„Eine Mischung aus Sommerferienlager, UNO-Simulation und Gulag“ – Erinnerungen an die WUDC Berlin 2013 (Teil 1)

Datum: 10. Januar 2018
Redakteur:
Kategorie: Menschen, Mittwochs-Feature, Turniere

Fünf Jahre ist es her, seit die erste WUDC auf deutschem Boden stattfand. In Berlin trafen sich Teams aus der gesamten Welt, um die besten Debattiererinnen und Debattierer zu ermitteln. Aber wie war das ganze eigentlich aus Organisatoren- und Helfersicht? Wir haben ein paar Zeitzeugen nach ihren Erinnerungen gefragt.

Florian Umscheid

© Henrik Maedler

© Henrik Maedler

Bei den Worlds 2013 war ich Chief of Runners. Damals lief die Abgabe der Ballots noch analog, das heißt, dass das das Running-Team jede Runde 100 Ballots in 100 Räume in sechs oder sieben Gebäude der TU bringen und nach der Runde wieder einsammeln musste. Mein einprägsamstes Worlds-Erlebnis war, wie ich mit Jonathan Scholbach am 26. oder 27. Dezember alle Räume, die wir an der TU reserviert hatten, auf Debattiertauglichkeit geprüft habe. Das waren insgesamt knapp 100 Räume, die – neutral formuliert – sehr verschieden waren. Sie verteilten sich über fünf Gebäude, teilweise getrennt durch eine vierspurige Straße. Es gab Hörsäle mit 300+ Plätzen, durch die der Wind heulte, Seminarräume und als Höhepunkt eine 9qm Institutsküche. Drin standen ein dreckstarrender Herd, exakt neun Stühle und zwei kleine Tische, aus dem Fenster sah man eine Betonwand.

Da wir nach der Vorprüfung einige Räume aussortiert haben, mussten wir zusätzlich noch Räume schaffen. Wir haben requiriert und genommen, was wir kriegen konnten. Einen Raum (Raum H000K (lies: Hauptgebäude, irgendwo, Keller)) haben wir am unteren Ende eines Treppenhauses mit ein paar Tischen und Stühlen überhaupt erst geschaffen. Und dann war da noch das eigentliche Running. Sechsmal am Tag gut einen Kilometer hin und zurück, teilweise sechs Stockwerke hoch und runter. Ich für mich kann sagen, dass ich auf den Worlds geschlafen habe, wie ein Murmeltier. So bekam ich von den Worlds wenig mit: weder Jakkageddon, noch das brennende Auto an Silvester.

Mit dem 31.12. war auch das Running zu Ende. So ein bisschen sentimental war mir am Ende schon, denn wir hatten das Running-HQ schön eingerichtet: auf der Tafel die Skizze des Gebäudes und die Raumzuteilungen, den Becherparkplatz, die Zeitschriftenecke und das Sagrotan gegen den Fußgeruch.

 

Christian Landrock

© Henrik Maedler

© Henrik Maedler

Die acht Tage der WUDC Berlin waren eine unglaublich intensive Erfahrung. Am 26. Dezember ging es vom Elternhaus aus – in dem es nach weihnachtlichem Rehbraten duftete – nach Berlin, wo bereits Dutzende von Leuten in höchster Betriebsamkeit rumwuselten. In folgenden Tagen bildete sich im Hauptgebäude der TU Berlin ein eigener kleiner Kosmos. Nicht allein die Mitglieder der BDU machten diese WUDC möglich, stattdessen hat sich das ganze VDCH-Land dort eingebracht. So hatte ich im Helpdesk Mitstreiter aus Paderborn, Karlsruhe, Halle, Berlin und Heidelberg.

Daneben arbeiteten verschiedene Generationen an Debattierern miteinander: Hochdekorierte Debattierveteranen, die längst im Berufsleben erfolgreich waren, haben zusammen mit Erstsemestern Semmeln beim Frühstück ausgeteilt. Vor allem konnte die WUDC nicht ohne die Leidenschaft und Opferbereitschaft aller Volunteers durchgeführt werden. Arbeitstage von 7 bis 24 Uhr waren an der Tagesordnung. Gemessen am geringen Budget haben wir etwas wundervolles vollbracht. An sich war die WUDC aus Helfersicht eine Mischung aus Sommerferienlager, UNO-Simulation und Gulag.

 

Georg Sommerfeld

© Henrik Maedler

© Henrik Maedler

Bei der WUDC 2013 sind kleine Wunder passiert. Besser kann ich es nicht beschreiben. Wer dabei gewesen ist, weiß was ich meine. Sehr viele Dinge hätten schief gehen können. Und damit meine ich nicht die theoretische Möglichkeit einer immer denkbaren Katastrophe. Ganz praktisch stand die WUDC an einigen Punkten auf der Kippe. Bis hin zu buchstäblichen Rettungen in letzen Sekunden. Und sie ist nicht gekippt.

Mich persönlich hat die Teilnahme als Helfer stark dazu ermutigt, eine Ausbildung als Rettungsassistent zu beginnen. Dort wurde auch das Gebären thematisiert. Es hieß, zwischendurch könnte man mit dem verzweifelten Gefühl konfrontiert sein, dass es einfach nicht mehr geht. Man will nur noch, dass es aufhört. Man verflucht alles und jeden. Man lebt nur noch im Moment. Kurze Zeit danach sei man fassungslos, wie man das geschafft hat, gleichzeitig unendlich erschöpft. Man freut sich, dass niemand mit bleibenden Schäden zurückbleibt. Am Ende kann das Gefühl von Stolz kommen. Und irgendwie kann man sich auch vorstellen, es in ein par Jahren wieder zu machen.

Eine WUDC lässt einen erahnen, wie sich das im Ansatz anfühlen könnte.

jm./lok.

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4 Kommentare zu “„Eine Mischung aus Sommerferienlager, UNO-Simulation und Gulag“ – Erinnerungen an die WUDC Berlin 2013 (Teil 1)”

  1. Henrik Maedler sagt:

    Großartig ?

  2. Tina Reimann sagt:

    Da werden Erinnerungen wach!

  3. Johannes Meiborg sagt:

    Wir sammeln gerade noch Beiträge für den dritten (und voraussichtlich letzten) Teil. Wenn also noch jemand seine Erinnerungen teilen möchte, ist dies weiterhin möglich. Einziges Kriterium ist, dass der Text eine Länge von mindestens 300 Wörtern haben sollte. 🙂

  4. Alex L. (DD/MZ/DUS) sagt:

    Ich glaube, dass diejenigen, die nicht als Helfer dabei waren, nicht einmal in Ansätzen erahnen können, welchen herausragenden Job Georg (neben vielen anderen) gemacht hat! Vor wenigen Menschen habe ich soviel Respekt wie vor Georg, der mit seiner optimistischen und fröhlichen Art und einem unglaublichen Arbeitseinsatz ein Fels in der Brandung war.

    Ich schließe mich zudem vollumfänglich der Einschätzung von Patrick an, dass die WUDC eine sehr prägende Erfahrung war (wenn ich auch natürlich den Luxus hatte, an weit weniger exponierter Stelle zu agieren). Bevor es aber der jüngeren Debattiergeneration jetzt in den Fingern juckt, ihre eigenen WUDC zu organisieren, möchte ich aber warnen, dass eine Phase des konstanten Arbeiten über dem Limit und der Selbstausbeutung in der Retrospektive besser aussieht als sie es in dem Moment war. Die WUDC hing mehrfach am seidenen Faden und es wurden nicht nur neue Freundschaften geschlossen, sondern auch alte zerstört. Und „Die Welt zu Gast bei Freunden“ klingt in der Theorie cool, bedeutete aber in der Praxis um 6 Uhr das Frühstück vorzubereiten, nachdem man am Vorabend bis 1 Uhr nachts Bardienst hatte, oder im Lichthof der Uni schlafen, damit das technische Equipment nicht geklaut werden kann, oder Biergarnituren für 1400 Leute aufbauen, während alle anderen das Finale verfolgen. Ich habe zwischen dem 26. Dezember und dem 3. Januar die TU nur für den 1. Januar verlassen, als ich einen Ausflug nach Dresden leiten musste (inklusive unterwegs in Cottbus verloren gegangener Teilnehmer) und dabei keine einzige Debatte gesehen und so viel Respekt vor den Teilnehmern verloren, dass ich danach für Jahre das internationale Debattieren verachtet habe. Heute kann ich darüber lachen, aber damals war ich kaputt und auf. Es gibt gute Gründe, warum heutzutage fast nur noch Privat-Unis die Worlds organisieren wollen, denn Geld macht vieles einfacher – und wer kein Geld hat, muss oft kräftezehrend improvisieren. Wer auch immer mit dem Gedanken spielt, ein internationales Großturnier zu organisieren, sollte sich dessen sehr bewusst sein.

    Unabhängig davon würde ich gerade auch deswegen wie andere im Falle eines solchen Unternehmens jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung stehen – denn aus Fehlern kann man bekanntlich lernen!

Kommentare sind geschlossen.

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