Praxis sind. Knifflig war vor allem eine Abstraktionsübung, bei der die Feedbackbögen der Teilnehmer hinterher gezeigt haben, dass die Aufgabe schwer zu verstehen war. Die Feedbackbögen sind deshalb sehr hilfreich, die Rückmeldungen waren insgesamt aber sehr positiv.
Kathrin Heiss
– Wien –
Mein Seminar hat in Wien an der juristischen Fakultät stattgefunden, weil der AFA-DC Wien sehr stark am Wiener Juridicum verwurzelt ist. Das Seminar richtete sich allgemein an Interessierte, die zum ersten Mal Debattieren ausprobieren wollten. Aber es lag nah, dass viele Juristen kommen würden, und so habe ich mein Seminar dann auch mit zehn Juristen abgehalten.
Mein Thema war Argumentation nach dem SEXI-Modell, davor haben wir eine aktivierende Übung gemacht und danach eine Debatte abgehalten. Meine Teamkollegen vom AFA-DC haben mich netterweise durch Reden und Jurieren unterstützt. Ein paar Kleinigkeiten sind nicht so gelaufen, wie ich das geplant hatte: Mein Drucker funktionierte nicht, und ich hatte vor Ort auch keine Stifte für die Tafel. Darauf werde ich beim nächsten Mal achten. Als Trainerin will ich versuchen, mein Wissen durch Train the Trainer in ganz Österreich weiterzugeben, und so meinen Beitrag dazu leisten, das Debattieren in Österreich voranzubringen.
Andreas Dreher und Sven Schuppener
– Frankfurt –
Unser Workshop war ein schönes Erlebnis. Wir haben in Frankfurt vor der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) ein Seminar zum British Parliamentary Style abgehalten, weil es das Format der Meisterschaft war. Dabei haben wir uns gefragt: Was können wir Neulingen, die immerhin schon ein bisschen Erfahrung mitbringen, mit auf den Weg geben? Wir waren total dialogorientiert, wie es uns die Master-Trainer hier beigebracht haben.
Vorher waren wir uns nicht ganz sicher, wie eine Theoriesitzung ankommt, aber sie wurde positiv aufgenommen. Von unserem Seminar haben wir ein Ergebnisprotokoll zur Wissenssicherung erstellt, das sehr gut ankam. Das werden wir beim nächsten Mal wieder machen, es lohnt sich auf jeden Fall.
Philipp Schmidtke
– Münster –
Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, mein Seminar in meinem Heimatclub abzuhalten. Damit stand ich vor Leuten, die ich überhaupt nicht kannte. Wahrscheinlich hätte ich ihnen vorher deutlicher vermitteln sollen, was auf sie zukommt: Die Teilnehmer dachten, ich würde einen Frontalvortrag halten, und wussten nicht, dass sie sich selbst einbringen sollen. Deshalb war es schwierig, sie zum Mitmachen zu animieren. Es war eine sehr spannende Erfahrung, mich aus der „Comfortzone“ meines eigenen Clubs herauszubewegen, wie wir das bei Train the Trainer nennen.
Ich glaube ja, dass wir alle hier uns für Train the Trainer angemeldet haben, weil wir das Gefühl hatten: Das wird klappen. Die meisten haben im eigenen Club schon oft Anfänger betreut und angeleitet. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man das in seinem Heimatclub macht oder woanders. Deshalb kamen einige verunsichert von ihren Trainings zurück, darunter auch ich. Wir hielten uns schon für ziemlich gut, als wir hier ins Seminar kamen, und sind ganz schön dekonstruiert worden, wenn uns etwas schwerer fiel, als wir dachten. Schwierig ist zum Beispiel, ein ehrliches positives Feedback zu geben. Und etwas, das als Trainer sehr wichtig ist, obwohl es uns Debattierern ja besonders schwer fällt: Du darfst selbst nicht zu viel reden.
Pegah Maham
– Bremen –
Ich habe meinen Workshop in Hamburg abgehalten, kurz vor der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM). Wir haben geübt, wie man in der Vorbereitungszeit Argumente nach dem 5D-Modell findet, also mit fünf Dimensionen: politisch, ökonomisch, ökologisch, sozial und kulturell. Mit dem Thema „Sollte die EU innerhalb der nächsten zehn Jahre ein Bundesstaat werden?“ haben wir das theoretische Wissen in der Praxis erprobt.
Die Teilnehmer haben mir zurückgemeldet, dass sie viele Argumente gefunden haben, auf die sie sonst nicht gekommen wären, weil sie normalerweise anders an die Vorbereitungszeit herangehen. Anschließend sollten die Teilnehmer jeweils in Zweier-Grüppchen ihre Lieblingsargumente heraussuchen und besprechen, wie man sie angreifen kann – entweder die Prämisse, den Mechanismus oder seine Relevanz. Danach sollten sie sie verteidigen. Es war das erste Seminar, das ich überhaupt je gegeben habe. Die Hamburger haben es mir leicht gemacht, sie waren superfreundlich, deshalb war es eine schöne Erfahrung.
Melanie Röpke und Teresa Widlok
– Münster –
Wir haben unsere Seminare bei uns in Münster umgesetzt. Die beiden Seminare bauten aufeinander auf, dabei ging es um Argumentation. Wir haben in zwei aufeinander folgenden Wochen unsere Seminare parallel zur Clubdebatte abgehalten, es waren jeweils etwa zehn bis 15 Leute mit unterschiedlich viel Erfahrung da. Als Trainerinnen sind uns ein paar Kleinigkeiten passiert, an die wir vorher nicht gedacht hatten. Melanie hat bei den Übungen nicht selbst darauf geschaut, wieviel Zeit vergangen ist, weil die Teilnehmer alle Stoppuhren dabei hatten. Die Teilnehmer haben allerdings auch nicht darauf geachtet. Teresa hat gemerkt, dass ihr Zeitmanagement nicht ganz hinkommt, weil man sich leicht verschätzt, wie lange einzelne Blöcke dauern werden. Als Erkenntnis aus dem Seminar haben wir mitgenommen, dass es zwar schön ist, wenn man etwas zusammen erarbeitet, aber die Teilnehmer auch nichts dagegen haben, wenn man sie zwischendurch mal frontal „berieselt“. Die Gruppe war engagiert und motiviert, wir waren mit den Seminaren insgesamt sehr zufrieden.
Lennart Lokstein
– Tübingen –
Mein Seminar habe ich unmittelbar vor dem zweiten Praxis-Wochenende von Train the Trainer in meinem Heimatclub abgehalten. Es war ein Jurierworkshop zur Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD). Der Termin war leider schlecht gewählt: Mein Seminar kollidierte mit dem traditionellen Stocherkahnrennen, das einmal jährlich in Tübingen auf dem Neckar stattfindet. Deshalb kamen sage und schreibe zwei Teilnehmer zu meinem Seminar.
Immerhin war das kein Schaden, weil ich mich den Teilnehmern intensiv widmen konnte. Gerade bei der OPD-Jurierung ist das ja sehr hilfreich, weil sie anfangs schwer zu durchschauen ist. Meine Haupterkenntnis aus dem Seminar war diese: Gehe vorher immer sicher, dass an deinem geplanten Termin kein großes Fernsehereignis oder ein beliebtes Fest stattfindet.
kem/ama
Anm. d. Red.: Im April veröffentlichte die Achte Minute eine Reportage zum Praxis-Wochenende in Frankfurt. Ein Artikel zum Praxis-Wochenende in Wiesbaden ist derzeit in Planung.
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