„Übermäßigen Stolz halte ich für schädlich“: Cheforganisatorin Anna Mattes im Gespräch über die DDM 2014
Anfang Juni wurde die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft (DDM) in Berlin abgehalten. Es war die insgesamt 14. Meisterschaft und mit rund 250 Teilnehmern die größte aller Zeiten. Cheforganisatoren des Turniers waren Anna Mattes und Kai Dittmann, gestemmt wurde das Turnier mit der Berlin Debating Union e.V. (BDU) und der Streitkultur Berlin e.V. (SKB) erstmals von zwei Clubs gemeinsam. Mit der Achten Minute sprach Anna Mattes über den Heimvorteil, die Entwicklung der DDM und darüber, was einen guten Cheforganisatoren ausmacht.
Achte Minute: Anna, während deines Studiums in Tübingen warst du Cheforganisatorin der ZEIT DEBATTE 2010 und zweier Streitkultur-Cups. Warum wolltest du dir unbedingt noch die DDM aufhalsen?
Anna Mattes: Ich bin im März vergangenen Jahres nach Berlin gezogen und war damit neu in der Stadt. In Tübingen habe ich gemerkt, dass Turnierorganisation dabei hilft, eine Stadt besser kennenzulernen, zum Beispiel, indem man Veranstaltungsorte sucht. Berlin eignete sich außerdem sehr für die Ausrichtung der DDM. Die Stadt an sich ist ein guter Ort, und dann gab es hier auch noch ein gutes Team. Da wollte ich die Chance nutzen, die sich mir bot.
AM: Über das Organisationsteam wurde vorab in der Debattierszene gelegentlich gewitzelt. Es hieß, dass ehemalige Tübinger in der SKB die DDM ausrichten und die Debattierer der BDU versuchen, dabei nicht im Weg zu stehen.
Anna: Das war definitiv nicht so. Wenn das gesagt wurde, handelt es sich um eine falsche Wahrnehmung beziehungsweise eine falsche Darstellung. Die SKB ist ein kleiner Club, der sich an Berufstätige richtet. Deshalb war mir von Anfang an klar, dass wir natürlich Mitglieder haben, die sich stark in die Organisation einbringen würden. Das betrifft vor allem Philipp Stiel und Christoph Krakowiak, die auch schon im Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) Verantwortung für die Debattierszene übernommen haben. Die BDU hingegen hat den Vorteil, dass sie aus zahlreichen Mitgliedern besteht, von denen sehr viele als Helfer das ganze Wochenende bei der DDM präsent waren und auch im Vorfeld tragende Aufgaben übernommen haben, wie beispielsweise Moritz Altner oder Lena Schneider. Unser Team bestand dadurch aus Leuten zwischen Anfang 20 und Anfang 30, die aus zwei verschiedenen Clubs kommen und überhaupt sehr unterschiedlich sind. Ich fand es beeindruckend, wie gut das Team trotz dieser Unterschiede zusammengearbeitet hat.
AM: Ihr wurdet für das Turnier im Nachhinein hoch gelobt. Gab es trotzdem etwas, das du rückblickend ändern wollen würdest?
Anna: Die DDM war mit 250 Teilnehmern die größte, die wir je hatten. Ich glaube, sie war damit am oberen Ende dessen, was man noch mit „normalen“ Strategien der Turnierorganisation bewältigen konnte. Für Turniere größeren Ausmaßes braucht man andere Strukturen. Unser Helferplan beispielsweise war etwas, für das man ein neues System hätte etablieren können, aber es ging auch noch traditionell „von Hand“. Insgesamt denke ich, dass wir zufrieden mit dem Verlauf des Turniers sein können – obwohl wir leider den Hunger der Teilnehmer am Freitagabend unterschätzt haben.
AM: Für die kommende Saison werden wieder Ausrichter für ZEIT DEBATTEN und Turniere der Freien Debattierliga gesucht. Was zeichnet deiner Meinung nach einen sehr guten Cheforganisatoren aus?
Anna: Das Wichtigste ist, dass er seine Anspannung in Stresssituationen auf keinen Fall an den Mitgliedern des Teams auslässt. Das ist in meinen Augen die Hauptvoraussetzung. Auch übermäßigen Stolz halte ich für schädlich. Man muss Kritik annehmen können und akzeptieren, wenn es Dinge gibt, die andere Leute einfach besser können. Kurz: Man darf nicht resistent gegen gute Ratschläge sein (lacht). Auch den Zeitaufwand sollte man nicht unterschätzen. Ich habe mir die letzten eineinhalb Wochen vor der DDM Urlaub genommen, sonst wäre die Arbeit nicht zu schaffen gewesen.
AM: Ihr hattet im Vorfeld des Turniers bereits angekündigt, möglichst viele bewährte Programmpunkte früherer Meisterschaften zu übernehmen. Gleichzeitig gab es bei eurem Turnier viele Neuerungen. Was soll von der DDM 2014 in der Zukunft erhalten bleiben?
Anna: Die Arbeit unserer Chefjuroren war sehr gut. Ich hoffe, dass dieser sportliche Aspekt wahrgenommen und wertgeschätzt wird und dass sich die Weitergabe des Jurorenfeedbacks auf Turnieren etabliert. Auch der Jurorentest sollte fester Bestandteil künftiger Meisterschaften sein.
Was die Organisation anbetrifft, hoffe ich, dass sich die Ausrichter künftiger Meisterschaften und Turniere das gleiche Ziel setzen wie wir. Ich würde mir wünschen, dass sie sich vorher überlegen: Auf was für eine DDM würde ich persönlich gerne fahren wollen? Dafür braucht es gar nicht viel Geld, sondern vor allem gute Ideen. Man darf nicht den Anspruch an sich verlieren, dass das Turnier den Leuten wirklich Spaß macht, und dann ein liebloses Standardprogramm abspulen.
AM: Bei der DDM gab es erstmals die Kategorie „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF), allerdings reisten weniger Nicht-Muttersprachler an als erhofft. Lohnt es sich, weiter darauf hinzuwirken, dass sich eine DaF-Kategorie bei der DDM etabliert?
Anna: Der VDCH wird immer größer und nimmt neue Mitglieder außerhalb des deutschsprachigen Raums auf, das haben wir zuletzt bei Lund gesehen und davor beispielsweise in Nancy. Die internationale Zusammensetzung des VDCH muss auch die DDM widerspiegeln. Wir hatten allerdings trotz der finanziellen Unterstützung, die wir bei der Anreise dank Youth in Action anbieten konnten, Probleme, Nicht-Muttersprachler anzulocken. Für reguläre ZEIT DEBATTEN und Regios halte ich die Fortführung der DaF-Kategorie deshalb für zu ambitioniert, aber bei der DDM sollte man weiter versuchen, sie zu etablieren.
AM: Erst letztes Jahr wurde bei der VDCH-Mitgliederversammlung der Antrag durchgesetzt, dass auch der DDM-Ausrichter bei seinem eigenen Turnier antreten darf. Einzelne Clubvertreter kritisierten, dass der Vorteil des eigenen Bettes zu groß sei. Jetzt hat Berlin die DDM gewonnen. Gibt es also doch den Heimvorteil?
Anna: Da wir diese Kritik ernst nehmen wollten, haben wir es allen Teilnehmern der DDM freigestellt, ob sie im Hotel oder privat übernachten möchten, obwohl dies einen erheblich größeren organisatorischen Aufwand bedeutete. Von den Berliner Teams waren die späteren Sieger tatsächlich die einzigen, die von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, zu Hause zu schlafen. Trotzdem halte ich es für ein Gerücht, dass das automatisch einen Vorteil bedeutet, schon gar nicht, was die Schlafdauer und den Anfahrtsweg in einer Stadt wie Berlin betrifft. Viele Teams bevorzugen ja aus guten Gründen ein gemeinsames Zimmer, um sich absprechen zu können und den Teamgeist zu stärken. Deshalb glaube ich, dass der Weg zum Sieg nicht zwangsläufig über das eigene Bett führt.
AM: Die DDM ist jetzt vorbei, als Vorstandsmitglied der SKB bist du im Juni nicht erneut zur Wahl angetreten. Wirst du dich weiterhin für die Debattierszene engagieren und nochmal ein Turnier ausrichten?
Anna: Ich freue mich darauf, ein entspanntes Dasein zu führen wie andere Alumni, etwa unser „Head of Pretty Pictures“ Henrik Maedler (lacht). Deshalb werde ich auch in der kommenden Saison wieder bei vielen Turnieren dabei sein. Aber ob und in welcher Form ich selbst nochmal gestalterisch in Erscheinung trete, steht noch nicht fest.
AM: Liebe Anna, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sarah Kempf.
kem/hug
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Anna Mattes war Cheforganisatorin der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014, der ZEIT DEBATTE Tübingen 2010 und der Streitkultur-Cups 2009 und 2010. Sie ist Siegerin der ZEIT DEBATTE Mainz und des Neckarwiesen-Cups 2014. Als Chefjurorin fungierte sie beim Frauenturnier 2014, dem Gutenberg-Cup 2010 und dem Streitkultur-Cup 2011. In der Amtszeit 2012/13 war sie Vizepräsidentin des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH). Derzeit ist sie als Assistentin der Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES tätig.
Ich glaube nicht, dass sich die DaF-Kategorie bei OPD-Meisterschaften aufrecht erhalten lässt. Da Sprache einen im System verankerten diskriminierenden Faktor darstellt, wird es noch schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, DaF-Teams von einer Teilnahme zu überzeugen. Auch andere Gegebenheiten wie Teamgröße und Teamregel für Juroren befördern die Teilnahmemöglichkeit für DaF-Teams nicht. Wir müssen uns als Verband hier eine Sinnfrage stellen: sind wir wirklich so deutsch-international wie wir es überall verbreiten? Und wollen wir dies in der Zukunft weiter sein/ausbauen? In diesem Fall ist denke ich der einzige Weg von vornherein diskriminierende Faktoren für Nichtmuttersprachler zu eliminieren und die künftigen Meisterschaften ausschließlich im BPS-Format abzuhalten.
Nun ja, dadurch dass die DaF-Kategorie ja ein eigener Wettbewerb innerhalb der DDM ist und damit alle Fremdsprachler in gleichem Maße von diesem „diskriminierenden“ Faktor betroffen wären, wäre das für mich kein wirklicher Punkt. Das mit der Redner- und der Jurorenzahl ist natürlich was anderes und natürlich müsste man den Leuten auch erst mal ausführlich die Regeln erklären und ihnen idealerweise auch die Möglichkeit geben, sie schon eine gewisse Zeit vor der DDM zu verinnerlichen. Das sind natürlich praktische Probleme, die sich bei BPS nicht stellen. Vielleicht fände aber so mancher auch die Erfahrung eines anderen Debattiersystems gerade spannend, wer weiß.
Aber mal ganz grundsätzlich: Ob man jetzt ein glühender OPD- oder BPS-Anhänger ist, OPD gehört zur deutschen Debattierszene dazu und ist, wie ich finde, ein tolles Format. Mir geht es nicht darum, welches Format das bessere ist. Ich mag beide sehr gerne und bin sehr froh, dass es beide gibt! Würde man die DDM nur noch in BPS austragen, würde das für mich einerseits den Abschied von OPD als gleichwertigem Format bedeuten. Da mag man mir jetzt gerne Provinzilalität oder sonst etwas vorwerfen, aber ich finde, dass VDCH-Land durchaus stolz auf OPD sein darf, weil es eben auch Facetten bietet, die BPS nicht hat. Dies einfach aufzugeben, allein damit mehr Leute auf deutsch debattieren, ohne eine wesentliche Facette des deutschsprachigen Debattierens jemals kennen lernen zu können, fände ich persönlich sehr beklagenswert.
Ich bin ja schon ein bisschen enttäuscht, dass die erste Gegenmeinung nicht aus Tübingen kommt. Die Streitkultur sollte sich einen Alert-Dienst für Forderungen zur Abschaffung von OPD einrichten.
Ach, das ist doch alles ein alter Hut. Die Formatkriege sind vorbei. Wer sie wieder anfangen möchte, schießt sich nur ins eigene Knie 😉
Neben der Argumentation des rheinischen Christians möchte ich noch anfügen, dass DaF’lern ein OPD-Turnier auf Deutsch durch das anders geartete Feedback mehr nutzen könnte als ein BPS-Turnier. Ein guter Hauptjuror kann bei der Jurierung in der Kategorie „Sprachkraft“ den Rednern hilfreiche Hinweise bei der Verwendung der deutschen Sprache geben. Nichtmuttersprachler sind ja im Lernen der Sprache ja nie fertig und wollen ihre Kenntnisse auch weiter verfeinern (wie auch Muttersprachler). Bei einer BPS-Jurierung findet die Verwendung von Sprache ja nur ein wenig beim Individual-Feedback statt.
Man muss das halt alles nur in der Vorankündigung gut verkaufen und den Teilnehmern eine ordentliche Vorbereitung auf das Format inkl. Workshop vor der DDM anbieten.
Allgemein zum Thema DaF: Ich halte das für eine grandiose Sache, da die deutsche Sprache als Mittel des Diskurses und der Völkerverständigung aufgewertet wird. Genug Organisationen zur Förderung der deutschen Sprache gibt es ja bei denen man nach Fördermitteln fragen könnte.
Und ich wage einmal die Vision, dass sich der potentielle Teilnehmerkreis für ein DaF-Turnier nicht nur auf Europa beschränkt.
Grüße vom elbischen Christian.
Ganz unabhängig vom Formatstreit halte ich es für bedenklich, Strukturen des deutschsprachigen Debattierens für DaF-Teilnehmer so stark zu verändern (nur noch BPS-DDMs). Wenn man den Statistiken glauben schenken mag, ist die deutsche Sprache relativ wenig verbreitet. Neben ca. 100 Millionen Muttersprachlern gibt es nochmal je nach Quelle 60-90 Millionen Menschen, die in die DaF Kategorie fallen würden. Zum Vergleich bei Englisch sind es über 1500 Millionen. Deutsch ist zwar weltweit gesehen keine Nische, jedoch wird es strukturell nicht in dem Maße gefördert wie Chinesisch, Spanisch oder Englisch. Deswegen gibt es wohl zwei Gründe, warum Leute als DaF-Teilnehmer auf DDMs teilnehmen werden: Entweder sie wollen sich in der deutschen Sprache ausprobieren, dann ist es wie Christian L. schon richtig erklärt hat, vielleicht gar nicht so schlecht in OPD anzutreten oder sie kommen, weil sie mit der deutschen Debattierszene verbunden sind. Dann sind es sowieso die persönlichen Kontakte, die Menschen dazu bewegen auf die DDM zu fahren. Im persönlichen Gespräch kann man sicher auch Leute für OPD motivieren. Außerdem kommt noch hinzu, dass auf den wenigen internationalen Turnieren an denen ich teilgenommen habe, die Leute die deutschsprachige Szene auch ein wenig mit diesem „your weird format with 3 debaters and two teams“ identifizieren. Auf Weltmeisterschaften werden auch heimische Formate ausprobiert. Warum sollte man diese abwerten, indem man sie vom wichtigsten Turnier der Saison ausschließt. Ich glaube, dass die Debattierszene viel opfern würde und das gerade mal für einen geringen Mehrwert.
Das klang jetzt alles ein wenig Negativ! Zur Klärung: DaF ist toll 🙂 Ich habe unglaublichen Respekt vor den Menschen, die sich das getraut haben. Daher gerne weiter und mehr DaF! Nur um das klarzustellen…
Ob OPD oder BPS ist in der Tat ein alter Hut. Es setzen sich in aller Regel die gleichen Redner in beiden Formaten durch. Beide Formate haben ihre Vorteile.
Teresa spricht dennoch einen relevanten Punkt an. Ist ein Nicht-Muttersprachler eine Schwäche in einem OPD Team? Oder anders ausgedrückt, wie kann bei schlechterer Sprachbeherrschung in der Kategorie Sprachkraft mehr als 10 Punkte bekommen? Zumal sich dies auch häufig auf die Struktur der Rede überträgt.
Diese Frage ist unabhängig davon, wie sehr der DAF Redner seine Sprachfähigkeit über OPD verbessern kann oder die Bereicherung durch das Kennenlernen eines neuen Formats.
Sollte sich herausstellen, dass wegen der Sprachbarriere ein DAF Redner quasi nie über 45 Punkte bewegen kann, dann sind die wahrgenommenen Wettbewerbshürden recht hoch. Dies kann extrem abschrecken.
Wenn DAF in OPD verstärkt verankert werden soll, sollte man sich nach meiner Meinung im Vorfeld explizit Gedanken machen, wie das genau geschehen soll und ggf Sonderregelungen finden.
Ich denke eine lange, zermürbende Diskussion, die alle Seiten genau beleuchtet, ist nötig. Und welcher Ort eignet sich da besser als die baldige VDCH-MV?
Grüße
Michael
Da gibt’s weder viel rumzudoktorn noch Sonderregeln zu finden: wer eine schwächere Sprachkraft hat, bekommt auf einer absoluten Punkteskala, die OPD im Gegensatz zur relativen Skala des BPS hat, halt weniger Punkte. Fällt’s ins Gewicht, wenn jemand 6 statt 8 Punkte bekommt, oder 40 statt 42? Oder das gesamte Team von 3 Leuten z.B. 6 Punkte weniger als ein Muttersprachler-Team? Ja, es kann in’s Gewicht fallen, wenn auch nicht so viel. Und genau deswegen gibt’s die DaF-Kategorie mit DaF-Finale! Damit dies durch die besondere Anstrengung, nicht in seiner Muttersprache anzutreten, gewürdigt wird…
Und klar kann man auch als DaF-ler Deutschsrpachiger Meister werden. Man muss es halt in anderen Kategorien ausgleichen. Als Analogie: wenn jemand keine Gestik hat, weil er die Arme nicht bewegen kann, kann ich die Gestik auch nicht bewerten. Und ich vergebe auch keine Gnaden-Sonderpunkte. Die Person muss nunmal versuchen, in anderen Bereichen besser zu werden….
Hallo allerseits,
wenn der ehrliche Wunsch besteht, dass DAF in OPD verankert wird, sollte es eine breite Diskussion geben, in der die Sorgen von DAFlern ein würdiges Forum finden. Die daraus folgenden Konsequenzen kann ich gerade nicht bemessen, aber eine vollumfängliche Informiertheit in der alle Betroffenengruppen gehört werden, sollte keine zu verwegene Forderung sein. Ich halte das auch für den einzigen Weg Akzeptanz zu schaffen.
Zur Analogie mit Menschen, die körperlich nicht in der Lage sind ihre Arme zu bewegen und deswegen in den anderen Bereichen (außerhalb von Gestik) besser sein müssen als Nicht-Behinderte.
Ich finde wir sollten uns als Szene gut überlegen, ob wir diesen Weg gehen wollen. Die Wahrnehmung, dass wir ein unsensibler Haufen sind, der Menschen wegen körperlicher Einschränkungen benachteiligt, ist nicht von der Hand zu weisen.
OPD fragt ab, ob eine gute, das Publikum überzeugende Rede gehalten wurde. Dafür hat sich die OPD-Schablone (mit den 5 Kategorien) gut bewährt.
Ein Mensch mit körperlicher Behinderung wird vom Publikum nicht als weniger überzeugend wahrgenommen, weil sie oder er die Arme nicht bewegen kann. Der Redner muss als nicht besser sein in allen anderen Kategorien, um beim Publikum Eindruck zu schinden.
Dieser Sonderfall wurde von OPD bisher nicht separat behandelt. Vielleicht ist es an der Zeit auch darüber eine ehrliche Diskussion zu führen.
Grüße
Michael
Der fundamentale Unterschied, den Teresa W. aus Münster scheinbar nicht sieht, ist das Debattenverständnis der Formate. BPS ist ein reines Gedankenspiel mit dem Ziel, eine stringentere Argumentation als relevanter darzustellen als Gegenmodelle. Ich nenne es gerne das „philosophische“ Format.
OPD hingegen ist ein Format, das klare Aufgaben an die Fraktionen stellt – die Regierung muss zeigen, dass etwas A realisierbar und B moralisch richtig ist. Die Opposition kann beides angreifen, fällt eines von beidem, fällt die Regierung. Inhaltlich sehen wir also einen klareren Realitätsbezug als beim DS-Format. Doch damit nicht genug – OPD bewertet nicht Gedanken sondern Überzeugungsleistung. Es ist völlig egal, was ein Redner denkt oder sagt, auch wie er es präsentiert – solange am Ende das Publikum überzeugt wird. Je nachdem wie überzeugend seine Gesamtleistung ist, desto besser war der Redner in der Debatte. Als Abgrenzung könnte man es das „pragmatische“ Format nennen.
Ich studiere sowohl Philosophie als auch Rhetorik. Trotzdem halte ich das OPD-Format für dasjenige, welches einem im Alltag mehr Anwendungsmöglichkeiten bieten dürfte – im Alltag begegnet man zumeist keinen Philosophen oder auch nur Menschen, die geneigt sind, einem zuzuhören. Davon unabhängig haben beide selbstverständlich als Wettstreit ihren Reiz, weswegen ich auch beides rede, bei OPD allerdings mehr Nutzen sehe.
Und da kommen wir schon zu Teresas Fehlinterpretation: Wenn wir international OPD reden, dann ist das Problem für die Leute nicht, dass sie sich schlechter ausdrücken – sondern dass sie nie gelernt haben, sich in einer Art und Weise auszudrücken, mit der sie tatsächlich jemanden überzeugen könnten. BPS-optimiert redet man genau so schnell, wie der Juror noch mitschreiben kann. OPD-optimiert redet man so, dass auch Nichtjuroren und Nichtmitschreiber schon während der Rede genau wissen, warum der Redner diese Position vertritt. Und ja, Muttersprachler mögen dort mehr Möglichkeiten haben. Deshalb gibt es ja eine Fremdsprachler-Kategorie. Ebenso mag es sein, dass das Format aufgrund des anderen Verständnisses vom Debattieren für BPS-mögende Debattanten aus dem Ausland abschreckt – was einzig daran liegt, dass die Zielgruppe vorselektiert ist auf „Philosophen“. Gäbe es in diesen Ländern nur das OPD-Verständnis von „debattieren“, wären dort sicher ebenso Menschen von einem fremden „BPS“ abgeschreckt wie nun umgekehrt.
Hier müssen wir uns aber fragen, was wir wollen. Wollen wir international debattieren? Vermutlich. Aber „debattieren“ hat verschiedene Bedeutungen – und gerade wir als deutsche Szene sollten uns dessen bewusst sein und versuchen, das wesentlich pragmatischere Format auch anderen Ländern nahezubringen. Bestimmt ist OPD nicht jeder-BPS-mans Sache – aber einige werden das für sie neue Verständnis entdecken und schätzen lernen und in einiger Zukunft haben wir beide Formate dann vielleicht auch international parallel, weil diese einige, die OPD entdecken, zuhause andere Leute dafür begeistern können, die zuvor mit „debattieren“ im BPS-Sinne gar nichts anfangen konnten.
Im Übrigen schränken einen in BPS Sprache und Vokabular ebenfalls ein, sobald es international wird. Das liegt einfach daran, dass sich Gedanken weniger präzise und zeitlich weniger effizient darstellen lassen, wenn man erst über Wörter nachdenken muss. In OPD ist man dann eben häufig weniger überzeugend. In einem solchen Fall ist man in der abgefragten Leistung schlicht schlechter. Wir sind ein Wettkampfsport, keine Angleichungsfabrik! Menschen sind unterschiedlich gut in unterschiedlichen Dingen. Wenn diese Dinge gegeneinander abgeglichen werden, gewinnen oder verlieren sie. Sprache ist nicht gleich Überzeugungskraft, fließt aber in den meisten Fällen sicher ein. Wir haben eine DaF-Kategorie um die Leistung von Nicht-Muttersprachlern zu würdigen. Worin diese Leistung besteht ist davon völlig lösbar – aber sie ist nunmal Bestandteil eines Wettkampfsports, auch wenn einigen das nicht gefallen mag. Das Ziel von Wettkampfsport ist nicht, dass alle mitmachen, sondern, dass die Besten gewinnen.
Unter scheinheiligen Vorwänden eines dieser Debattierverständnisse zu unterwandern versuchen, halte ich für eine schwache Leistung von Vertretern eines Formats, das die tiefe inhaltliche Analyse und logische Stringenz zum Schwerpunkt setzt.
Ich mag durch meinen Ghettokinder -Alltag vielleicht mittlerweile zu viele Refleixionsstufen aussparen, aber: Kann es nicht sein, dass es eine Grund dafür gibt, dass Nicht-Muttersprachler auch die WM in der Regeln nicht gewinnen. Sogar im eigenltich so internationalen BPS-Format? Und treten deshalb die Nicht-Muttersprachler nicht mehr an? – Mein beschränkter Eindruck vermittelt mir eher das Bild, dass sie – so sie antreten – die Zweit- oder Fremdsprachenkategorie als sinnvoll oder sogar gleichwertig wahrnehmen. Dessi ud Kain sind für mich Weltmeister – und nicht Weltmeister die eigentlich gar nicht so richtig gelten weil es noch eine Muttersprachlerkategorie gab. Ohne jetzt übertrieben reduzieren zu wollen: Siegen tut am Ende der/die Muttersprachler*in oder jemand der/die die Muttersprache des Wettbewerbs verflucht gut spricht. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sonder damit, dass es sich beim Debattieren nunmal um einen sprachbasierten Sport handelt. OPD als DaF hat darüber hinaus eine längere Tradition zu verzeichnen, als deutsches BPS 🙂
Ich meinte Kain.. wobei Kain auch schön wäre 🙂
Kai meine Tastatur hängt 🙁
„OPD hingegen ist ein Format, das klare Aufgaben an die Fraktionen stellt – die Regierung muss zeigen, dass etwas A realisierbar und B moralisch richtig ist. Die Opposition kann beides angreifen, fällt eines von beidem, fällt die Regierung. Inhaltlich sehen wir also einen klareren Realitätsbezug als beim DS-Format. Doch damit nicht genug – OPD bewertet nicht Gedanken sondern Überzeugungsleistung.“
Genauso ist es doch bei BP. Im Gegenteil kommt man in BP mit nicht überzeugenden oder realisierbaren Argumenten eher weniger davon als in OPD, wo manchmal rhetorische Leistungen ohne viel Inhalt ausreichen, um gute Punkte zu erhalten. Auch wenn sich das in letzter Zeit nach meinem Eindruck gebessert hat.
Davon abgesehen wäre es nach all den Jahren und für die neuen Debattiergenerationen vielleicht wichtig, mal in einem geeigneten Forum, z.B. der VDCH-MV, über die Formate, ihre Erwartungen an uns, unsere Erwartungen an sie usw. zu sprechen. Vorstellbar wäre auch eine Abstimmung darüber, welche Formatregelung sich die Clubs für die DDM und eventuell andere Turniere wünschen. Dabei kann man sich an verschiedenen Faktoren orientieren, z.B. dem Verbandsinteresse an der jeweils nächsten EM, die 2015 ja in Wien stattfinden wird. Ein dafür gut trainiertes VDCH-Kontingent wäre ein Vorteil mit Langzeitwirkung.
Lieber Andi,
das ist bei BPS nicht so – „mit nicht überzeugenden oder realisierbaren Argumenten“ bezieht sich rein auf interne Faktoren des Arguments. Anders gesagt: BPS könnte man auch schriftlich debattieren – in OPD geht es nicht nur darum, ob die Argumente in sich schlüssig und relevant sind, sondern ob der/die RednerIn in der Lage ist, es dir so zu präsentieren. Wenn es hilft, denke dabei an Wahrheit und Wahr-Scheinlichkeit (bewusst so geschrieben). In BPS genügt an Präsentation „es war langsam genug, dass es auf dem Zettel der jurierenden Personen steht“, da dort ein Setting gegeben wird, in dem JurorInnen als JurorInnen – spezialisierte, erfahrene und höchst aufmerksame Personen bewerten. In OPD werden diese darauf ausgerichtet, sich in durchschnittliche Staatsbürger hineinzuversetzen und eben nicht darauf, jedes gesprochene Wort unter allen Umständen unbedingt wahrzunehmen und im Anschluss 15 Minuten über das Gesagte nachzudenken, wie es kein normales Publikum jemals tun würde.
Auf die vorgeschlagene MV freue ich mich sehr, bin jedoch überrascht, dass du als BPS-Redner vor hast, nach Verbandsinteresse – also guten, vorzeigbaren RednerInnen und Finales, überzeugend auftretenden Mitgliedern vor Sponsoren und einer hohen Attraktivität für potentielle neue Debattanten durch pragmatisch anwendbare, beim Debattieren vermittelte Fähigkeiten – vorzugehen: Kurz, dich so eindeutig für ein reines OPD-Debattierdeutschland aussprichst. Ich finde das dem BPS-Format gegenüber ungerecht.
Zwar mag dieses all diese rhetorischen Fähigkeiten, die jeden Menschen im Alltag massiv voranbringen, und die für Sponsoren und Außenstehende attraktiven Finales wenn dann als Zufallserzeugnis nebenher produzieren, aber auch in reiner Argumentstringenz kann man sich ja ab und an mal mit anderen messen. In diesem Sinne würde ich mich doch zumindest dafür aussprechen, gelegentlich ein FDL-Turnier auch mal in BPS zu gestalten, begrüße aber dein überraschendes Plädoyer für eine Hegemonie des OPD-Formats!
Ein Format ist immer nur so gut wie seine Juroren. Und das ist auch schon das ganze Problem. Ich wurde noch nie in der von Lennart vorgeschlagenen holistischen Arte und Weise auf einem OPD-Turnier juriert. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht wessen Lesart des Systems du hier zu Grunde legst, Lennart. Wenn alle Kriterien doch irgendwie ineinander überfließen, warum hat man sie dann? So muss ich deinen Post zur Überzegungskraft leider verstehen.
Aber nochmal zurück zur ursprünglichen Aussage: OPD diskriminiert Nicht-Muttersprachler. Wie auch Michael Saliba gesagt hat, lässt sich das einfach nicht leugnen. Und auch wenn wir gerne das System exportieren würden in alle Welt. Es tut mir Leid euch das sagen zu müssen, aber die englischsprachige Welt ist in ihren systemischen Vorstellungen des Debattensports relativ monostrukturiert. Ich sehe kein Szenario in dem dort in der Zukunft OPD auf englisch debattiert wird.
Zu Paulines Punkt, dass ja auch ESL-Leute auf Euros und Worlds fahren: Ja, das stimmt. Aber es ist halt einfach ein Unterschied ob ich mich auf den Weg zu einer Art „Young Leader Conference“ begebe und dort nicht nur debattiere, sondern vor allem Kontakte knüpfe, als wenn ich zu einem Turnier fahre, auf dem ich überwiegend Deutsche treffe – wie spannend.. Auf Euros/Worlds ist es außerdem so, dass tatsächlich die Hälfte des Teilnehmerfeldes nicht Muttersprachler sind, da hat man dann auf einmal nicht mehr das Gefühl, der/die einzige mit Sprachproblemen zu sein.
Ich sehe einfach einige handfeste Probleme bei einer OPD-Meisterschaft, die gerne eine DaF-Kategorie hätte:
1. Es müssten sich 4 Personen (Team+JurorIn) in einem ausländischen Club gleichzeitig finden, die alle ausreichend deutsch sprechen UND Lust haben Geld für eine frustrierende Erfahrung auszugeben.
2. Anreisende JurorInnen und Teams müssen das System so verstehen, das sie es angemessen bewerten und reden können. Da dies in dieser Runde offensichtlich nur Lennart tut, ist das sogar schon in unserer Szene ein Problem.
3. Wir müssen Team-Slots an ausländische Teams abgeben. Das ist bei OPD vor allem deshalb ein Problem, weil es einfach weniger Team-Slots gibt. Nehmen wir Mal an, es gäbe 51 Team-Plätze. Wenn wir davon nur 5 für ausländische Teams reservieren, dann ist es schon eine Tatsache, dass wohl allein die Ausrichter der Saison einen zweiten Teamplatz bekommen werden. Sollten wir mehr Teamplätze reservieren wollen (was im Sinne des von mehreren bisher geäußerten deutschsprachigen Expansionsgedankens offenbar gewünscht ist), ist das Problem sogar noch verschärft und am Ende darf jeder Club genau 1 Team senden.
Ich möchte zum Schluss noch einmal betonen, dass ich zum einen nie eine Abschaffung irgendwelcher Systeme gefordert habe, es ging hier rein um das Format der Meisterschaft. Meiner Meinung nach haben beide Systeme ihre Daseinsberechtigung, nur sind sie eben für verschiedene Einsatzsituationen unterschiedlich gut geeignet. Zum anderen freue ich mich ebenfalls auf eine Diskussion auf der MV. Für alle Diskussionen, die wir bisher schon dahin ausgelagert haben, glaube ich allerdings, dass wir einen Tag mehr brauchen als sonst 🙂
Wie man OPD zu bewerten hat, wer genau das interpretieren darf und welchen Zweck es erfüllen soll, ist für mich auch eine Interessenfrage. Je nachdem, welche Meinung gerade in Mode ist, setzen sich leicht unterschiedliche Redner durch. Wie immer sollte der Rahmen dafür breit sein und möglichst viele Clubs eingebunden werden, also die VDCH-MV.
Wenn man sich das OPD Regelwerk durchliest, ist das Format nicht so weit weg von BPS wie hier beschrieben. Es wird explizit erfasst und kategorisiert, was in BPS als „holistisch“ bezeichnet wird. Unüberzeugende Argumente und Sprachgirlanden ohne Inhalte sind in beiden Formaten nicht gerade hilfreich. Habe bisher OPD eigentlich nie als Ausbildungsinstrument für Büttenredner wahrgenommen und hoffe auch nicht, dass es sich in Zukunft dahin entwickelen wird.
Mir ist das obige Szenario wichtig, auch um eine Richtung für die Zukunft vorzugeben.
Frei nach OPD formuliert:
Sollten Menschen, die ihre Arme nicht bewegen können, weniger Punkte im Bereich Gestik bekommen?
Grüße
Michael
Da zu Teresa W. aus Münsters repetitiven Punkten schon alles gesagt wurde, noch zu Michaels Frage:
Ist es überzeugend, wenn Menschen ihre Arme bewegen? Das kommt auf die Situation an. Was erwartet ein Publikum, was hält es für natürlich? Bei normalen Menschen vermutlich Gestik, wie auch immer diese dann konkret aussehen mag. Bei jemandem, der z.B. keine Arme hat, erwartet niemand Gestik – wird diese Person dadurch in den Augen anderer weniger überzeugend? Nicht per se, vielleicht hat sie aber weniger Möglichkeiten etwas zu unterstreichen. Das mag dann 1-2 Punkte in „Auftreten“ ausmachen – um die Frage zu beantworten: Wenn du die Rede dieser Person gegenüber einer identischen Rede einer anderen Person mit Gestik weniger überzeugend fändest bekommt ersterer Mensch weniger Punkte. Sollten wir viele Menschen mit diesen Problemen haben, könnte man dann darüber nachdenken, ihnen aufgrund eines kollektiven Unterschieds ein eigenes Finale einzurichten… das trägt dann z.B. einen Namen wie „deutliches Auftreten freigestellt“, DAF. Natürlich gibt es auch innerhalb dieser Unterschiede in der Ausgeprägtheit der Einschränkung – aber das ist ein dem Wettbewerb inbegriffener essentieller Bestandteil. Sowas könnte man natürlich auch für Nicht-Muttersprachler einführen, um dort den Nachteil eines kollektiven Unterschieds gegenüber Muttersprachlern zu schwächen. Jemand sollte sowas vorschlagen.
Ich bin kein BPS- oder OPD-Redner, sondern vor allem ein ACL-Redner 🙂
Über unsere jeweiligen Wahrnehmungen von OPD und BP müssen wir uns jetzt nicht weiter austauschen; ich möchte nur anmerken, dass ich es für ein erstaunliches Fehlverständnis halte, zu glauben, BP ginge auch schriftlich oder ohne Präsentationsfähigkeiten. Können uns ja ein andermal drüber unterhalten …
Eine Diskussion auf der MV durch die legitimierten Clubvertreter*innen wäre gut, egal was nachher herauskommt. Dabei könnten verschiedene Interessen und Bedürfnisse geäußert und demokratisch abgewogen werden. Fehlt nur noch ein entsprechend anregender Antrag.
Ich glaube ihr bewegt euch hier auf dem Holzweg, wenn ihr weiterhin DAF und ESL damit vergleicht, dass man irgendeine seiner Extremitäten nicht im richtigen Takt zum Regelwerk schwingen kann… Die Relevanz von DAF, und deren Umsetzung in einer Debatte, sehe ich ganz unkompliziert:
Gibt es den Nachteil objektiv? Offensichtlich…
Könnte er sich im offenen Wettbewerb manifestieren? Offensichtlich…
(Was meine ich mit „sich im offenen Wettbewerb manifestieren“? Ich meine nicht nur den Best-Case: jemand bewertet DAF, gibt dem Redner im Rahmen seiner Möglichkeiten Punkte und versucht Lücken im Verständnis selber zu füllen… Sondern auch den Fall wo sich im vorurteilsbehaftetem Kopf des Jurors bereits vor Beginn der Debatte, der Gedanke manifestiert „Oh, wie anstrengend“ oder „Jetzt muss ich gleich genauer zuhören“ – wo wir logischerweise annehmen müssen, dass sich das bereits implizit negativ auf die Bewertung auswirken könnte…)
Wenn man beide dieser Fragen auch nur ansatzweise in dieser Form beantworten kann, sollte das passieren, was man in allen Bereichen unserer Gesellschaft (mal mehr, mal weniger) versucht: einen Nachteilsausgleich….
Wie funktioniert das nicht?
Man ändert die Regeln oder versucht die rednerische Leistung den Kategorien/dem System anzupassen. Bsp: „Na ja, seine Rhetorik war natürlich unterdurchschnittlich aber er hat einmal „Wüstenschiff“ statt „Kamel“ gesagt, deswegen habe ich ihm den Punkt bei Sprachkraft gegeben“ – getreu dem Motto „Er bemühte sich stets“ a.k.a. „Mitleidspunkte“…
Was kann man machen?
Man erkennt die Unterschiede an und würdigt die Leistung, die daraus hervorgeht = DAF-Finale
Wo kann man sich blamieren (siehe Diskussionsverlauf)?
1) Man versucht Linien zu ziehen, wo keine sind. Die Übergänge sprachlicher Leistung (Ist jemand Open/ESL/EFL?) sind fließend und nur schwer zu bestimmen. Vergleich Paralympics: Was ist beim Schwimmen der größere Nachteil? Es fehlt einem der rechte Vorderfuß oder an der linken Hand zwei Finger…
2) Man relativiert die Nachteile. „Na ja, man bekommt statt 51 Punkte im Schnitt, nur 48 – ein gutes Team kann das kompensieren“ (Oder bei BPS: „Na ja, ich habe nicht ganz verstanden was er meinte, aber ich glaube es war auch kein gutes Argument“)
3) Man argumentiert mit dem Nachteil der anderen/deutschen Teilnehmer. „Bei OPD sind die Teamplätze insgesamt weniger, dann kann unsere Stadt X nur 3 statt 4 Teams schicken, wenn mehr „ausländische“ Teams eingeladen werden“ oder „Zusätzlicher Aufwand: Wir müssten den Juroren besser erklären wie man mit unverständlichen Reden umzugehen hat“…
Ich appelliere an eure Vernunft, dass es bei einer Diskussion wie dieser, nicht darum gehen sollte, ob die Ausrichtung eines DAF-Finales überhaupt Sinn macht, sondern eher um die Machbarkeit. Ich kann jeden Klub verstehen, der mit der Organisation der DDM bereits genug zu tun hat, sagt, dass sie den zusätzlichen Aufwand nicht stemmen können. Aber ich kann nicht verstehen, wenn diskutiert wird, ob es einen Nachteil gibt bzw. wie stark er sich ausprägt UND daran dann koppelt, ob es überhaupt relevant ist, sich damit zu beschäftigen…
Diese Diskussion lässt sich 1 zu 1 auf so viele andere Bereich im Leben spiegeln und wenn wir auch nur ansatzweise wollen, dass wir nicht von unserem hohen Ross fallen und stattdessen unserem gesellschaftlichen Auftrag (den sich fast alle Debattierklubs auf die Fahne bzw. in die Satzung schreiben) gerecht werden wollen, dann sollten wir bestrebt sein, uns Themen, wie DAF, offener zu stellen.
Sollten es dann tatsächlich technische Gründe sein, die uns davon abhalten ein DAF-Wettbewerb zu installieren (es fehlt ein DAF-Beauftragter in unserem Klub), dann glaube ich immer noch daran, dass deswegen unser Dachverband besteht und das solche Probleme gelöst werden können…
Oder auch ob es überhaupt genug Teams gäbe, die in diese Kategorie fallen, bzw. Lust die „Strapazen“ auf sich zu nehmen… Wenn wir es nicht anbieten, wird es vermutlich auch nie Teams geben, die dazu Interesse hätten…
Das was Philip sagt!
Hallo an alle,
für mich ist der minimal Konsens, dass diese Debatte in die VDCH-MV gehört.
Dort sollte man sich mit allen Clubs darüber unterhalten, wie man DAF in der OPD Saison integrieren möchte. Dies sollte ein ernsthaftes Bemühen enthalten, möglichst viele Betroffene zu hören.
Mir bleibt (auch aus eigener Erfahrung) das Thema mit körperlichen Behinderungen weiterhin wichtig. Ist OPD geeignet, um Menschen mit Behinderungen angemessen zu beurteilen? Kann es innerhalb der OPD-Schablone zu Verzerrungen kommen (wegen Automatismen beim Eintragen in die vorgegebenen Kategorien), die eine sehr gute Rede unterbewertet?
Ein separates Finale als Lösung wurde angesprochen. Dieser Vorschlag enthält nach meiner Auffassung aber implizit, dass die Art des Bewertens (mit genau diesen 5 Kategorien) immer richtig ist und für alle Menschen angewendet werden soll (und muss), ganz gleich was die speziellen Befindlichkeiten sind.
Ich denke es ist das Mindeste, dass dieser Themenkomplex in der MV angesprochen wird, bevor das Debattieren an Ansehen verliert, weil wir als unsensibel und starr rüberkommen.
Viele Grüße und danke für diese sehr gut geführte Diskussion,
Michael