DC Heidelberg gewinnt Campus-Debatte Hamburg 2023
Die letzte Campus-Debatte der Saison und damit das sommerlichste Turnier der Serie fand vom 16. bis 18. Juni in Hamburg statt. Das BP-Finale auf der MS Bleichen drehte sich um die Wahlen des Berliner Abgeordnetenhauses und die Regierungsoptionen der SPD. Die eröffnende Regierung DCHeureka (Alexander Veeser & Benedikt Rennekamp) vom Debattierclub Heidelberg setzte sich gegen die anderen drei Teams durch.
Für die Eröffnende Opposition redete das Team Rederei Heidelbärenkatapult (Bjarne Roggenbuck & Jakobus Jaspersen), die Schließende Regierung bestand aus GÖnz großes Kino (Chris G. & Hannah Bilgenroth) und auf der Schließenden Oppositionsbank trat S- & D- K (Chiara Throner & Samuel Gall) an, die in ihrer Argumentation jedoch allesamt hinter den beiden Heidelbergern zurückblieben. Das Thema des Finals lautete: „Es ist Ende Februar 2023. DH, als SPD Berlin, würde die Rot-Grün-Rote Koalition fortsetzen, anstatt in eine Große Koalition unter Führung der CDU einzutreten.“. Das Finale jurierten Anne Wessig (Hauptjurorin), Johannes Meiborg, Josef Hoppe und Vicky Wagemann.
Die Ehrenjury bildeten Dr. Vanessa Just, Gründerin und Vorstandsmitglied des KI-Bundesverbandes, Alexander Schwanke, Ratsherr der Hansestadt Lüneburg für die CDU, gemeinsam mit Dr. Claudia Andersen, Ärztin vom Rotary Club und Dr. Barbara Schunicht, Vertreterin der DDG. Die vier kürten Chiara Throner zur besten Rednerin des Finals.
Ausgezeichnet für ihre Jurierleistungen auf dem Turnier wurden Anne Wessig, Georg Maxton und Leo Volkhardt. Vicky Wagemann erhielt den Preis für die beste Nachwuchsjurierleistung.
Die Chefjury bestand aus Btissam Boulakhrif, Luise Häder und Dominik Hermle, die sich für die vielfältigen Themen verantwortlich zeigten und die sportliche Leitung innehatten. Des Weiteren sorgte Jannis Limperg als Tabmaster für einen reibungslosen Ablauf. Für die Organisation des gesamten Turniers sorgte der Debattierclub Hamburg e.V., unter der Hauptleitung von Tobias Barth und Maximilian Meybauer, die zusammen mit ihren Clubkollegen und -kolleginnen ein hamburgreiches Wochenende ermöglichten.
1.) BDU AF (Agata Konopka, Felix Reischl) – 12 P.
2.) Münster Io (Lukas Hambüchen, Paul Schmitz) – 12 P.
3.) DCHeureka (Alexander Veeser, Benedikt Rennekamp) – 11 P.
4.) S- & D- K (Chiara Throner, Samuel Gall) – 11 P.
5.) GÖnz großes Kino (Chris G., Hannah Bilgenroth) – 11 P.
6.) KeckeRei (Tim Reitze, Constanze Keck) – 10 P.
7.) Rederei Heidelbärenkatapult (Bjarne Roggenbuck, Jakobus Jaspersen) – 10 P.
8.) Brezen mit Bibiliskäs (Jola Schmidt, Sonja Soko) – 10 P.
Jurybreak:
Anne Wessig, Btissam Boulakhrif, Dennis Güldenmeister, Dominik Hermle, Georg Maxton, Johannes Meiborg, Josef Hoppe, Julius Klikar, Leo Volkhardt, Liam Urban, Luise Häder, Simon Lucas, Susanna Wirthgen, Vicky Wagemann.
RednerInnen Top 10:
1.) Benedikt Rennekamp – 79,2
2.) Chiara Throner- 78,6
3.) Felix Reischl – 78,4
3.) Paul Schmitz – 78,4
5.) Tim Reitze – 78,2
6.) Robert Wiebalck – 77,8
6.) Constanze Keck – 77,8
8.) Anne Uder – 77,6
9.) Jonas Frey – 77,4
9.) Chris Gack – 77,4
9.) Sven Bake – 77,4
Die Themen des Turniers im Überblick:
R1: Infotext: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt wie die Arbeitsverträge für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zeitlich befristet werden können. Danach kann solches Personal bis zu einer Maximaldauer von 6 Jahren befristet eingestellt werden. In der aktuellen Praxis werden Arbeitnehmende bis zu dieser Dauer von 6 Jahren in sog. Kettenarbeitsverträgen beschäftigt. D.h. nach Auslaufen des ersten Arbeitsvertrages gilt ein zweiter Arbeitsvertrag, ein dritter usw. Im Durchschnitt haben diese befristeten Arbeitsverträge eine Dauer von 18 Monaten. Nach einer Promotion kann die ehemalige Doktorand*in erneut bis zu 6 Jahre befristet eingestellt werden
DH bereut diese aktuelle Praxis der Maximalbeschäftigungsdauer und Befristung in der Wissenschaft.
R2: Infotext: Die Zivilehe ist eine rechtliche Fürsorge- und Verantwortungsgemeinschaft die über die verbindliche Zustimmung beider Personen zum Eheschluss erfolgt. Konsequenz der Ehe ist primär die Einstandspflicht für die Ehepartner*in bspw. im Falle von Krankheit. Es besteht zwischen den Ehegatten die Pflicht zur Leistung von angemessenem Unterhalt. Ferner erhalten verheiratete Paare (leider wird hier häufig noch bei gleichgeschlechtlichen Paaren diskriminiert) das Sorgerecht über die in ihrem Haushalt lebenden Kinder, es wird die Anerkennung der Vaterschaft „automatisiert“ und Stiefkindadoption möglich. Es erfolgen im Falle des Todes eines der Ehegatten Ausgleichsregelungen im Falle der Erbschaft und der Rente (sog. Witwen-/Witwerrente). Steuerlich ist eine gemeinsame Veranlagung mit wirtschaftlichen Vorteilen für das Paar (insgesamt) möglich (sog. Ehegattensplitting) und es ergeben sich in verschiedenen Bereichen Freibeträge für Ehegatten (zB Schenkungssteuer, Wegfall der Grunderwerbssteuer). Ähnliche Vorteile (zB durch Familienversicherung) ergeben sich auch im Sozialversicherungsrecht. Das Konzept der Ehe für Niemanden schafft dieses Konstrukt ab und ersetzt es durch die gewöhnliche Partnerschaft ohne das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen. Religöse Ehen, die ohne rechtliche Verpflichtungen eingegangen werden, bleiben von dieser Regelung unberührt.
DH bevorzugt das Konzept der Ehe für Niemanden gegenüber dem Status Quo in Deutschland.
R3: Infotext: In Großbritannien entscheidet eine Regierungsbehörde darüber, ob und wenn ja zu welchem festgelegten Preis ein neu zugelassenes Medikament auf dem nationalen Markt verkauft werden darf. Dabei wird der vom Hersteller gewünschte Preis mit dem erwarteten gesundheitlichen Nutzen des Medikamentes verglichen. Dies geschieht NACH und damit zusätzlich zu einer bestandenen Sicherheits- und Wirksamkeitsüberprüfung anhand von Phase 0-III Studien durch eine Arzneimittelzulassungsbehörde wie der FDA oder EMA. In den USA dürfen dagegen neue Medikamente nach Zulassung durch die FDA zu jedem vom Hersteller gewünschten Preis verkauft werden.
DHG die USA sollten eine Preisregulierung nach britischem Vorbild für den Verkauf von Arzneimitteln einführen.
R4: Thailand ist ein südostasiatisches Land mittleren Einkommens (kaufkraftbereinigtes Pro-Kopf-BIP von etwa 19.000 USD) und ca. 70 Millionen Einwohnern. In der Metropolregion seiner Hauptstadt Bangkok leben aktuell rund 15 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Die nächstgrößte Stadt, Hat Yai im Süden, hat lediglich 157.000 Einwohner. Damit ist Bangkok unbestritten die größte Stadt des Landes und das Zentrum seiner wirtschaftlichen und kulturellen Aktivität. Diese Bangkok-zentrische Struktur wurde durch die Politik der thailändischen Regierung in den 90ern (u.a. durch massive Investments in Infrastruktur und Bildung sowie Anreize für FDI) geschaffen. Im Kontext dieser Debatte bedeutet „polyzentrische Struktur“, dass mehrere Städte eine große Einwohnerzahl sowie vergleichbar hohe wirtschaftliche und kulturelle Aktivität aufweisen.
DHG Thailand hätte eine polyzentrische Struktur anstelle der Bangkok-zentrischen Struktur anstreben sollen.
R5: DHG ehemals kolonialisierte Staaten sollten bei der Gestaltung ihrer nationalen Identität prä-koloniale Geschichte und Kultur gegenüber Themen des anti-kolonialen Widerstands bevorzugen.
Halbfinals: Infotext: Für den Zweck dieser Debatte enthält der Begriff „strategische Schlüsselindustrien“ folgende Branchen und Kerntechnologien: Halbleiter und KI, Biotechnologie und Pharmabranche, Telekommunikation.
DH bevorzugt die weitgehende Verlagerung von US-Produktionsstätten strategischer Schlüsselindustrien aus China nach Lateinamerika gegenüber dem Status Quo.
Finale: Infotext: Die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin fand am 12.02.23 statt und führte zu folgendem Ergebnis: SPD 18,4%; CDU 28,2%; Grüne 18,4%; Linke 12,2%; AfD 9,1%; FDP 4,6%. Die SPD landete mit 53 Stimmen knapp vor den Grünen. Ende Februar wurden sowohl Sondierungsgespräche zwischen den Spitzen von Rot-Grün-Rot als auch zwischen SPD und CDU geführt.
Es ist Ende Februar 2023. DH, als SPD Berlin, würde die Rot-Grün-Rote Koalition fortsetzen, anstatt in eine Große Koalition unter Führung der CDU einzutreten.
hb.
Vielen Dank nochmal für die Organisation des Turniers, es war wie immer schön in Hamburg. Ich wollte aber noch etwas zu den Themen des Turniers sagen. Schön war, dass es durchaus vielfältige Fragestellungen waren. Ich sehe auch, dass es nicht einfach ist, gute Themen zu finden, und dass hier viel Arbeit investiert wird, wofür ich mich bedanken möchte.
Meines Erachtens waren die Themen aber deutlich zu lang. Das Thema in Runde 2 hat insgesamt 186 Wörter, das ist sogar mehr als das berühmt-berüchtigte Mali-Thema auf der CD Heidelberg 2022. Im Schnitt hatte ein Vorrundenthema 106,2 Wörter. (Rechnet man die Breakrunden mit ein, sind es durchschnittlich 92,7 Wörter.) Ich kann von mir selbst sagen, dass es mir während des Turniers nicht leicht fiel, die Factsheets in ihrer Gänze zu erfassen. Ich vermute, dass ich damit nicht alleine war: In mehreren meiner Debatten wurden (teils erhebliche) Bestandteile des Factsheets überlesen oder missverstanden. Gut, ist man geneigt zu sagen, dann hätten diese Teams das Thema eben genauer lesen müssen. Das greift meines Erachtens aber aus drei Gründen zu kurz.
Erstens ist es ein besonders schlechtes Gefühl, eine Debatte wegen eines missverstandenen Themas zu verlieren. Mit der Tatsache, dass man Debatten wegen fehlenden Wissens verliert, kann sich wohl (fast) jeder abfinden. Hatte man die Informationen aber sogar theoretisch zur Verfügung, ist das besonders frustrierend.
Zweitens ist mein Eindruck, dass es insbesondere für unerfahrene Teams sehr schwer ist, sich in kürzester Zeit einen derart dicht mit Informationen gefüllten Text einzuprägen. Auf Grundlage dieses Textverständnisses müssen aber im Rest der 15 Minuten Vorbereitungszeit auch noch Argumente generiert werden. Je länger und komplexer der Text ist, desto höher ist die Fehleranfälligkeit in einem dieser beiden Schritte, weil schlichtweg die Zeit fehlt, um beides gründlich zu machen.
Drittens finde ich es merkwürdig, dass man sich in der Szene vielfach Gedanken über eine bessere Integration von DaF-Rednern macht, dann aber Themen gestellt werden, deren Verständnis schon für Muttersprachler eine Herausforderung vorstellt. Falls ihr über Grundkenntnisse in einer anderen Sprache verfügt, könnt ihr euch ja mal überlegen, bei wie vielen Runden des Turniers ihr das Thema in der Fremdsprache auf debattentauglichem Niveau verstanden hättet.
Mein Vorschlag wäre daher, wieder zu kürzeren bzw. leichter verständlichen Factsheets zurückzukehren. Falls das nicht bei jeder Runde klappt, sollte aber wenigstens darauf geachtet werden, dass sich die langen Factsheets nicht häufen, so wie es auf diesem Turnier der Fall war. Auf der DDM hat man für das 112 Wörter lange Thema von Vorrunde 4 allen zwei Minuten Verständniszeit gegeben. Auch das könnte eine für die Zukunft erwägenswerte Option sein, wobei es natürlich die Regel von 15 Minuten Vorbereitungszeit aufweicht.
(Falls jemand mehr zu den Vor- und Nachteilen von Factsheets lesen möchte, gab es dazu vor einiger Zeit ein gutes Mittwochsfeature von Sven Jentzsch: https://www.achteminute.de/20221123/factsheets-das-kleingedruckte-des-debattierens-abschaffen/).