Rede-Idylle in lauer Natur – Ein Einblick in die Ost- und Mitteldeutsche Meisterschaft
„Wir haben nur die eine Toilette in diesem Gebäude“, erklärt Sylvia den Debattanten aus Ost- und Mitteldeutschland. Während sich eine allgemeine Belustigung in den Reihen des Hörsaals kurz vor der ersten Themenverkündung ausbreitet, fügt die Regiomeisterschaftsorganisatorin des Wortkombinats Ilmenau an, dass die Toilettenanlage natürlich für Männlein und Weiblein getrennt sei. Ob das so bleiben soll, debattierten die teilnehmenden Teams in der ersten Vorrunde an diesem Meisterschaftssamstag: Einige Regierungen forderten Unisextoiletten in öffentlichen Einrichtungen, andere lobten in ihren Argumenten sogar den gemeinsamen Toilettengang innerhalb Familien.
Ruhig, idyllisch und rund 30.000 Einwohner groß, das ist Ilmenau im Thüringer Wald. Am vergangenen Wochenende kamen zu den rund 6.000 Studenten noch einmal rund 50 dazu: An der Technischen Universität richtete der ortsansässige Club Wortkombinat Ilmenau die Ost- und Mitteldeutsche Meisterschaft aus. Teams aus Halle, Göttingen, Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt, Bayreuth und Frankfurt am Main waren angetreten, um sich den Titel Ost- und Mitteldeutscher Meister 2010 zu holen.
Auch wenn Ilmenau als Ausrichter sicherlich die kleinste der teilnehmenden Club-Städte ist: Durch kurze Wege und leckere Hot Dogs wurden die Studenten überzeugt. Zur Abschaffung der Schweigepflicht von Ärzten, Priestern und Rechtsanwälten sowie der Frage, ob Kulturschätze in ihre Heimatländer zurückgeführt werden sollen redeten sich die Gemüter ebenso heiß wie zur Frage, ob Somalia in ein UN-Protektorat umgewandelt werden solle.
Ins Halbfinale schafften es die Teams Hallenser (Halle), Rubikonüberschreiter (Göttingen), Frankfurt – Vorspiel auf dem Theater, Halloren (Halle), Georgias (Göttingen), Dresdner Duett, Frankfurt – Eine Höhle und Knights of Language (Erfurt).
Ob Break oder nicht Break – gefeiert haben sie nach der Verkündung alle. Dazu ging es in zwei der vier Studentenclubs der Stadt. Auf dem nächtlichen Heimweg, gemütlich zu Fuß an der frischen Luft, traf man dann auch noch Einheimische außerhalb des Wortkombinats. Obwohl die Strecke vom Campus zur Jugendherberge nicht wirklich weit ist, bekamen die Frankfurter Teams von den Einheimischen trotzdem einen falschen Weg erklärt. Dafür wurden die Mitteldeutschen um eine Information reicher: Laut eines zugezogenen baden-württembergischen Naturwissenschaftlers hat man an der TU Ilmenau nämlich vor vielen Jahren einen 1-Megabyte-Speicherchip entwickelt. Ob dies der Wahrheit entspricht und ob seine Anmerkung, zu gleicher Zeit habe es im Westen schon einen 4-Megabyte-Chip gegeben, wirklich fundiert war, ließ sich im Schein des Mondes unweit einer Hecke und einer Pferdekoppel nicht herausfinden. Die Gäste jedenfalls waren beeindruckt von der naturwissenschaftlichen Energie.
Das Halbfinale artete in Diffamierungen gegenüber Rauchern und Couchpotatoes aus. Die jeweiligen Regierungen wollten die Kopfpauschale einführen und dafür Zusatzversicherungen anbieten. Dabei galten einzelne rauchende Regierungsmitglieder sogar als bestes Beispiel: Denn warum soll die Gemeinschaft für den Rauchschaden einzelner zahlen?
Bis aufs Podium des Audimax schafften es dann das Team Frankfurt – Vorspiel auf dem Theater in der ersten Regierung, Göttingen Rubikonüberschreiter unterstützte in der schließenden Regierung. Die Oppositionsbank teilten sich Halle Hallenser und Göttingen Georgias. Zu der Debatte über die Abschaffung des geistigen Eigentums in der Literatur waren auch ein paar einzelne Gäste aus der Region gekommen. Schuld daran war nicht die Werbung des Wortkombinats: Denn die hatten sich mit Plakataktionen in der ganzen Stadt die größte Mühe gegeben. Doch das schöne Wetter dürfte die Bewohner Ilmenaus anstatt ins Audimax eher in die umliegenden Wälder gezogen haben.
Den Titel holte sich die erste Opposition in Gestalt der Hallenser aus Halle. Durch Publikumsentscheid gekürter bester Redner der Debatte wurde Magnus Schmalgold aus dem Team Göttingen Georgias.
Text: Franziskus Bayer, DCGF Frankfurt/Main / glx
Bei der Ost- und Mitteldeutschen Meisterschaft 2010 hat Klartext Halle erstmals eine Regionalmeistertitel erringen. Thomas Wach und Simeon Reusch zeigten aus Sicht der Jury als Eröffnende Opposition im Finale die beste Leistung gegen den DCGF Frankfurt (Eröffnende Regierung, Willy Witthaut und Marion Seiche) und zwei Teams des Debattierclub Göttingen (Nicolas Friebe und Gabor Stefan in der Schließenden Regierung sowie Magnus Schmagold und Richard Oberdieck in der Schließenden Opposition). Die Entscheidung lag bei den Chefjuroren des Turniers, Isabelle Loewe (DC Bonn) und Torsten Rössing (KT Halle), sowie den Juroren Mario Dießner (Wortgefechte Potsdam), Jens Fischer (Berlin Debating Union) und Wiebke Nadler (Streitpunkt Leipzig). Die Ehrenjury wählte Magnus Schmagold zum besten Finalredner.
Dies ist der dritte von vier Texten über die vier VDCH-Regionalmeisterschaften, die am vergangene Wochenende ausgetragen wurden. Ein Artikel über die Norddeutsche Meisterschaft folgt, also bleibt dran, um zu sehen, wie andere “Euer” Regio gesehen haben oder was auf den Regios los war, zu denen Ihr mangels der Gabe der Bi-, Tri- oder gar Quartupellokalität nicht fahren konntet!