Erläuterung zur Schlussreden-Regelung für die Opposition
Uns haben seit der Veröffentlichung unseres Jurierleitfadens eine Reihe von Rückfragen zur Regelung zu Schlussreden der Opposition erreicht. Um etwaige weiterhin bestehende Unklarheiten zu beseitigen, veröffentlichen wir hier eine Reihe kurzer Erläuterungen. Über diese Erläuterungen hinaus wird sich auch der Juriertest für die DDM (und dessen Erläuterung vor Beginn der Vorrunden) unter Anderem mit diesem Thema auseinandersetzen und weitere Klarheit verschaffen.
- Was genau darf ich jetzt in der Oppositionsschlussrede sagen und was nicht?
Grundsätzlich orientieren sich die BPS-Regeln bezüglich der Schlussreden an dem Gebot der Fairness. Damit keine substantielle inhaltliche Erweiterung in die Debatte eingebracht werden kann, ohne das die Gegenseite die Möglichkeit hat, darauf zu reagieren, sind solche substantiellen Erweiterungen in Schlussreden verboten bzw. werden zum Zwecke der Bewertung ignoriert. Zu diesen Erweiterungen können auch bestimmte Formen des Rebuttals gehören, weshalb für die Schlussrede der Opposition solches Rebuttal verboten ist. Der Schlussrede der Regierung kann es nicht verboten werden, da sie auf die Erweiterung der Opposition reagieren muss (s. 2.)
An und für sich gilt die Faustregel: Wenn die Oppositionsschlussrede Material in die Debatte bringt, das auch selber allein eine gute inhaltliche Erweiterung der Debatte hätte sein können, ist es vermutlich nicht zulässig. Wenn das Material der Oppositionsschlussrede hingegen darlegt, wie und warum die inhaltliche Erweiterung aus der Extension-Rede die Debatte gewinnt, ist es vermutlich zulässig.
Das heißt, erlaubt sind z.B.:
- Zu erklären, warum die gegnerischen Argumente vergleichsweise schwächer sind als die eigenen. Im Zuge dieser Abwägung kann erklärt werden, warum die eigenen Argumente vollständiger, relevanter, konsistenter, etc. sind.
- Zu erklären, inwiefern interne logische Widersprüche zwischen verschiedenen gegnerischen Argumenten oder gegensätzliche Argumente von Opposition und Regierung diese Abwägung beeinflussen.
- Einen Maßstab (‚Metrik‘) in die Debatte einzuführen und auf dessen Basis Argumente gegeneinander abzuwägen.
- Das Argument der eigenen Extension-Rede zu rekonstruieren, z.B., indem man auf das gegnerische Rebuttal eingeht oder kleinere Lücken oder Probleme des Arguments ausbessert.
- Die Debatte neu zu framen, indem der Kontext der Argumente klar gemacht und daraus die Relevanz der Argumente abgeleitet wird.
Nicht erlaubt hingegen sind z.B.:
- Neue Argumentation vorzutragen, warum die eigene Seite gut ist.
- Neue Argumentation vorzutragen, warum die gegnerische Seite (oder ihre Argumentation) schlecht ist.
- Wurfkrokodile einzusetzen (selbst wenn die Krokodile vorher ihr Einverständnis erklärt haben).
- Ein bestehendes Argument darüber, warum die eigene Seite gut oder die gegnerische Seite schlecht ist, so substanziell mit neuen Impacts oder Mechanismen zu erweitern und auszubauen, dass es klar von der Extension-Rede abweicht.
Dies ist keine erschöpfende Liste und es gibt eine Vielzahl an Fällen, die im Graubereich zwischen diesen Kategorien liegen. Im Zweifelsfall muss die Jury auf Basis des Leitfadens entscheiden, was in die Bewertung einfließt und was nicht. Sie soll sich dabei an der o.g. Faustregel und dem zugrundeliegenden Gedanken der Fairness orientieren.
- Warum darf die Regierungsschlussrede trotzdem neues Rebuttal bringen?
Wenn wir der Regierungsschlussrede kein Rebuttal erlauben würden, könnte niemand auf die schließende Opposition antworten. Das wäre ein größeres Problem als die leichte Asymmetrie zwischen Regierungs – und Oppositionsschlussreden durch die neue Regelung. Darüber hinaus wird es durch andere Faktoren (z.B. weniger Möglichkeit, in der Extension-Rede zu reagieren) zumindest mitigiert.
- Warum habt ihr die Regelung geändert?
Wir glauben, dass die neue Regelung weitgehend den Status Quo der Jurier-Best-Practice abbildet. Es ist allerdings für alle Beteiligten frustrierend, wenn Unklarheit bezüglich der Bewertungsmaßstäbe besteht. Deshalb ist es unser Ziel, diese Unklarheit zu minimieren.
Fälle, in denen die Oppositionsschlussrede neue Argumentation unter dem Label ‚Rebuttal‘ in die Debatte einbrachte, sind vor allem für die Schließende Regierung frustrierend und unfair. Cleveres Labeling ist natürlich eine Debattierleistung, soll aber nicht dazu missbraucht werden, die Limitationen der Oppositionsschlussrede zu sprengen und damit die Gebote der Fairness zu verletzen.
- Sind Oppositionsschlussreden dann nicht zu schwach?
Da die neue Regelung an der guten Jurierpraxis wenig ändert, kann sie ohnehin nicht signifikant die Oppositionsschlussrede schwächen. Doch auch davon abgesehen sind debattenentscheidende Beiträge von Seiten der Oppositionsschlussrede praktisch immer strategischer Natur und befassen sich mit Framing, Abwägung, Einordnung und Rekonstruktion der eigenen Erweiterung. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man z.B. auf YouTube verfügbare hochqualitative Debatten anguckt. Je mehr sich Schlussredner*innen darauf konzentrieren zu tun, was ihre Position einzigartig macht und von ihnen verlangt, desto erfolgreicher werden sie sein und desto bessere Debatten werden wir hören.
Wir haben keine belastbaren Daten dazu vorliegen, wie die Gewinnchancen der verschiedenen Positionen aussehen. Unser Eindruck ist aber, dass die Schließende Opposition auf keinen Fall zu schwach war und ist.
- Aber verwirrt die neue Regelung nicht Viele und öffnet Missverständnissen Tür und Tor?
Weder das Format selbst noch seine Jurierpraxis sind jemals sicher vor Missverständnissen und Fehlern. Wir haben unser Bestes getan, mit dem Leitfaden Redner*innen und Jurierenden einen Überblick über das Format zu geben und größtmögliche Klarheit herzustellen. Wir werden im Vorfeld und im Verlauf der DDM ein Auge darauf haben, ob Missverständnisse auftreten und werden versuchen, sie auszuräumen. Der vorliegende Text ist Teil dieser Bemühung und hat hoffentlich zur Klärung der Regelung beigetragen.
Die Chefjury der DDM 2020: Anton Leicht, Jakobus Jaspersen, Miri Muntean
Was sind denn bitte Wurfkrokodile?