Berlin A alias BDU AF auf den EUDC 2023
Agata Konopka und Felix Reischl sind auf den diesjährigen European University Debating Championships (EUDC) in Burgas (Bulgarien) am Schwarzen Meer bis ins Halbfinale gekommen. In einem Interview erzählen sie von ihrem Weg durch das Turnier und begeistern für das internationale Debattieren.
Achte Minute: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, international zu debattieren und insbesondere auf die Europameisterschaften zu fahren?
Agata: Sehr viel kam aus der BDU. Die BDU ist ja ein BP-lastiger und internationaler Club. Da ist das internationale Debattieren sofort ein Thema. Als Felix und ich vor zweieinhalb Jahren mit dem Debattieren angefangen haben, ging es der BDU wegen Corona aber noch total schlecht und wir sind erst mal kaum auf englische Turniere gefahren. Der eigentliche Durchbruch im internationalen Debattieren kam dann auf den Worlds Anfang des Jahres. Felix und Martha sind da spontan hingefahren und Felix kam als komplett anderer Mensch zurück. Mit doppelt so viel Power und Motivation, technisch so viel besser. Man konnte ihn kaum wiedererkennen. Und dann dachte ich, wenn Felix das kann, muss ich das auch mal machen. Und so sind wir mit größeren Delegationen auf internationale Turniere gefahren.
Felix: Soll heißen, fast zwei Jahre gar nicht international geredet, und jetzt praktisch jedes zweite Wochenende.
Achte Minute: Wie kam es dazu, dass ihr beide euch als Team gefunden habt?
Felix: Wir haben viel durchrotiert, erst nie zusammen geredet und dann haben wir spontan an einem Online–Turnier teilgenommen und knapp den Break verpasst. Das war überraschend und da haben wir beschlossen, öfter miteinander zu reden.
Achte Minute: Wie habt ihr konkret trainiert?
Agata: Wir erhalten von Marc-André und Chris (Kebschull, Anm. d. Red.) viel Feedback. Marc macht bei uns im Club das Training und Chris coacht uns individuell. Wir haben großes Glück so viel Unterstützung zu bekommen. Und dann natürlich regelmäßige Debatten und viele Turniere.
Felix: Inhaltlich haben wir im Vergleich zu den sehr guten Teams leider nicht so viel gemacht, wie wir uns vorgenommen hatten. Wir wussten natürlich, dass solche Dinge wie AI oder China wichtig sein werden und haben uns Casefiles geschrieben. Wir lesen regelmäßig Nachrichten, vor allem auf Englisch. Das hat uns auch sehr weiter geholfen. Themen wie Südamerika oder Vietnam kommen in z. B. der Zeit halt einfach nicht so dran und in internationalen Medien wie The Economist oder New York Times viel häufiger und detaillierter.
Achte Minute: Was unterscheidet sich sonst noch im internationalen Debattieren vom Deutschsprachigen?
Felix: Es wird mehr Wert auf Analysedichte gelegt. Wenn in deiner logischen Kette bis zum Impact etwas fehlt, verlierst du im Zweifel die Debatte.
Agata: Vor allem EPL-Teams produzieren enorm viel Material. Um da mithalten zu können musst du einfach die richtigen Mechs haben, weil du sprachlich nicht kompensieren kannst. Zudem sind Motions matterheavier, also weniger leicht zugänglich. Deutsche CAs versuchen die sehr zugänglich zu machen, sodass alle da etwas zu sagen können. Bei vielen Debatten im englischen Raum brauchst du extrem viel Hintergrundwissen, um mit starken Teams mithalten zu können.
Achte Minute: Wie teilt ihr im Team die Rollen auf?
Felix: Eine unserer Stärken ist es, dass wir eine klare Aufgabenverteilung haben. Meine Aufgabe ist es – als erster Redner und Extensionredner – das konstruktive Material zu generieren. In der Regel mache ich in meiner Rede nur das. Ich verwende das Wort Rebuttal sehr selten. Und auch die Abwägung mach ich in der Regel nur implizit. Dafür fehlt einfach die Zeit. Agata kümmert sich dann um diese beiden Dinge. Sie kann das auch deutlich besser als ich. Für uns funktioniert das so momentan ziemlich gut, aber das ist jetzt auch kein Erfolgsrezept. Es kann auch nach hinten losgehen, wenn man in der Extension nichts rebutted.
Agata: Ich glaube das ist eine klassische Aufteilung, die man auch oft so auf den Euros gesehen hat. Felix ist die Mechmaschine. Er ist unglaublich gut darin, sich fünf Gründe für irgendwas teilweise aus dem Arsch zu ziehen und ich versuche das dann strategisch zu positionieren.
Achte Minute: So weit das Vorgeplänkel. Kommen wir zu den Euros, die im August in Bulgarien stattgefunden haben. Wie hat das Turnier denn für euch angefangen?
Agata: Es ist ein Marathon, Unglaublich. 9 Vorrunden. Man erlebt Ups and Downs. Das habe ich unterschätzt. Nur debattieren, feiern und schlafen. Der erste Tag hatte bei uns schlecht angefangen. Wir haben in den Debatten einfach nicht so gut performt. Am Ende des Tages haben wir uns dann zusammengesetzt und analysiert, woran das gelegen hat. Wir haben uns dann bewusst gesagt: „Okay, das ist ein normales Turnier, wir müssen einfach so performen wie auf anderen Turnieren, wo wir gut waren.“
Felix: Der zweite Tag war dann viel besser. In der vierten und fünften Runde konnten wir gut mithalten. In der sechsten Runde waren wir dann in einem sehr starken Raum. Diese Debatte hatten wir dann aber einfach versemmelt. Die Extension war komplett symmetrisch, unsere schlechteste Debatte auf dem Turnier. Nach der Debatte wussten wir direkt, wir sind Vierter. Das hat uns sehr geärgert. Es ist sehr schwierig, einen vierten Platz wieder auszugleichen.
Agata: Ich war so schlecht drauf danach, ich hab gesagt: „Geh du feiern, ich geh schlafen, einfach keinen Bock mehr.“
Felix: Dann haben wir am Abend – ich wurde aus der Party rausgezogen – mit Chris telefoniert, weil wir noch so down waren. Und er hat uns dann aufgemuntert und uns erklärt: „Ihr seid da, wo ihr sein wollt, ihr seid in der Bubble. Ihr könnt es noch schaffen.“
Agata: Mir hat es extrem gutgetan, mit Chris zu reden. Am dritten Tag war ich zu Felix die ganze Zeit so: „Ja wir sind voll gut, unabhängig ob wir breaken oder nicht.“. Da war ich schon richtig zufrieden. Der dritte Tag war spannend. Du hast keine Ahnung wie du performt hast, weil alles geschlossene Runden waren. Nach der 9. Runde haben wir dann bisschen gebacktabbt, was wir davor bewusst nicht gemacht haben, um uns nicht extra Stress und Druck zu machen. Der Break schien dann sehr realistisch. Auch weil der letzte Raum sehr gut war, mit einem sehr guten Panel. Das war ein cooles Gefühl.
Felix: Wir wussten auch während der Debatten eigentlich, dass wir erster oder zweiter werden. Die Themen haben uns gelegen, wir hatten die Debatten größtenteils unter Kontrolle, haben viel Material generiert und hatten auch ziemlich viel Glück. Das hat uns dann einen kleinen Confidenceboost gegeben. Wir dachten uns, auf so einem großen Turnier können wir mithalten und auch in Runden so weit oben im Tab können wir immer noch gewinnen.
Achte Minute: Dann kam der Break…
Agata: Genau, erstmal die Nachrichten aus der BDU: „Na wie liefs, na wie liefs?“. Weil die ja denTablink hatten, aber nicht wussten, wie es aussieht wegen der geschlossenen Runden. Wir hatten schon das Gefühl ESL gebreakt zu sein und hatten Hoffnung, auch den Openbreak geschafft zu haben. Ich hab dann immer noch gesagt: „Es kann auch sein, dass wir es komplett verpassen.“
Felix: Ich hatte schon auf den Open Break gehofft. Das haben in Deutschland bis jetzt nur sehr wenige Teams hingekriegt. Wir wussten, dass die Chancen ca. 50/50 stehen. Am Ende waren wir dann auf Platz 25, haben den Openbreak um einen Platz über Speaks verpasst, sind aber ziemlich deutlich ESL gebreakt. Da kann man sehr unterschiedlich drauf reagieren. Alle aus der BDU und auch Agata haben sich super gefreut. Auch der ESL-Break ist ja super schwierig. Die besten internationalen Debattierenden kommen momentan aus ESL–Ländern, also z. B. Israel oder Bulgarien. Aber ich wollte wirklich openbreaken, und das dann so knapp nicht zu schaffen hat mich schon ziemlich enttäuscht.
Agata: Der war so schlecht drauf, dass ich irgendwann sauer wurde. Ich hab dann auch gesagt: „Boah Felix, dass du das nicht wertschätzen kannst und das ist doch auch schon voll der Erfolg. Von 160 Teams auf 25 zu sein, das ist extrem gut.“.
Felix: Später, nach all den Glückwunschen und den Outrounds am nächsten Tag, hab ich mich dann aber auch darüber gefreut. Im Nachhinein bin ich sehr zufrieden.
Agata: Im Viertelfinale am nächsten Tag hatten wir dann wieder Glück. Das Thema war straight forward. Eine klare Policy. Anspruchsvolle Mechanismen, aber klare Burdens. In der Prepzeit haben wir glaub ich nur ein paar Minuten miteinander geredet und dann hat Felix unsere Argumente mechanisiert und ich hab über die andere Seite nachgedacht und über strategische Dinge. Zwischenzeitlich sage ich Felix dann: „Daran musst du denken und daran musst du denken.“
Felix: Bei klaren und konkreten Debatten performen wir in der Regel besser. Abstrakte Themen können wir weniger gut. Da hab ich das Problem, dass ich Burdens nicht so leicht erkenne und die Debatte falsch einschätze.
Agata: Nach dem Viertelfinale hat es sich wegen des Zeitplans aber sehr gezogen bis wir wussten, ob wir weiterkommen. Und als dann verkündet wurde, dass wir ins Halbfinale einziehen, hat Felix auch erst mal gar nicht verstanden, ob wir weiter sind oder nicht und hat mich ganz verwirrt angeschaut.
Felix: Ich hab irgendwie Opening Opposition anstatt Opening Government verstanden. So ne halbe Minute stand ich dann einfach da und war so: „Warte, was ist gerade passiert?“.
Achte Minute: Wie habt ihr euch denn so die Wartezeit vertrieben?
Agata: Ich habe viel geschlafen. Mich hat der klassische Major Flu erwischt. Es hatte ja 38 Grad draußen und im Hotel aber super kalte Air Condition. In den Räumen war es wie in ner Sauna. Du hast getropft, das war auch körperlich super anstrengend. Also ich hab geschlafen, Felix ist viel spazieren gegangen.
Felix: Mich hat die Wartezeit primär gestresst. Insbesondere die Outrounds waren für mich mental ziemlich anstrengend. Nicht nur die geistige Leistung in den Debatten, sondern auch die emotionale Anstrengung. In den Outrounds ist dann Publikum da, die anderen Berliner schauen zu, du weißt die anderen Teams sind super gut, und dass schon kleine Fehler dazu führen können, dass du verlierst. Und auch einfach die Masse an Debatten. Wir haben bis zum Halbfinale 11 verschiedene Themen debattiert. Da war ich dann echt groggy.
Achte Minute: Und das Halbfinale?
Agata: Haben wir versemmelt.
Felix: Wir wurden noch Dritter, aber die anderen Teams waren deutlich stärker als wir.
Achte Minute: Was habt ihr nach dem Halbfinale gemacht?
Agata: Ich war fertig und bin schlafen gegangen.
Felix: Ich war noch mit Freunden am Strand und bin dann um 22 Uhr noch mal zurück zur Uni, um mirnoch anzuhören, wie wir nicht weiterkommen. (lacht)
Achte Minute: Wie war die soziale Komponente so allgemein?
Felix: Richtig, richtig gut. Man ist ja für eine Woche dort und aus dem VDCH–Land waren wir siebenTeams plus mehrere Jurierende. Die Heideberger waren da, die Wiener waren da und manche englische Teams die wir kannten. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Man geht zusammen zum Strand, fragt sich nach Debatten wie es gelaufen ist. Das war wahrscheinlich eines der sozialsten Turniere, auf denen ich bisher war.
Agata: In der BDU-Telegramgruppe haben wir auch einfach super viel Unterstützung bekommen. Das war ein tolles Gefühl.
Achte Minute: Was nehmt ihr so mit von den Euros?
Agata: Bei mir sackt es noch ab. Ich habe noch nicht so reflektiert. Aber ich glaube, ich bin vor allem mental stärker zurückgekommen. Wir haben die ganzen Up und Downs zusammen erlebt und gelernt wie wir sowohl mit Niederlagen wie auch Erfolgserlebnissen gut umgehen. Das hat uns als Team nochmal sehr gestärkt.
Felix: Und es ist auch einfach ein Selbstbewusstseinsboost. Viele Clubs aus dem Ausland haben deutlich mehr Ressourcen und Erfahrung als wir, haben für Jahre in der Schule debattiert, haben ein viel größeres Budget, professionelle Coaches, sprechen besseres Englisch, und trotzdem sind wir ziemlich zuversichtlich. Wir werden auch an den Weltmeisterschaften in Vietnam in ein paar Monaten teilnehmen und das ist halt zeitlich und finanziell schon ein krasses Investment. Man geht jetzt aber in stärkere Räume gegen Leute aus Oxford und denkt sich: „Hier kann alles passieren, die kochen auch nur mit Wasser.“ (Credits für dieses Zitat an alle Berliner Dinos 😊).
Achte Minute: Welche nächsten Turniere stehen denn an?
Agata: Die Worlds Prep Season steht an, wir werden viel international debattieren, aber auch deutschsprachig. Unser nächstes Turnier ist der Röntgen-Cup in Würzburg. Wir werden auch gemeinsam bei der nächsten DDM antreten.
Achte Minute: Was wollt ihr noch loswerden?
Agata: Kommt alle auf die Campus-Debatte Berlin und die DDM 2025.
Felix: Debattiert mehr im englischsprachigen Raum. Ich fänds cool, mal ne VDCH Klassenfahrt zu machen, auf ein Turnier in Holland zum Beispiel. Englisches Debattieren macht super viel Spaß. Man lernt unglaublich viele neue Leute kennen aus unterschiedlichen Kulturen, viele sehr nette und schlaue Menschen, und man reist durch ganz Europa.
Agata: Und auch unterschiedliche Debattierstile und Jurierstile. Ich habe von vielen gehört, sie fahren wegen der Sprachbarriere nicht auf internationale Turniere. Das kann ich voll verstehen, ich hatte diese Angst auch am Anfang und habe mich recht lange vor dem ersten englischsprachigen Turnier gedrückt. Aber man kommt unglaublich schnell rein. Und auch die Open–Europameister haben starke Akzente und sind ESL. Wenn man sich ein Turnier in der Nähe heraussucht, ist es auch nicht so teuer. Nach Edinburgh kann man preiswert fliegen oder nach Holland mit dem Zug fahren. Da macht es von Berlin aus keinen Unterschied, ob Amsterdam oder Heidelberg.
Felix: Wenn man dann noch Freunde hat, die mitkommen, ist es garantiert ne total tolle Erfahrung.
Achte Minute: Vielen lieben Dank euch beiden! Das war ein spannender Einblick in die internationale Debattierszene und euren Weg durch die Euros. Ganz viel Erfolg und Spaß am Debattieren weiterhin.
Das Interview führte Hannah Bilgenroth
Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke, schönes Interview. Und herzlichen Glückwunsch zu der starken Leistung! 🙂
Danke dir 🙂
Hach, da werde ich doch gleich nostalgisch für meine Zeit auf dem internationalen Circuit. Kann nur unterschreiben, was ihr so sagt – jede:r sollte mal die oft tolle internationale Arena erlebt haben. Weiter viel Erfolg und Spaß!