OPD, BPS und Co. – Rückblick auf das Debattierwochenende in Jena
Kneipen, Komiker und Kartoffelsalat: Das alles und noch viel mehr wurde vom 12. bis 14. November beim Debattierwochenende der Debattiergesellschaft Jena (DGJ) geboten. Ursprünglich als interne Veranstaltung gedacht, lockte das „nichtkompetitive Debattiertreffen“ neben Rednern des eigenen Vereins auch Debattierneulinge aus anderen Clubs wie Dresden, Madgeburg und München in die „Lichtstadt“ an der Saale. In einer entspannten und angenehmen Atmosphäre fanden Steitgespräche in den gängigen Formaten der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) und dem Britisch Parliamentary Style (BPS), aber auch im Wartburg-Format statt. Zur Krönung wagten sich einige Redner auch an die moderne Disputation.
Die Besonderheit der Veranstaltung bestand darin, dass die Debattierer keine Punkte für ihre Reden erhielten. Das Wochenende sollte eher zum Erleben, Ausprobieren und Lernen dienen. Die Aufgaben und Positionen wurden vor jeder Debatte neu zugelost, sodass alle Teilnehmer einmal sowohl auf der Juroren- als auch auf der Rednerseite standen. Außerdem erhob die DGJ für die Teilnahme am Debattierwochenende keine Gebühren. Die Debattierer von außerhalb wurden bei Mitgliedern der Debattiergesellschaft untergebracht.
Am frühen Abend des 12. Novembers begrüßte Jonathan Scholbach, Initiator und Cheforganisator des Debattierwochenendes, die Teilnehmer und führte sie in das Regelwerk der Disputation ein. Schon kurz darauf fanden in zwei Räumen gleichzeitig Disputationen zum Thema „Gesundheit“ statt. Unter anderem stellte der Defendent Alexander Rehfeldt die These auf, dass die Gesundheitsvorsorge in der Verantwortung des Einzelnen liegen würde. Der Opponent Fabian Hachenberg trug den Sieg davon, da er einen Nebenwiderspruch aufzeigen konnte.
Nachdem die Teilnehmer aus Madgeburg mit einer leichten Verspätung auch in der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) eingetroffen waren, fand eine Debatte im Wartburg-Format statt. Damit so viele Redner wie möglich antreten konnten, wurde diese um drei freie Redner erweitert. Zur Diskussion stand die Frage, ob wir eine Weltregierung haben sollten. Dabei zeigte sich deutlich, dass einige Redner gerne die Begriffe vom OPD-Format mit denen der Wartburgdebatte vertauschten und von einer „Regierung“, „Opposition“ und dem „Antrag“ sprachen. Aufgepasst: Beim Wartburg-Format findet eine Diskussion über Definitionen statt, es wird kein Antrag gestellt und die Seiten nennen sich „Pro“ und „Contra“. Vor allem die Teilnehmer der ZEIT DEBATTE Jena, die vom 20. bis 22. Mai 2011 ausschließlich im Wartburg-Format stattfindet, sollten sich mit diesen Gegebenheiten vor dem Turnier besser vertraut machen.
Die Auswertung der Wartburg-Debatte wurde in den „Roten Hirsch“, die Stammkneipe der Jenaer Debattanten, verlegt. Hier verkündeten die Juroren Jonathan und Benjamin Finger, Präsident der DGJ, bei Bier und Wein ihre konstruktive Kritik zur Debatte und den einzelnen Rednern. Am Ende siegte die Pro-Seite mit knappem Vorsprung.
Auch der zweite Tag begann mit einer Disputation. Dieses Mal wurde in drei Räumen gleichzeitig über das Thema „Schönheit“ disputiert. Nora Sachse aus Dresden stellte unter anderem die These auf, dass plastische Schönheitschirurgie nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig sei. Mit dieser paradoxen Aussage konfrontierte sie die Opponentin Julia Barthel, ebenfalls aus Dresden. Am Ende gab es ein für Disputationen seltenes Unentschieden.
Nach dem Mittagessen in der Mensa der FSU gab es eine weitere Wartburg-Debatte. Dieses Mal fand parallel eine Disputation statt, damit so viele Teilnehmer wie möglich reden konnten. Das Hauptthema beider Streitgespräche lautete „Religion“. In der Wartburg-Debatte wurde darüber diskutiert, ob Religion mehr Hass in die Welt bringen würde. Auch hier setzte sich die Pro- gegen die Contra-Seite durch.
Der Nachmittag wurde mit einer BPS-Debatte zum Thema „Dieses Haus würde einen Teil der Bundestagsmandate verlosen“ abgerundet. Hier setzte sich die Schließende Opposition in einer guten Debatte zu einem spannenden Thema gegen die anderen Fraktionen durch. Wieder fand gleichzeitig eine Disputation statt. Danach waren alle Debattanten hungrig und pilgerten in die WG von Benjamin. Während der Präsident der DGJ den Kochlöffel schwang, vergnügten sich die anderen Teilnehmer bei witzigen Wortspielen in seinem Zimmer. Zufrieden und mit vollen Mägen spazierten die Debattierer dann wieder ins Stadtzentrum, um im „Cafe Immergrün“ den Abend bei noch mehr Witzen und Spielen ausklingen zu lassen. Alexander Labinsky aus Dresden verriet dabei der Achten Minute, dass ihm die Kneipenkultur in Jena besser als in Dresden gefalle und er das Wochenende deswegen umso mehr genießen würde.
Mehr oder weniger ausgeschlafen fanden sich alle Teilnehmer am Morgen des 14. Novembers dann zum letzten Mal in der FSU ein. Zum Abschluss des Debattierwochenendes fand eine Debatte im OPD-Format statt. Auf allen Seiten wurde heftig über eine Aufhebung des Inzestverbotes diskutiert. Die Regierung konnte überzeugen und gewann die Debatte knapp. Damit die Teilnehmer nicht mit leeren Mägen nach Hause aufbrechen mussten, hatten die Jenaer eine Bringe-Party organisiert. Die Mitglieder der DGJ hatten in liebevoller Arbeit Nudel- und Kartoffelsalat, aber auch belegte Brote und andere Köstlichkeiten herbeigezaubert. Die dankbaren Teilnehmer reisten so nach dem Mittagessen mit gefüllten Mägen und zufriedenen Gesichtern wieder ab.
Cheforganisator Jonathan erzählte im Gespräch mit der Achten Minute, dass ihm das Wochenende großen Spaß gemacht habe und gezeigt hätte, dass Debattieren auch ohne den Druck der Wettkampfsituation sehr lehrreich sein könne. Er fügte hinzu: „Besonders freue ich mich, dass das Experiment ‚Disputation‘ erfolgreich abgelaufen ist und dieses Format bei den Debattierern anscheinend gut angekommen ist. Vielleicht tragen die Leute aus Dresden, München und Magdeburg diese puristische Form des Streitgesprächs in ihre Clubs. Nachdem unser erster Test des Formats außerhalb der engen Grenzen der DGJ positiv verlaufen ist, überlege ich nun, wie man eine Art Tele-Disputation etablieren kann, entweder schriftlich oder als Audio-Chat. Michael Hoppmann, der Vater des Formats, hat schon Regelanpassungen für die Disputation via SMS ausgearbeitet. Wenn man das Format noch etwas breiter publik macht, dann ist die Perspektive für ein Fernturnier im Disputieren eröffnet.“
vro / apf