„Because you’re all so incredibly nice!“ – Erinnerungen an die WUDC Berlin 2013 (Teil 2)
Fünf Jahre ist es her, seit die erste WUDC auf deutschem Boden stattfand. In Berlin trafen sich Teams aus der gesamten Welt, um die besten Debattiererinnen und Debattierer zu ermitteln. Aber wie war das ganze eigentlich aus Organisatoren- und Helfersicht? Im zweiten Teil unseres Features berichten weitere Zeitzeugen von ihren Erlebnissen und Erinnerungen.
Jens Fischer
Die Tabulation eines so großen Turniers wie der Berlin Worlds mit etwa 1200 Teilnehmer*innen ist eine merkwürdige Angelegenheit: Man fühlt sich wie im Zentrum eines Orkans, um den herum sich viele Dramen abspielen; eigentlich besteht die Aufgabe „nur“ darin, die Ergebnisse einer Runde zusammenzutragen, und auf dieser Grundlage die nächste Runde zusammenzustellen.
Gleichzeitig aber hängt von dieser Arbeit das komplette Turnier ab, schon deshalb, weil jedes einzelne Ergebnis zählt. Bei 100 Räumen sind das pro Runde 800 Einzel- und 400 Teamergebnisse, und über die Dauer der Vorrunden fast 8000 gehaltene Reden, und alle diese Teams mussten zur richtigen Zeit am richtigen Ort erscheinen.
Nach dem Start jeder Runde übernahm der Tabraum die Kontrolle über das Turnier. Die Chefjuror*innen waren je unterwegs in ihre eigenen Räume, so dass wir auch harte Entscheidungen treffen mussten: Ein australisches Team verpasste mutmaßlich den Break, weil es sich in der TU verirrt und den „race to the room“ gegen ein Ersatzteam um Sekunden verloren hatte. Die dort versprühte Wut und Enttäuschung kleben noch heute ein bisschen.
Florian Umscheid führte ein fabelhaftes Team von Runner*innen. Nicht nur kamen die Ergebnisse zu uns geflogen, sondern auch die für einige Räume notwendige Querung der Straße des 17. Juni blieb unfallfrei. Da hatten wir in jeder Runde ein bisschen Sorge.
Die Zusammenstellung der Runden wurde natürlich durch das CA Team übernommen, dabei beugten sich aber alle Köpfe über einen riesigen Bildschirm, um die Juror*innen korrekt in die Räume zu sortieren. Wenn alles passte, durften wir das Ergebnis dann ausfertigen und zur Verkündung händisch durch das Gebäude zum Versammlungsraum tragen – eine Mischung aus Erhabenheit und Rennerei.
Das Tab Team selbst war multinational aufgestellt und leistete hochkonzentrierte Arbeit. Jedes Ergebnis wurde mehrfach gecheckt und auf Plausibilität abgeglichen. Und zudem musste jeder einzelne Faktor auch noch einmal überprüft werden, bis kurz vor dem Break hatten wir „Cambridge Union“, „University of Cambridge“ und „Cambridge Union Society“ parallel im System.
Andrea Gau
Ich hatte das Glück, auf der WUDC nur Teil des Fußvolks zu sein; als „kleiner Helfer“, der überallhin geschickt wurde, wo Aushilfsbedarf bestand, konnte ich fast jeden Teil der WUDC einmal von innen besichtigen. Die ersten drei Tage bestanden für mich aus Runnertätigkeiten unter dem fachmännischen Kommando von Florian Umscheid, der für den Funkverkehr die Räume nach dem NATO-Alphabet benannte ( „The golden goose has landed in Echo Bravo 3!“) und regelmäßig die berühmte Scorpions-Ballade„Wings on Chair“ im Ruheraum intonierte. Zwischenresultat am 31.12.: Eine entzündete Patellasehne und die Unfähigkeit, ohne Fahrstuhl das Stockwerk zu wechseln.
In den nächsten Tagen konnte ich sukzessive das Catering, den Shuttle-Service und den Cheforga-Raum genauer in Augenschein nehmen. Und auch wenn die Augenringe von Tag zu Tag tiefer wurden: Der Spaß an der Herausforderung war überall zu spüren – in zahllosen In-Jokes, in Motivationsgesängen und in (meist) bester Laune. Ich glaube, dass der Zusammenhalt, der damals zwischen Clubs entstanden ist, bis heute in der deutschen Debattierszene fortwirkt.
Die stärkste Erinnerung habe ich an den Silvesterabend: An das völlig übermüdete Tanzen zu „Diamonds“ von Rihanna um 3 Uhr morgens. Und an den Moment, als mir, nachdem ich von 21 Uhr bis 1 Uhr morgens Weinbecher über die Theke gereicht hatte (an die Ersthelfer: sorry!), ein US-Debattierer drei Dollarscheine auf die Theke legte und meinte: „Here, because you’re all so incredibly nice!“ War er betrunken? Ja. War das Kompliment trotzdem gerechtfertigt? Aber sowas von. Die Dollarscheine begleiten mich bis heute in meinem Portemonnaie.
Patrick Ehmann
Ohne die WUDC Berlin 2013 wäre ich nicht der, der ich bin! Ich habe viel durch die Worlds gelernt. Noch mehr aber habe ich durch die Reflektion über dieses Projekt gelernt. Dabei gab es mehrere Glücksmomente, von denen ich zwei herausgreife. Ich hatte Menschen um mich herum, mit denen ich die intensive Zeit sehr ausführlich besprechen konnte. Und ich hatte genug Zeit, um mich und mein Handeln zu reflektieren. Ohne diese beiden Momente wäre ich nicht der, der ich jetzt bin. Ich konnte die Dinge vollständig verarbeiten und die Ereknntnisse in der Folge auf neue Situationen anwenden, und ich musste nicht alles mit mir alleine ausmachen.
Seit gut einem Jahr bin ich Geschäftsführer des Diakonischen Werks An Sieg und Rhein mit rund 90 Mitarbeitenden. Wenn ich nicht die Erfahrung von Fehlern und Erfolgen z.B. in der Personalführung der WUDC Berlin 2013 gemacht hätte, wäre ich heute nicht so klar in meinem Verständnis und Handeln in Bezug auf die Beziehung von Mitarbeitenden und Vorgesetzten. All das, was ich jetzt tue steht i.W. in Lehrbüchern über Führung und wird in Management-Seminaren geschult. Und vieles von dem was ich sage mögen Binsenweisheiten sein. Warum sieht dann aber die Praxis so schlecht aus?
Und da komme ich wieder zu meinem Glück zurück: Nicht jede*r hat die Möglichkeit die eigene Erfahrung zu reflektieren und die Erkenntnisse umzusetzen. Somit ist für mich vielleicht das wichtigste, was ich aus den WUDC Berlin 2013 gezogen habe, dass ich mir die personellen und zeitlichen Strukturen schaffen muss, um langfristig gute Arbeit zu machen. Dies versuche ich tagtäglich meinen Mitarbeitenden vorzuleben und rege sie dazu an, ähnliche, für sie passende Strukturen zu schaffen.
Ich habe ebenfalls gelernt, dass ein sozialer Organismus wie es ein Turnier mit 1.400 Teilnehmenden oder auch nur ein Organisationskomitee von 200 Freiwilligen nicht steuerbar und kontrollierbar ist. Als Convener, als Geschäftsführer oder als Chef-Orga kann man im besten Fall gezielte Impulse setzen, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu einem Spektrum an erwünschten Folgen führen. Das hat bei mir Demut, Realismus und Gelassenheit geschult. Diese tiefe Haltung resultiert ebenfalls aus der Reflektion der WUDC Berlin 2013. Ich habe den Eindruck, dass ich durch diese Haltung vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen aufbauen konnte, die langfristig tragfähig sind.
jm.
Da fällt mir noch diese alte Weise ein: https://www.youtube.com/watch?v=IWSyntmud_A
Ich weiß noch, wie wir das Lied zur Silvesterparty mitgesungen haben.