Ein gesunder Mix und verschiedene Angebote machen die Szene besser – Eindrücke vom 4. Jurier-Think-Tank
Unlängst fand der 4. Jurier-Think-Tank des VDCH statt. Von der Arbeit vor Ort berichten Julia Engel und Mareike Steiner.
Was erwartet man, wenn man zu einem Think Tank mit der Thematik „Didaktisierung“ fährt? Auf jeden Fall Menschen, die so sehr vom Jurieren begeistert sind, dass sie dem gerne drei Tage ihres Lebens opfern und in einem eher mittelmäßig gelüfteten Raum sitzen, während draußen die Sonne scheint. Und „irgendwas mit Schule“. Und was werde ich dort tun als noch relativ junge Jurorin? Im Kreis sitzen und den erfahrenen Jurorinnen und Juroren beim Erfahrungs- und Ideenaustausch zuhören und schweigen? Oder kann ich mich mit meiner begrenzten Erfahrung tatsächlich einbringen?
Mit solchen Gedanken machten wir uns am Freitag mit Vorfreude und ein bisschen Skepsis auf den Weg nach Jena, wo uns Kaffee und eine Keynote von Barbara Schunicht zum Thema „Jurierqualität im Wandel der Zeit“ erwarteten. Sie endete mit der kontroversen These, dass wir auch Jurieren wieder mehr als Hobby verstehen sollten – für uns überraschend, wenn man bedenkt, dass der Think Tank sich mit Institutionalisierung und Professionalisierung des Jurierens beschäftigen soll. In der nachfolgenden Diskussion und ebenso in den darauffolgenden Tagen verflogen alle Zweifel und Skepsis. Wir durften feststellen, dass tatsächlich eine für jede Erfahrungsstufe angenehme Arbeitsatmosphäre geschaffen und jedem die Möglichkeit gegeben wurde, seine Fragen und Ideen einzubringen. Und so glauben wir behaupten zu können, dass wir unter der Leitung der Organisatoren Leonardo Martinez, Willy Witthaut, Nikos Bosse und Jule Biefeld (und umsorgt von Anastasia Kreis, der Organisatorin vor Ort) einige sinnvolle Ergebnisse erzielen konnten.
Was also waren die Themen des JTT 4.0?
Leicht abweichend von der ursprünglichen Fragestellung „Wie vermitteln wir das vorhandene Wissen der Szene am besten?“ stellten wir uns zusätzlich die Frage, welche Erwartungen wir als junge Jurorinnen und Juroren an Institutionen der Wissensvermittlung stellen. Wir sprachen über Herausforderungen von Clubs bei der Vermittlung von Wissen und über die bisherigen Methoden der Jurierausbildung. Dabei kristallisierten sich wohlbekannte strukturelle Probleme heraus, es wurden jedoch auch Erfolgsmodelle vorgestellt. Ebenfalls im Vordergrund standen die Jurierseminare, mit deren Schwächen und Weiterentwicklung sich zunächst alle Teilnehmer des JTT und später eine Kleingruppe intensiver befassten.
In den Gruppenarbeiten hatten wir die Möglichkeit, uns in kleinen Runden sehr spezifischen Fragen zu bereits angeschnittenen Problemfeldern zu stellen und konkrete Lösungen zu erarbeiten. Diese trugen wir anschließend zusammen. Die Arbeitsgruppen handelten von den Herausforderungen von Online-Schulungen, Bausteinen für Jurierseminare (auch für Fortgeschrittene), der Grundkonzeption von Chefjurierseminaren sowie ein Leitfaden für Jurorinnen und Juroren, die das erste Mal im Club jurieren, ohne dabei eine intensive Anleitung von erfahreneren Mitstreitern zu benötigen.
Die Ergebnisse des Think-Tanks werden in kleineren Gruppen unter Anleitung in diesen Tagen zusammengetragen und verschriftlicht. So wurde neben grundlegenden Konzepten für Jurierseminare auch ein Leitfaden für Clubvorstände erstellt, wie man Jurieren leicht und einfach vermitteln kann. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass in der Fläche nicht in jedem Club die Erfahrung vorhanden ist, Jurieren beizubringen. Es bedarf einer institutionalisierten Sammlung von Wissen. Am besten auch besser aufbereitet als im Status Quo. Mit einer Vielzahl von Methoden und Möglichkeiten. Denn nicht jeder lernt durch eine klassische Seminarform, nicht jeder erlernt das Jurieren selbstständig und nicht jeder mag Gruppenarbeiten. Nur durch einen gesunden Mix und verschiedenen Angebote können wir das Jurieren als Szene besser als jetzt fördern.
Außerdem sind wir an diesem Wochenende zu einer besonders schönen, wenn auch nicht gänzlich neuen Erkenntnis gelangt: Es gibt unter uns Debattierenden tatsächlich sehr leidenschaftliche und passionierte Jurorinnen und Juroren, die das Jurieren nicht nur als eine Verpflichtung, sondern auch als Hobby begreifen. Es gibt Jurorinnen und Juroren, die nicht nur eine Quote für sich oder ihren Club erfüllen möchten, sondern tatsächlich Spaß am jurieren und der Weiterentwicklung dessen haben. Wir brauchen unbedingt neue und vor allem mehr neue Interessierte von diesem Schlag. Wir wünschen uns mehr Wertschätzung für diesen wichtigen Teil des Debattierens und für alle, die unsere Debatten mit ihrer Jurierung erst möglich machen. Und wir wünschen uns, dass ihr, liebe Clubvorstände, liebe alten Hasen, liebe Debattierenden dazu beitragt.
Julia und Mareike
lok.