Ink-Debates – wie es sich anfühlt, Argumente niederzuschreiben statt Reden zu halten
Im heutigen Mittwochs-Feature stellt Pegah Maham eine etwas andere Form des Debattierens vor.
Wie einige von euch mitbekommen haben, habe ich Ende Februar einen Aufruf in der vdch-Teampartnerbörse auf Facebook gestartet. Unzufrieden mit meinem schriftlichen Ausdrucksvermögen, wollte ich die Stärke des Debattierens nutzen, um diese Fähigkeit spielerisch zu verbessern. Dazu habe ich mir ein Konzept überlegt, wie man einen schriftlichen Argumentationsschlagabtausch realisieren kann. Herausgekommen sind: die Ink-Debates. An den darauffolgenden Tagen, als auch aktuell, fanden und finden die ersten Ink-Debates statt:
In diesem Artikel möchte ich die Regeln und den Ablauf erklären, Vorteile herausstellen, TeilnehmerInnen zu ihren Erfahrungen zu Wort kommen lassen und euch einladen, mitzumachen.
Der Ablauf
Ink-Debates finden in einem virtuellen Debattenraum statt. Dazu wurden bislang Google-Drive Ordner genutzt, aktuell wird an einer Online-Plattform für Ink-Debates programmiert.
In dem Format werden insgesamt vier Texte verfasst – in den Rollen der Eröffnenden Regierung, der Eröffnenden Opposition, der Schließenden Regierung und der Schließenden Opposition. Diese Positionen können von Einzelpersonen oder auch Teams besetzt sein.
Die Positionen erhalten 45 Minuten Zeit um das Thema zu lesen, Ideen zu entwickeln und diese auszuformulieren. Für jeden vorangegangenen Text erhöht sich diese Zeit um weitere fünf Minuten. Das Wortlimit ist bei 600 Wörtern pro Text gesetzt, darf aber aktuell noch überschritten werden. Sobald eine Position fertig ist, wird der nachfolgenden Position Bescheid gegeben und diese kann anfangen, sobald sie Zeit hat. Insgesamt ist man zeitlich sehr flexibel. Kommt etwas dazwischen, kann das nachfolgende Team vorrücken oder die Debatte verschiebt sich einfach etwas nach hinten. Das Thema erfährt man allerdings immer erst in dem Moment, ab dem die Zeit läuft.
Die fertigen Texte werden dann (gegebenenfalls anonym) an die JurorInnen weitergeleitet, die ein Ranking fällen und dieses begründen. In einigen Fällen, haben JurorInnen die Möglichkeit genutzt Feedback direkt an die Texte zu schreiben.
Die Vorteile
Nachdem die ersten Ink-Debates gelaufen waren, traten immer mehr Vorzüge hervor. Ink-Debates helfen nicht nur den eigenen Schreibprozess zu trainieren, sie sind auch eine effektive Übung für das verbale Debattieren und Jurieren, da man seine Gedanken klar strukturieren muss. Die Argumente sind schriftlich festgehalten und so lassen sich Jurierentscheidungen gut nachvollziehen. (Die entstehenden schriftlichen Debatten eignen sich hervorragend für Jurierworkshops.)
Viele meiner FreundInnen, die nicht debattieren, begründen das damit, dass sie es zu unangenehm finden, vor einer Gruppe von Menschen zu reden. Ink-Debates ermöglichen es dieser Gruppe, kompetitiv zu argumentieren. Man kann Ink-Debates natürlich auch auf Englisch führen, um so seine Sprachfähigkeiten zu trainieren. Es haben sich bereits viele Interessenten dafür gefunden.
Ink-Debates sind auch eine tolle Möglichkeit, seinem Hobby nachzugehen, wenn man an Orten ohne Debattierclub lebt und das Debattieren vermisst. Wir hatten TeilnehmerInnen aus den verschiedensten Ecken Deutschlands, aber auch aus Jerusalem, Salzburg, London oder Zürich. Einige Eindrücke der TeilnehmerInnen sind im nächste Abschnitt gesammelt.
Eindrücke
“Es hat mir echt Spaß gemacht, wäre in Zukunft wieder dabei!” (Marius Hobbhahn, Tübingen)
“Es trainiert eine total wichtige Fähigkeit!” (Anna Berg, Potsdam)
“Die Stunde war schneller vorbei als erwartet! Und tatsächlich nicht viel entspannter als eine wirkliche Debatte. Ich hatte nämlich erwartet, dass es doch recht locker machbar wäre, in dieser Zeit. Aber unentspannt ist hier ein positives Synonym für sportlich!” (Markus Baldermann, Heidelberg)
“Was für mich einen großen Unterschied macht: Ich konnte nochmal überarbeiten, was ich geschrieben habe. Ob das meinen Case verbessert oder verschlechtert hat, kann ich nicht sagen Hat jedenfalls Spaß gemacht.” (Christian Ennsgraber, Salzburg)
“Ich bin ziemlich angefixt. Ich denke, es ist auch eine gute Strukturübung fürs herkömmliche Debattieren” (Jonathan Scholbach, Berlin)
“Es ist eine Herausforderung mit einer anderen Person eine gemeinsame Rede zu schreiben. Bei uns sind ab und zu Dopplungen aufgetaucht. Fazit: super cool, gerne wieder!” (Elena Müller und Antonia Scherz, Berlin)
“Das ist ja echt eine super umfangreiche Jurierung! Auch ein deutlicher Pluspunkt des Formats, wie präzise und umfangreich juriert werden kann.” (Fabian Bickel, Berlin)
Apropo Jurierung: Auch die Jurierenden haben Feedback zu ihren Erfahrungen gegeben:
“Cooles Format. Es war erfrischend zu sehen, wie kurz ein gutes Argument sein kann, wenn es ausgeschrieben wurde.” (Philipp Schmidtke, Münster)
“Ich glaube, man kann Ink-Debates deutlich präziser jurieren, was ich gut finde. Außerdem schließt die Jurierung Prominenzeffekte quasi aus der Bewertung aus.” (Sabine Wilke, Siegerin der ersten Ink-Debate, St. Gallen)
Wer nach Lesen dieses Artikels nun selbst einmal mitmachen möchte, oder einfach nur neugierig ist, kann gerne in die Facebookgruppe eintreten. Falls ihr nicht auf Facebook seid, schreibt mir gerne eine Nachricht.
Pegah Maham/jm.
Pegah Maham studiert derzeit in London und gewann verschiedene Turniere, darunter auch die ZEIT DEBATTE Tübingen 2015, erhielt verschiedene Auszeichnungen als beste Finalrednerin. Sie war beste Rednerin der Deutschsprachigen Debattierliga 2017/2018. Bei der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2017 war sie Teil der Chefjury. In der Saison 2015/16 fungierte sie als VDCH-Beirätin für Equity und Fairness.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Ich habe häufiger mal gesagt, dass der wesentliche Unterschied zwischen OPD und BP ist, dass man in BP im Grunde auch Essays schreiben und einfach dem Juror hinlegen könnte. Mir scheint, Pegah hat das Format nun zu Ende gedacht. 😀
Konsequenterweise wäre der nächste Schritt nun, das mit einem Debattier-Bot vollzuautomatisieren und dann verschiedene Programme gegeneinander antreten zu lassen. Das müsste ja sogar noch einfacher sein als das was dieser IBM Roboter macht.
Zustimmung zu Lennart, das ist dann quasi BPS in Reinform. POI sind halt schwierig und Interaktion generell für die erste Hälfte ggü der schließenden. Aber die beschriebenen Vorteile könnten das sogar aufwiegen (fairere Bewertung!).
Das mit der Interaktion fand ich schade, und das macht es gerade für die OG vielleicht auch unfairer, zumindest schwerer als im „normalen“ Format. Und die fehlenden Schlussreden sind interessant; einerseits fehlt was, andererseits kann (und muss) die schließende Hälfte viel mehr Material machen als normal.
Unbedingt Ausprobieren!