Mein erstes Turnier – Zwei Tage nach dem Blackout
Wie ist es denn eigentlich, auf ein erstes Turnier zu fahren? Davon berichten regelmäßig angehende Debattantinnen und Debattanten in unserer Reihe „Mein erstes Turnier“. Diesmal berichtet uns Alexander Schumann von seinem ersten Turnier – das er bereits nach zwei Debattenabenden besucht hat.
Ein Blackout, während die Augen zahlreicher fremder Menschen auf dich gerichtet sind. Kannst du dir etwas Schlimmeres vorstellen? Naja, wie wäre es mit eben jenem Blackout zwei Tage vor deinem ersten Debattierturnier?
Dieses Abenteuer hat seinen Anfang in der ausgesprochen jungen Vergangenheit des vorletzten Wochenendes. Meine Freundin Thérèse setzte mich darüber in Kenntnis, dass jemand aus ihrem Debattierteam unerwartet ausgefallen sei, mit dem sie in ca. zwei Wochen am Frischlingscup in Tübingen teilnehmen wollte. Ohne weiter darüber nachzudenken, bot ich an, einzuspringen.
Einige Tage später hielt ich meine erste Rede im Debattierclub Saar. Ich wurde sehr herzlich empfangen und ging mit hilfreichem Feedback, einem guten Gefühl, vor allem aber einer durchwegs positiven ersten Debattiererfahrung aus der Stadtbibliothek, wo wir debattiert hatten.
Es folgte eine zweite Woche und damit mein zweiter Debattenabend, bei dem ich auch Frederic kennenlernte, das dritte Mitglied unseres Debattier-Trios, den “trois Saarcassins”(Wortspiel aus trois marcassins, was übersetzt die drei Frischlinge heißt, und dem Wort Saar).
Der Abend kam, die Menschen waren abermals nett und das Thema gefiel mir auch. Alles lief zunächst ganz gut. Doch es kam anders.
An dieser Stelle sollte erwähnt sein, dass ich ein sehr nervöser Typ bin und mich in unbekannten Situationen schnell unwohl fühle. Und so war mein Tagesziel eigentlich, möglichst ruhig zu bleiben und mich dieses Mal darauf zu konzentrieren, meine Nerven in den Griff zu kriegen.
Dann kam mit meiner Eröffnungsrede der Blackout. Eine Ersterfahrung. Nie zuvor hat sich mein Kopf so leer angefühlt. Aber dann geschah etwas Wundervolles: Ich blickte in freundliche, lächelnde Gesichter. Die Opposition begann, mir Fragen zu stellen, nicht etwa, um mich aus dem Konzept zu bringen, sondern um mich in einen Redefluss zu leiten. Auch Frederic schloss sich dem an, obwohl Fragen aus dem eigenen Team ja eigentlich nicht gestattet sind. Ich brachte also meine Rede über die Bühne und hatte eine tolle Restdebatte, nach welcher ich abermals hilfreiches Feedback und viel Zuspruch erhielt.
Am nächsten Tag war es dann auch schon so weit und wir machten uns auf nach Tübingen, zum Frischlingscup. Ich war sehr nervös, aber die Stimmung auf der Anreise war toll. Es wurde gemeinsam “Fred Ferkel” genascht, was im Laufe des Turniers zu einer Art Running Gag wurde. Und so gesellte sich auch Vorfreude zu meiner unruhigen Unsicherheit.
Am nächsten Morgen betraten wir dann die Hallen der Tübinger Universität und ich war sofort angenehm überrascht von der tollen Stimmung, die den Raum erfüllte, als wir alle zusammen unser Frühstück einnahmen. Es fühlte sich absolut nicht wie die ausschließlich kompetitive Atmosphäre an, die ich erwartet hatte. Die Teilnehmer*innen lachten und unterhielten sich, während sie gemeinsam frühstückten, und es war sehr harmonisch.
Und dann war es soweit. Es ging los. Und es ging schnell. Ehe ich mich versah, saß ich in meiner ersten Debatte auf einem Turnier.
Nachdem die Reden gehalten waren, warteten alle Redner*innen, einschließlich mir, gemeinsam vor der Tür, während die Juror*innen bewerteten und das Feedback vorbereiteten. Ich kann gar nicht genug betonen, wie offen und herzlich sich alle begegneten. Wir tauschten uns aus und ich lernte viele neue Menschen kennen. Und nicht nur der Austausch mit den anderen Redner*innen, sondern auch mit den Juror*innen war positiv und aufschlussreich. Es schien ihnen wirklich am Herzen zu liegen, uns nicht nur fair zu bewerten, sondern uns mittels konstruktiven Feedbacks auch eine Möglichkeit zur Steigerung mitzugeben. Wir gewannen die erste Debatte und ich war stolz auf unser Team.
Die zweite Debatte lief genauso erfreulich und lehrreich ab, obwohl uns der Sieg dieses Mal nur um Haaresbreite gelang. Nach einer sehr erholsamen und nahrhaften Mittagspause, in der wir von den Veranstaltern mit leckerem Essen versorgt wurden, stand nun die nächste große Hürde an. Meine erste fraktionsfreie Rede. Es ist eine Rede, die man ohne das eigene Team hält. Ich hatte Herzrasen bei dem Gedanken, meine erste freie Rede direkt auf einem Turnier zu halten, ohne meine Freunde an meiner Seite, in einem Raum voller fremder Menschen.
Aber so war es dann nicht. Meine Mitdebattanten sprachen mir Mut zu und waren so lieb, dass ich mich tatsächlich ziemlich entspannte. Ich hielt meine beste Rede bisher und erhielt viele Komplimente. Ich war zufrieden und bereit, mit dieser wundervollen letzten Debattiererfahrung des Turnieres den Rest des Abends mit meinem Team und all den neuen Bekanntschaften, die ich gemacht hatte, als Zuschauerinnen und Zuschauer des Finales ausklingen zu lassen. Nach dem Abendessen wurde es schließlich Zeit für die Verkündung der Teams, die das Finale bestreiten würden.
Ich kann immer noch nicht glauben, was dann passiert ist. Mein Team konnte es ebenfalls nicht fassen. Wir hatten es tatsächlich als erstplatziertes Team ins Finale geschafft. Es war wie im Film. Die Schockstarre wich schnell dem Jubel und unser Mentor Lennart umarmte uns stolz. Ich werde niemals den Gesichtsausdruck meiner Freundin vergessen, als dann auch noch mein Name als bester Redner der Vorrunden verlesen wurde.
Und dann ging alles so schnell, dass ich eigentlich keinerlei Erinnerungen mehr an die folgenden Minuten habe. Wir rannten in einen Raum und bereiteten uns auf das Finale vor.
Die 15 Minuten vergingen wie im Flug und so betraten wir den Ankündigungsraum, in dem wir vor Menschen, die mir überhaupt nicht mehr fremd schienen, das Finale gegen die BDU Goldbären aus Berlin bestreiten würden. Aber noch bevor ich in die Gesichter des Publikums, der Juror*innen oder des Gegnerteams blicken konnte, standen plötzlich Lennart und Florian, mit denen wir angereist waren, außer Atem und mit einer Tüte “Fred Ferkel” in der Hand vor uns, die sie joggend aus einem Supermarkt besorgt hatten, um sie uns rechtzeitig vor Finalbeginn überreichen zu können. Ich war sehr gerührt.
Ich mache es kurz: Wir gaben unser Bestes, aber die Goldbären aus Berlin gewannen verdient. Vor allem die Eröffnungsrede von Andi beeindruckte mich auf Anhieb. Aber es war leicht, die Nerven zu behalten, da ich wusste, dass ich mich auf Frederic als kompetenten Eröffnungs- und Zwischenredner verlassen konnte, der Thérèse und mir stets den Rücken freihielt. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass Thérèse, wie auch schon in der ersten und zweiten Vorrunde eine hervorragende Schlussrede hielt, in der sie das Publikum mit Weinschorle- und Nudelanalogien begeisterte. Es gab eine wunderschöne Siegerehrung mit sympathischen Gewinnern aus Berlin und wir gingen alle gemeinsam in den Tübinger Ratskeller, um den Abend gebührend ausklingen zu lassen. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank und Bewunderung für die Veranstalter*innen aussprechen, deren Engagement diese unvergessliche Erfahrung erst ermöglicht haben.
Es war eines der schönsten Wochenenden meines Lebens und ich kann bloß jedem empfehlen, der mit einem Turnierbesuch liebäugelt: Gib dir einen Ruck und probier‘ es aus! Auch wenn es vielleicht beängstigend wirkt, vor fremden Menschen zu reden. Auch wenn du glaubst, zur Nervosität zu neigen. So ging es mir schließlich auch und ich könnte es nicht weniger bereuen!
Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Alexander Schumann studiert Umweltingenieurswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken. Zuvor studierte er dort Praktische Informatik in Kooperation mit der AG der Dillinger Hüttenwerke. Seit Anfang 2023 debattiert er beim Debattierclub Saar e.V..
Alexander Schumann/lok.