Streiken – streiten – schlichten: Das war die ZEIT DEBATTE in Stuttgart
Der derzeit befürchtete und umstrittene Bahnstreik blieb am vergangenen Freitag zum Auftakt der ZEIT DEBATTE Stuttgart zum Glück aus. So schafften es alle 36 Teams rechtzeitig zur ersten Runde in die Schwabenmetropole. Nach freundlichem Empfang, kurzem Check-In und Transfer zur technischen Oberschule – dem Vorrundenort – stand schon die erste Debatte auf dem Programm. Streikrecht, Guttenberg oder Nordafrikakonflikt? Weder noch. Es galt sich mit der Zahlungsmoral und Gerechtigkeit des Krankenversicherungswesens auseinander zu setzen.
Zurück in der Jugendherberge räumte diese gleich in mehreren Kategorien Bestpunkte ab: Hoch oben am Berg, aus dem Panoramafahrstuhl, hat man die wohl schönste Aussicht auf die Stadt und das Essen machte selbst den ausgehungertesten Debattanten satt und zufrieden. Auch der Titel der verwinkelsten Jugendherberge in ganz Debattierdeutschland geht klar nach Stuttgart. Haus A, B, C; halber Stock/ganzer Stock… Nach anstrengenden Debatten, aber vor allem nach tiefem Blick in das ein oder andere Glas, ging der Überblick mancherorts verloren. Nichtsdestominder fanden alle Rednerinnen und Redner stets ihr Ziel und ihr Bett. Am nächsten Tag stritten die Ausgeschlafenen darum, ob es ethisch gerechtfertigt ist, aus Nahrungsmitteln Treibstoff herzustellen oder ob nur noch Opfern und deren Angehörigen Zugang zu ehemaligen Konzentrationslager gestattet werden sollte. Reichlich Sonnenschein und eine liebevolle Verpflegung trugen in den Pausen ihr Übriges zu einer durchweg entspannten Atmosphäre bei.
Aber was macht Debattierturniere – neben den jeweiligen Themen und Debatten – zu etwas besonderem? Es ist eben stets wie eine Klassenfahrt für Große; das Gefühl, aus dem realen Leben für kurze Zeit auszusteigen und mit Gleichgesinnten in eine andere Welt abzutauchen. Vergleiche mit der Schulzeit drängten sich in Stuttgart allemal auf. Bälle und diverse andere runde Spielzeuge übten wie früher vor allem auf die männliche Teilnehmer eine große Faszination aus. Ob Fußball oder Basketball – es boten sich genügend Möglichkeiten überschüssige Energie abzubauen.
Wer danach noch Puste hatte, lief Gefahr sie spätestens bei dem einen oder anderen doch sehr kreativen Antrag in den nachfolgenden Vorrunden zu verlieren. Das Leiden der europäischen Hühnergemeinschaft und chinesische Superkommunisten sorgten definitiv für genügend Gesprächsstoff im Anschluss an die Debatten zu den verschiedenen Themen. Ganz nach dem Motto: Schlichten war gestern!
Die Stuttgarter ließen keine Chance ungenutzt sich als hervorragenden Gastgeber zu präsentieren. Zielsicher wurde man in das schwäbische Nachtleben eingeführt und um die entsprechende flüssige Wegverpflegung sorgten sie sich ebenso, wie um ein pünktliches Erscheinen am Frühstückstisch. Selbst über den aktuellen „Demonstrationskalender“ wurde man informiert und sogleich aufgefordert selbst ein Begehren zu formulieren und fleißig für seine Position zu werben. Es schien sogar, als hätten der Debattierclub Stuttgart den Frühling extra bestellt: Die Sonne lachte vom Himmel (vielleicht auch wegen den leidenden Hühnern?) und lies die einen oder anderen Frühlingsgefühle aufkommen. Auch hier wieder, wie zu Schulzeiten: Nichts blieb unbemerkt. Die Debattierszene ist und bleibt eine große Familie.
Der gemeine Debattant zeigte sich jedoch am Samstagabend musikalisch ein wenig eingeschränkt. Für den sonst nur Schlagerhits erprobten Redner waren die alternativen Hip-Hop Klänge des Clubs „Stereo“ etwas ungewohnt. Der Stimmung tat dies allerdings keinen Abbruch. Im Gegenteil, das Geschehen verlagerte sich kurzerhand in den eigens reservierten Eingangsbereich. Hier wurde weiter munter gefeiert, getanzt und gesungen, Debatten analysiert, weitere Abendplanungen gemacht und die Gemeinschaft in der Gruppe genossen. Wie das so ist, auf Klassenfahrt: Manche machten die Nacht zum Tag (und wunderten sich wie früh es schon wieder hell wird), andere verfolgten die Nachrichten aus Japan im Bistro der Jugendherberge, wohingegen die 16 Halbfinalisten sich mehr oder weniger intensiv auf ihre Aufgabe am nächsten Tag vorbereiteten. Man ist ja nicht (nur) zum Spaß da. Nach einem spannenden Halbfinale am Sonntagmorgen zur Frage, ob man das Asylrecht der Eltern an die Schulnoten der Kinder koppeln sollte, ging es zum Finale in das Stuttgarter Rathaus. Die Spannung blieb bis zum Schluss, denn erst während der Finalveranstaltung wurden die Finalisten bekannt gegeben. Teams aus Dresden, Göttingen, Berlin und Dortmund hatten nun die Chance den begehrten Titel zu „erstreiten“. Denn auch hier hieß es wieder: Schlichten war gestern! In einem packenden und emotional aufgeheizten Finale konnten Nicolas Friebe und David Lamouroux den Zuschauern und der Jury ihre Position zum Thema Sicherungsverwahrung am Besten darlegen. Der Preis der besten Finalrede ging jedoch nicht nach Göttingen, sondern an Katharina Wagner aus Dresden. Sie wurde von der Ehrenjury für ihre klare Analyse und Struktur ausgezeichnet.
Ein großer Dank geht an den Debattierclub Stuttgart für die großartige Gastfreundschaft und ein tolles Turnier. Ein Wochenende voller spannender Reden, dank der Kreativität der Chefjuroren. Wir haben viel gelernt und erfahren, neue Kontakte geknüpft und bestehende ausgebaut. Und vielleicht geht der Wunsch von Rezzo Schlauch, den er in seinem Grußwort geäußert hat schon bald in Erfüllung: „Ich würde mich freuen, den ein oder anderen von Ihnen in Zukunft auf einer ganz großen Bühne zu sehen!“
Die Turnierserie ZEIT DEBATTEN wird vom Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) in Zusammenarbeit mit der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Deutschen Telekom AG veranstaltet sowie durch eine Medienpartnerschaft mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) unterstützt. Seit einem Jahrzehnt werden jährlich mindestens fünf große Debattierturniere im Rahmen der ZEIT DEBATTEN ausgetragen, darunter die Deutsche Debattiermeisterschaft. Schirmherr der Serie ist der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Der VDCH ist der Dachverband studentischer Debattierclubs in den deutschsprachigen Ländern und Regionen Mitteleuropas. Momentan vereint der VDCH 70 Vereine aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und den Niederlanden. Der VDCH unterstützt die Mitgliedsvereine und Initiativen zur Gründung neuer Debattierclubs und setzt sich für die Anerkennung des Debattierens im Allgemeinen ein. Der VDCH veranstaltet die bedeutendsten und größten Debattierwettstreite des deutschsprachigen Raumes, die Turniere der renommierten ZEIT-DEBATTEN-Serie.
Nach einer ZEIT DEBATTE im Januar 2010 richtete der Debattierclub Stuttgart im Auftrag des VDCH im zweiten Jahr in Folge eine ZEIT DEBATTE in Stuttgart aus. Der 2004 gegründete DCS machte in letzter Zeit insbesondere auf internationaler Bühne von sich reden und errang unter anderem die Titel des EFL-Vizeweltmeisters 2010.
Kristina Seebacher und Jennifer Marlene Holm / tr / glx
Ein kleiner Fehler hat sich leider doch eingeschlichen auch wenn dieser nur zu verständlich ist. Schimmy&Boerne waren für Duisburg am Start auch wenn Teile davon mal in Dortmund debattiert haben
Wenn mans genau nimmt für Duisburg-Essen. 😉