VDCH-Umfrage: Schlüsse zur Mitgliederwerbung und -bindung

Datum: 8. Dezember 2016
Redakteur:
Kategorie: VDCH

Wie bereits vor einigen Wochen angekündigt worden war, wurden einzelne Personen mit der inhaltsspezifischen Interpretation der Ergebnisse aus der großen Debattierumfrage beauftragt. In den nächsten Wochen möchte die Achte Minute euch jeweils donnerstags um 14:00 Uhr einen weiteren Teil vorstellen. Den Auftakt macht diese Woche Nikos Bosse mit der Mitgliederwerbung und -bindung.

Die Kontaktaufnahme: Auf welchem Wege kommt der Nachwuchs?

Logo Debattierumfrage ErgebnisseTeilnehmer der Umfrage wurden gefragt, auf welchem Wege sie zum Debattieren gekommen sind. Die Antworten (absteigend nach Häufigkeit sortiert) waren:

  • Ich hatte schon von Debattierclubs gehört und in meiner Universität gezielt nach einem gesucht (24%)

  • Einer oder mehrere meiner Freunde waren bereits Mitglied in einem Debattierclub (22%)

  • Ich bin durch Poster, Flyer oder Werbung neugierig auf den Debattierclub geworden (18%)

  • Ich habe den Debattierclub durch seine Vorstellung in einer Vorlesung oder einem Initiativenmarkt kennengelernt (18%)

  • Ich habe bereits Erfahrungen im Schuldebattieren gesammelt und wollte diese weiter ausbauen (6%)

  • Ein Event, zum Beispiel eine Showdebatte, hat mich für den Debattierclub begeistert (4%)

Was lässt sich daraus ziehen? Zum Ersten natürlich, dass die Arbeit des Verbands, das Debattieren insgesamt bekannter zu machen gut und richtig ist (yay!). Zum Zweiten zeigt es, was keinen wundert, dass große Clubs es leichter haben als kleine Clubs, neue Mitglieder zu finden. Dort gibt es mehr Multiplikatoren, dort ist es leichter Menschen zu finden, mit denen man sich wirklich gut versteht. Um sich selbst die Arbeit zu erleichtern und erfolgreicher zu werden, sollten Clubs nach Kräften versuchen, zu wachsen. Alle Clubs gleichermaßen haben die Möglichkeit, klassische Werbung zu machen: Flyer, Poster (Vorlagen gibt es unter wiki.vdch.de) sowie Vorlesungswerbung und Werbung auf Unimesseständen scheinen gleichermaßen erfolgsversprechend. Showdebatten oder ähnliche Events scheinen für die Mitgliederwerbung eher ungeeignet.

Die Motivation: Warum sind sie zum Debattieren gekommen?

Auf die Frage, warum sie damals zum Debattieren kamen, antworteten die Teilnehmer:

  • Rhetorische Fähigkeiten verbessern (209 Antworten)

  • Interesse an politischen Debatten (149 Antworten)

  • Argumente erkennen, strukturieren und verstehen (140 Antworten)

  • Neue Menschen kennenlernen (99 Antworten)

  • Lernen, vor Publikum zu sprechen (96 Antworten)

Nikos Bosse hielt die beste Finalrede - ©Johannes Klug

Nikos Bosse – © Johannes Klug

Für die Mitgliederwerbung hat das folgende Konsequenzen: Zum einen sollten die erstgenannten Punkte als Verkaufsargumente unterstrichen und prominent z.B. auf Flyern oder bei der Vorlesungswerbung genannt werden. Zum anderen sollten die ersten Einstiegsabende den Neulingen auch die Möglichkeit geben, genau das zu bekommen, was sie suchen. Es könnte beispielsweise sinnvoll sein, Übungen zu machen, mit denen die Einsteigerinnen ihre rhetorischen Fähigkeiten gezielt trainieren können (z.B. 60-Sekunden Stehgreifrede ohne Ähm zu sagen, ein vollständig ausgearbeitetes Konzept für Einsteigerabende findet ihr im Wiki). Auch ist darauf zu achten, dass die Teilnehmer Feedback bekommen, das sie tatsächlich weiterbringt. Der kompetitive Charakter des Debattierens scheint Neulingen weniger wichtig zu sein und sollte vor allem zu Beginn auch nicht betont werden. Insbesondere Frauen scheinen weniger Interesse am Wettbewerb zu haben. Auch gaben Umfrageteilnehmerinnen an, weniger der Spaß am Reden vor Publikum als vielmehr der Wunsch zu lernen vor Publikum zu reden sei eine Motivation, zum Debattieren zu kommen. Langfristig ist bei beiden Geschlechtern gleichermaßen der Wunsch, sich rhetorisch zu verbessern eine Motivation, beim Debattieren zu bleiben.

Ein weiterer Punkt scheint mir persönlich relevant für die Mitgliederwerbung, auch wenn dies in der Umfrage nicht direkt abgefragt wurde: Die meisten Menschen reden ungern vor anderen, fühlen sich unwohl dabei und haben speziell beim Debattieren das Gefühl, dass sie das nicht könnten. Viele kommen erst überhaupt nicht oder verlassen den Club vor der ersten Rede, weil sie sich Angst vor der Redesituation haben. Es lohnt sich deshalb einerseits in der Vorlesungswerbung, aber vielleicht auch bei sonstigen Werbeexten deutlich zu machen, dass das völlig normal ist und jedem so geht, dass man es aber üben kann. Die Idee ist also, die Einstiegshürde so niedrig wie möglich zu halten. Zum anderen ist es sinnvoll die Einstiegsabende so zu gestalten, dass das erste Reden möglichst wenig bedrohlich ist. In Göttingen und Berlin beispielsweise werden die Einsteiger durch kleine Übungen ans Reden herangeführt und erleben ihre ersten Erfolge in Kleingruppen unter sich, ohne gleich sieben Minuten reden zu müssen. Auch in Tübingen werden Einsteigerinnen und Erfahrene die ersten Wochen getrennt, um die Hemmschwelle zu reden möglichst niedrig zu halten.

Der Anschluss: Und warum sind sie geblieben?

Konkret wurden die Teilnehmerinnen der Umfrage gefragt, was ihnen am Debattieren wichtig ist, was Aufschluss darüber gibt, warum sie beim Debattieren geblieben sind. Wichtig oder eher wichtig fanden die Umfrageteilnehmer:

  • Eine freundschaftliche Atmosphäre innerhalb des Clubs (89%)
  • Das Verbessern meiner rhetorischen Fähigkeiten (79%)
  • Die Möglichkeit zum Aufbau sozialer Kontakte (67%)
  • Das Kennenlernen neuer Themenkomplexe (66%)
  • Der Wettkampf mit anderen Debattierern (56%)
  • Gemeinsame Socials außerhalb der Clubabende (49%)

Die reine Analyse der Umfrage sei im Folgenden um einige persönliche Anmerkungen und Vorschläge ergänzt. Auch wenn der Wunsch, neue Menschen kennenzulernen nicht unbedingt die Haupttriebkraft ist, einen Debattierclub aufzusuchen, so ist der Kontakt zu den andern Mitgliedern offensichtlich enorm wichtig für die Frage, ob eine Einsteigerin bleibt. Das zeigt sich in der Umfrage, wenn die „freundschaftliche Atmosphäre innerhalb des Clubs“ von den Teilnehmern als das Wichtigste am Debattieren bewertet wird. Große Clubs haben es womöglich einfacher weil die Wahrscheinlichkeit, nette Leute zu treffen, steigt, wenn insgesamt mehr Leute da sind. Für kleine Clubs könnte insofern eine lohnende Strategie sein, bei der Mitgliederwerbung auf Masse zu setzen: Je mehr Werbung ihr macht und je mehr Interessierte ihr ansprecht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei den Anfängern untereinander Freundschaften bilden, selbst wenn eure Kernmitgliederzahl erstmal nicht sehr groß ist. Einsteiger sollten so viel wie möglich miteinander reden und mit den älteren Mitgliedern in Kontakt kommen. In Göttingen haben sich dafür die Einstiegsübungen bewährt: Wenn man eine Übung macht ist man viel im direkten Kontakt und kann anschließend gut fragen, wie es den Teilnehmerinnen ergangen ist und dadurch eine Beziehung aufbauen. Ein anschließender Kneipenabend sollte schon zu Beginn des Einstiegsabends angekündigt werden und fester Bestandteil jeder Mitgliederwerbungsstrategie (und vermutlich einer guten Clubkultur) sein. Wir haben in Göttingen zum ersten Mal mit großem Erfolg ausprobiert, ein paar Bier und Knabbereien zu besorgen und den Abend bei einem der Clubmitglieder ausklingen zu lassen, aber das ist vermutlich eine Platzfrage.

Viele weitere Gedanken zur Mitgliederwerbung und nützliche Materialien (Vorlagen für Flyer und Plakate, in Kürze auch vollständig ausgearbeitete Konzepte für Einstiegsabende) findet ihr im Wiki. Nutzt diese Materialien und tauscht euch aus mit anderen Clubs. Die Umfrage ist ein sehr wichtiger Schritt, aber sie ist nur der erste Schritt.

Nikos Bosse/lok.

Nikos Bosse war in den Vereinsjahren 2014-15 sowie 2015-2016 Vizepräsident des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH). Er debattierte seit 2012 bei Streitkultur e.V. in Tübingen und war dort zwei Jahre lang auch im Vorstand als Schatzmeister aktiv. Währenddessen wurde er Süddeutscher Debattiermeister 2014 und gewann 2015 die ZEIT DEBATTE Hannover. 2014 wurde er zudem Vizeweltmeister in der Kategorie English as a Foreign Language (EFL) bei der Weltmeisterschaft im Hochschuldebattieren in Chennai, Indien. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums in Tübingen wechselte er zum Debattierclub Georgia Augusta e.V. nach Göttingen, wo er seit 2016 im Vorstand aktiv ist. Nikos ist Teil der Chefjury der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2017.

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