Mein erstes Turnier – Von unbequemen Nächten und überraschender Gelassenheit

Datum: 13. November 2018
Redakteur:
Kategorie: Mein erstes Turnier, Menschen

Die erste Fahrt auf ein Turnier kann für neue Debattiererinnen und Debattierer vieles sein: Türöffner in die überregionale Szene, der Beginn neuer  Freundschaften oder auch das Erwachen des Wettkampfgeistes. Häufig steht davor aber auch eine (mentale) Hürde, die es zu überwinden gilt. In unserer neuen Reihe “Mein erstes Turnier” erinnern sich Debattierende an ihre Anfänge. Bei Mareike Steiner waren damit einige Schwierigkeiten verbunden.

Ein erstes Turnier erlebt eine jede anders; mache haben das Glück, mit netten Teampartnern zum ersten Mal den Fuß in das Planschbecken der Rhetorikkünstler zu stecken. Andere fühlen sich allein gelassen, wenn das Turnier erst einmal beginnt und scheuen sich davor, diese Erfahrung ein zweites Mal zu machen. Bei mir war es irgendetwas dazwischen.

Mareike (r.) als Finaljurorin des Hannoveraner Freundschaftsturniers 2018 - © Tobias Hosenfeldt

Mareike (r.) als Finaljurorin des Hannoveraner Freundschaftsturniers 2018 – © Tobias Hosenfeldt

Im Debattierclub bin ich etwa eine Woche kürzer als in meinem Studium. Nachdem ich einige Umwege gehen musste, um endlich zu der Erkenntnis zu kommen, was ich in meinem Leben machen möchte, war mit der Wahl meines Studienganges auch gleich die Idee geboren, bei einem Debattierclub mitzumachen. Ich kann mich aber beim besten Willen nicht daran erinnern, wie ich auf diese Idee gekommen bin. Bei meiner ausführlichen Recherche nach einem guten Studienort war ich gelegentlich auf Debattierclubs gestoßen, die sich mehr oder weniger gut im Netz präsentiert hatten. Kaum in Göttingen angekommen und in der O-Woche mit nur sporadischer Anwesenheit geglänzt, wurde mir von Ruwen Fritsche in einer Vorlesungswerbung der Debattierclub Georgia Augusta vorgestellt. Es bedurfte keiner großen Überzeugungskraft, um diesem Ruf zu folgen. Nach den Einstiegsabenden verpasste ich lange keine Debatte; ich war mittelmäßig begabt und dennoch Feuer und Flamme für dieses unglaublich coole Hobby.

Mit dem Semester hatte auch die Turniersaison wieder begonnen und damit stand für mich das erste Turnier an. Vorbereiten konnte ich mich allerdings nicht besonders gut darauf. An einem schönen Mittwochabend kamen nämlich Nikos und Habakuk (Im Folgenden: Nikuk) auf mich zu mit den Worten: „Hey, wir fahren am Wochenende zu einem Turnier nach Jena und brauchen noch eine Jurorin. Willst du vielleicht mitkommen?“ Und so wurde ich recht spontan für die Adventsdebatten 2016 in Jena rekrutiert.

Zwei Tage später setzte ich mich also mit den beiden, meinem Schlafsack und – in Ermangelung einer Isomatte – einer Yogamatte in den Zug nach Jena. Und weil ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie juriert hatte, wurde mir im Zug noch schnell die BP-Jurierung erklärt. OK, dachte ich, das klingt ja ganz einfach. Zuhören und abwägen, was soll daran so schwer sein? Spoiler: vieles! Und so sehr ich Nikuk lieb habe, so böse bin ich ihnen im Nachhinein, dass sie mich nicht besser auf meine Aufgaben als Jurorin vorbereitet haben. Und falls ihr mit dem Gedanken spielt, eine gänzlich unerfahrene Jurorin mit zu einem Turnier zu nehmen: Bitte tut das dieser Person und allen anderen Juroren nicht an!

Nun hatte ich mich aber auf die Reise begeben und am Freitagabend lernte ich auch gleich einen von Jenas legendären Pommesläden und die wunderbare Anastasia kennen, die so lieb war, mir kurzfristig noch einen Platz zum Schlafen anzubieten. Die folgende Nacht war der unbequemste Crash, den ich seit dem hatte. Das lag primär daran, dass ich nur meine Yogamatte hatte und sekundär daran, dass Habakuk mir im Schlaf immer wieder in den Rücken trat. Ich konnte mich also schon früh daran gewöhnen, bei Debattierturnieren grundsätzlich unausgeschlafen zu sein.

Als Jurorin wurde viel mitgeschrieben - © Debattiergesellschaft Jena

Viel Arbeit auf der Jurorenbank in Jena – © Debattiergesellschaft Jena

Am nächsten Morgen war ich sehr aufgeregt und meine Aufregung wurde auch nicht dadurch gemildert, dass wir versehentlich zunächst zur alten Uni liefen und dementsprechend zu spät bei den tatsächlichen Vorrundenräumen ankamen. Daran konnte ich mich auch gleich gewöhnen. Nach einem sehr kurzen Frühstück begann auch schon die erste Vorrunde und bevor Nikuk in die Vorbereitung gingen, sagten sie mir noch: „Da vorne sitzt Lennart, der ist nett, setz dich zu ihm.“ Das tat ich und sie hatten recht.

In den darauf folgenden Vorrunden war ich permanent überfordert und sehr verunsichert, weil sich mir nicht erschloss, wie präzise und allumfassend die anderen Juroren die Debatten erfassen und bewerten konnten. In der Regel wurde ich einmal nach meiner Meinung gefragt und danach eher sporadisch, da meine absolute Inkompetenz keiner Jurierdiskussion zuträglich war. Nach vier Vorrunden war ich so erledigt wie nach keinem der folgenden Turniere, über Nikuks Break freute ich mich natürlich trotzdem sehr.

An ein Social kann ich mich auch unter Inanspruchnahme all meiner grauen Zellen nicht erinnern, ich muss wirklich sehr kaputt gewesen sein. Aber ich erinnere mich sehr gut an den Sonntagmorgen. Ich war von meinen Jurorenpflichten befreit und hatte im Hinterkopf, dass das Halbfinale um irgendetwas mit 10 beginnen würde. Halb, Viertel vor, Viertel nach, ich war mir nicht sicher. Wach war ich jedenfalls und während Anastasia die Wohnung schon verlassen hatte und Nikuk noch schliefen, saß ich auf meiner – inzwischen mit einer dicken Decke gepolsterten – Yogamatte und las. So entspannt war für mich seit dem kein Finaltag mehr. Irgendwann war es 9 Uhr und ich wunderte mich, wann die beiden denn aufstehen wollten. Ich las mein Kapitel dennoch in aller Ruhe zu Ende und erbarmte mich anschließend, sie zu wecken. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass das Halbfinale um 9.30 Uhr beginnen würde und in den folgenden Minuten durfte ich ein überaus beeindruckendes Beispiel an Gleichmut und Gelassenheit beobachten. Während sich Nikos in aller Ruhe föhnte, dann duschte und noch einmal föhnte, schlief Habakuk einfach weiter. Erst einige weitere Minuten später schienen sie zu realisieren, dass sie es eigentlich ziemlich eilig hatten. Gleich darauf folgte der Satz: „Warum hast du uns denn nicht früher geweckt?“ Nach einigen weiteren Turnieren wandelte sich die Aussage aber recht schnell in: „Wehe, du weckst uns wieder so früh!“ Denen kann man es aber auch nicht recht machen.

Manchmal muss während der Debatte gefrühstückt werden - © Debattiergesellschaft Jena

Manchmal muss während der Debatte gefrühstückt werden – © Debattiergesellschaft Jena

Letztendlich haben wir es tatsächlich einigermaßen pünktlich zum Halbfinale geschafft, gewonnen haben wir aber nur eine recht entspannte Rückfahrt. Rückblickend frage ich mich, warum mir das Wochenende so positiv in Erinnerung geblieben ist und warum ich inzwischen fast lieber juriere als debattiere. Ich glaube, das liegt zu einen daran, dass Nikuk – obwohl sie mir einen besseren Start hätten bescheren können – mir über das Turnier hinweg doch immer wieder das Gefühl geben konnten „zum Team zu gehören“. Mit Sicherheit lag das aber auch daran, dass so unglaublich liebe Menschen auf diesem Turnier waren, die nicht zu streng mit einer stümperhaften Jurorin waren und mir mit sehr viel Offenherzigkeit begegneten. Nicht umsonst haben zwei der Menschen, die ich dort kennenlernen durfte, inzwischen einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.

Und um nicht mit so viel Kitsch zu enden, sage ich es nochmal: Seid lieb zu euren Anfängern! Lasst sie auf ihrem ersten Turnier nicht allein und macht sie auch nicht zu Feuerwehr-Juroren.

Mareike Steiner/jm.

Mareike Steiner debattiert seit 2016 im Göttinger Debattierclub Georgia Augusta. Derzeit studiert sie Jura und ist seit 2017 Präsidentin des Debattierclubs. Als Jurorin breakte sie bisher auf mehreren Turnieren, zuletzt ins Finale der Campus-Debatte Tübingen 2018. Für die Saison 2018/2019 kandidiert sie aktuell für die DDL-Koordination.

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4 Kommentare zu “Mein erstes Turnier – Von unbequemen Nächten und überraschender Gelassenheit”

  1. Sabine (St. Gallen) sagt:

    Ich habe das Gefühl, dieser Artikel sagt mindestens soviel über Habakos wie über Mareike. 🙂 Schön, dass du bei uns geblieben bist!

    1. Jan Ehlert sagt:

      <3

  2. Andrea G. (Mainz) sagt:

    Ein sehr schöner Artikel, der die Realität eines Turniers charmanter einfängt als der Großteil der Turnierberichte, die ich im Laufe der Zeit gelesen habe. Wie schön, dass du geblieben bist, Mareike. 🙂

  3. Lennart Lokstein sagt:

    „Da vorne sitzt Lennart, der ist nett, setz dich zu ihm.“ – Awww! <3

Kommentare sind geschlossen.

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