„Kommunikation mit der Teampartnerin und Unterstützung durch Freunde sind am wichtigsten“ – Marina Kojić und Paula Breyer im Interview über die WUDC 2023
Marina Kojić und Paula Breyer vom DK Wien haben als erstes Team aus dem deutschsprachigen Raum seit 2014 die World Universities Debating Championships (WUDC) in der Kategorie English as a Second Language (ESL) gewonnen. Im Interview mit der Achten Minute sprechen sie über die Besonderheiten einer Weltmeisterschaft, wie sie sich auf das Turnier vorbereitet haben, und warum Kommunikation mit Teampartnerin und Freunden aus ihrer Sicht der wichtigste Faktor für Erfolg ist.
Achte Minute (AM): Hallo Marina, hallo Paula, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Erfolg! Für diejenigen, die euch nicht kennen: Könntet ihr euch einmal kurz vorstellen?
Marina Kojić (MK): Danke! Ja, Marina Kojić, ich bin 26 und studiere Medizin in Wien. (lacht) Bis ich mich dafür entschieden habe, habe ich aber ein paar Mal das Studium gewechselt. Ich debattiere aktiv seit Ende 2018 Anfang 2019, aber viele der älteren Semester kennen mich noch vom OrgCom (Organization Committee, Anm. d. Red.) der EUDC in Wien 2015, für die mich Jakob Reiter (ehemaliger Wiener Debattierer, Anm. d. Red.) angeworben hat. So habe ich vor meiner ersten Debatte erstmal vier Jahre Turniere organisiert.
AM: Was hat dich dann zum Wechsel ins aktive Debattieren bewogen?
MK: Ich war im OrgCom der Novi Sad EUDC 2018 und deswegen in Serbien, meine beste Freundin hat auf dem Weg zu ihrer Familie einen Zwischenstopp dort eingelegt und ein paar Debatten gesehen, und dann haben wir uns gemeinsam gedacht: Lass das doch als neues Hobby mal ausprobieren.
AM: Das war aber noch nicht Paula, oder?
Paula Breyer (PB): Nein, das war wer anderes (lacht), aber auch blond mit Brille. Ich debattiere seit Ende 2019, Mitte 2020 eher aktiv, also erst während Corona so richtig aktiv geworden. Parallel studiere ich Volkswirtschaft an der WU in Wien. Das war jetzt meine erste Worlds, mein zweites major tournament insgesamt, und ich war auch schon auf ein paar deutschen Turnieren.
AM: Ihr wart ja das erste Team aus dem deutschsprachigen Raum, das es seit 2014 bei Worlds zu einem derartigen Erfolg gebracht hat. Habt ihr damit gerechnet, dass es so weit kommt?
PB: Das Ziel war immer so der Break, und für danach dachten wir „Mal schauen wie weit wir so kommen“.
MK: Ja, für mich war das Ziel auch der Break. Auch wenn die Erwartungen für mich noch etwas höher waren, weil Miri (Muntean, Anm. d. Red.) und ich 2021 ja Vizeueropameisterinnen geworden sind in ESL und 2022 im Open Semi Final waren. Paula und ich hatten an drei Prep-Turnieren und fünf insgesamt gemeinsam teilgenommen und hatten daher ein gutes Gefühl, aber neue Teampartnerinnen und neun Runden am Stück ist natürlich nochmal was ganz Anderes als nur ein Wochenende.
PB: Da geht’s wirklich auch nochmal mehr um die Teamdynamik.
MK: Also den Break haben wir anvisiert, aber so ab Runde 3 hat mich auch die Worlds Flu – kein Corona, aber das, was jetzt alle anderen auch haben – erwischt, und dadurch war es dann ein enorm harter Kampf. Wir dachten stellenweise echt „hoffentlich klappt das“.
PB: Aber ab dem Moment, in dem wir gebreakt sind, war es schon ein Gedanke im Hinterkopf „hey, wir könnten das gewinnen“. In den Outrounds war ich dann krank, da war der Gedanke auch nicht mehr so präsent.
AM: Wie verlief es denn insgesamt? Ihr habt die Worlds Flu angesprochen, aber was gab es sonst noch?
MK: Wir haben fast nur erste und vierte Plätze gemacht, was auch unsere Teamdynamik widergespiegelt hat – ich bin die Strategin, Paula ist die Mech-Maschine. Wenn ich sage „das ist der richtige Case“, dann produziert Paula fünf Argumente, warum das wahr ist. Daran hat man gemerkt, dass es das gute Zusammenspiel zwischen uns beiden braucht, und je nachdem ob das geklappt hat, gab es dann den ersten oder vierten Platz. Das nagt auch psychisch an einem.
PB: Ja das ist eine riesige Anstrengung, wenn man im Kopf immer mitzählt. Das Interessanteste für mich war nach Runde 5, da hatten wir einen vierten und einen dritten gemacht und ich dachte mir schon „jetzt müssen wir ordentlich absahnen“. Da war Mittagspause, und ich bin einmal im Hof herumgegangen und hab mich von anderen Leuten so richtig aufhypen lassen, hab mit ein paar Bulgaren, ein paar Niederländern geredet, und das hat mich enorm beruhigt. Diese soziale Dynamik bei Worlds, mit der man sich gegenseitig über Wasser hält, auch wenn man nicht im gleichen Team ist, das war für mich so das Wichtigste auf dem Turnier.
MK: Ja die Unterstützung aus den ganzen befreundeten Clubs, und auch im Team. Paula hat mich mit Juice Boxes gerettet, und ich musste ihr schon dauernd sagen „geh zu den Socials, hab Spaß, sei nur um 12 im Bett.“
PB: (lacht) Die hatten wir aber schon auf der SDM, die Sperrstunde.
AM: Wie waren die Socials allgemein?
PB: Das hat ein bisschen variiert, die beiden großen Socials, die Break Night und die Finals Night; das war super, mit den ganzen Freunden feiern zu können. Sonst hat man sich viel im Hotel getroffen, geredet, Mario Kart gespielt.
MK: Neujahr ist in slawischen Ländern, besonders Serbien, ein recht großer Feiertag, an dem man Geschenke austauscht und mit der Familie zusammenkommt. WUDC ist da etwa, wie wenn man als Deutscher oder Österreicher an Weihnachten nicht daheim ist. Wir haben uns deswegen mit unseren Freunden aus Wien, den Niederlanden, Bulgarien, Kroatien, usw. zusammengetan und gewichtelt, und am 31. vor der Break Night Geschenke ausgetauscht, und jeder hat aus seinem Land Snacks, Getränke und Ähnliches mitgebracht, das war schön. Das hat auch die Zeit zum Break sehr verkürzt.
AM: Man hört schon heraus, dass ein toller Aspekt von Worlds die Menschen und die internationale Atmosphäre sind. Für diejenigen, die noch nicht auf einem internationalen Turnier waren: Was würdet Ihr sagen, was internationale Turniere sonst ausmacht, gerade im Vergleich zu deutschsprachigen Turnieren? Gibt es Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Bemerkenswertes?
MK: Zwei Dinge würde ich sagen. Erstens: Alle Sorgen, die man vielleicht als deutschsprachiger Debattierer hat, haben alle anderen auch. Die Serben haben vorher nur auf Serbisch debattiert, die Niederländer teilweise nur auf Niederländisch. Und zweitens: Es gibt sehr viele Leute, die ihre Erstis mitbringen und die wollen, dass ihre Erstis Spaß haben, socializen, und deswegen andersherum auch viel offener sind, mit Erstis aus anderen Ländern zu reden. Sogar noch stärker als im deutschsprachigen Raum.
PB: Da kann ich mich nur anschließen, im englischsprachigen Raum ist der Durchlauf wegen der kürzeren Studienzeit auch viel stärker. Du hast jedes Jahr enorm viele Erstis, die alle etwas nerdig sind, die super lieb sind, die ein neues Hobby haben, und die deswegen einfach sehr gerne mit anderen Menschen reden. Wichtig ist einfach, etwas offen zu sein, nach den Runden miteinander zu reden, und man findet ganz schnell neue Freunde von überall her.
AM: Ok, aber nun die Frage, die alle interessiert: Wie kann man euch nacheifern und Worlds das nächste Jahr gewinnen?
MK: Sehr viel Verständnis für einander und sehr offene (Meta-)Kommunikation über die eigenen Erwartungen und die Teamdynamik. Wie reden wir miteinander?
Was sind unsere Bedürfnisse? Zum Beispiel, wenn Paula unsicher bezüglich ihrer eigenen Performance ist, dann werde ich eher wütend. Das ist aber nicht, was ihr in diesem Moment weiterhilft, sie braucht jemanden, der sie hypet. Dessen musste ich mir bewusst sein, und wir haben da irgendwann einfach mal offen und ehrlich darüber geredet. Das ist wichtig. Und das zweite, was man braucht, ist Übung, Übung, Übung.
PB: Genau, gemeinsam Üben, auf Turniere fahren, Sparring mit Menschen aus anderen Clubs, um Erfahrung zu sammeln. Das andere ist: Es sind mindestens neun Runden. Man ist hungrig, man hat wenig Schlaf, ist vielleicht krank. Das ist sehr viel Druck, der auf einem lastet, und dafür braucht man den passenden Teampartner, der das mit einem aushält.
MK: Wie Milos (Marjanovic, bekannter serbischer Debattierer, Anm. d. Red.) mal gesagt hat: Worlds und Euros sind ein Marathon. Man braucht die physiologische Basis, Essen, Trinken, Schlaf, Gesundheit. Die meisten Teams knocken sich da selbst aus.
AM: Habt ihr spezielle Übungen gemacht?
MK: Es war eine spezielle Situation, weil Paula ein halbes Jahr in Edinburgh im Auslandssemester war. Das war die beste Vorbereitung, weil man Einblick in eine komplett andere Debattierwelt bekommen hat. Ich selbst habe sehr viel juriert, und insbesondere auf Turnieren außerhalb meines Circuits, um andere Stile kennenzulernen. Ein türkisches Turnier, eins mit vielen Debattierern aus Afrika. Und viele Turniere, auf denen andere gute Teams waren. So versteht man, wie andere debattieren, und schult auch das eigene Gehör.
PB: Man muss sich auch bewusst sein, welche Rolle man einnimmt. Marina hat sich beim Training auf Strategie fokussiert, da hilft Jurieren, und ich eben auf Mechanisierung, da hilft es, Mechanisierungen anderer Teams einzusammeln.
AM: Also hast du, Paula, zuerst geredet und du als zweite, Marina?
PB: Genau.
AM: Und jetzt? Was sind eure nächsten Pläne?
PB: Also ich mache jetzt erstmal ein paar Turniere mit Freunden. Ich habe da eine lange Liste mit Turnierpartner:innen, und Debattieren soll für mich vor allem Spaß machen. Dass ich coole Cases fahren kann, mit Leuten quatschen kann, das plane ich als Nächstes. Euros sind auch noch ein Plan, aber da möchte ich den Schwerpunkt auf Nachwuchsentwicklung bei uns im Club setzen.
MK: Ich werde erstmal ein paar Turniere chefjurieren – unter anderem das Vienna IV 2023, kommt da unbedingt hin! 12.-15. Mai 2023, das kompetitivste Turnier in Europa. Euros sind noch ein Fragezeichen, nach ESL Finals und Semis kann ich nur versuchen, es zu gewinnen, es zu ProAmen oder es zu jurieren, das entscheide ich noch.
AM: Gibt es zum Abschluss noch etwas, das Ihr unseren Leserinnen und Lesern mitgeben wollt?
PB: Ich würde mich freuen, mehr Teams aus dem VDCH-Raum auf internationalen Turnieren zu sehen. Es ist einfach so schön, diese zusätzliche Perspektive zu erleben, und ich finde das unglaublich bereichernd.
MK: Ja, gerade als eine Wiener Generation, die in beiden Kreisen sehr aktiv ist, wäre es cool, die beiden Szenen zusammenwachsen zu sehen. Ich kenne mittlerweile mindestens drei Debattierer, die in Deutschland ein Austauschsemester gemacht haben und gemerkt haben „oh hier gibt es auch Clubs“. Diese Brücken schafft man viel stärker, wenn wir da mehr Austausch haben. Ich würde mich echt freuen, viele Teams z.B. beim Vienna IV, aber auch bei Turnieren in den Niederlanden zu sehen. Oder beim Champagne IV Ende April in Reims. Die sind nah dran und machen sehr viel Spaß! Wir haben auch weiterhin die Open Spars online, wo Leute, die keine englische Debatte im Club haben, jede Woche debattieren können.
AM: Alles klar – vielen Dank für eure Zeit und das Gespräch!
Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
jgg.