Die Schaffung einer zentralen Jurorenausbildung
Als Beirätin für Jurierqualität möchte Jule Biefeld der Szene gerne ein neues Seminarkonzept vermitteln – ihre Pläne stellt sie heute im Mittwochs-Feature vor.
Vor einigen Tagen habe ich eine Umfrage in den einschlägigen Facebook Gruppen und über den Verteiler geschickt. Diese wurde von 128 Menschen ausgefüllt.
Daraufhin wurde auf Facebook eine Diskussion angestoßen, aus welcher nun auch einige Anträge für die Mitgliederversammlung entstanden sind. Ich begrüße die Diskussion sehr, habe aber in der Umfrage teils andere Ergebnisse bekommen, als die teils sehr lauten Meinungen die dort geäußert wurden. Wer hier einen Text erwartet, ob eine Quote gut oder schlecht ist, wird enttäuscht werden und sollte zur nächsten MV fahren. Dort wird dieses Thema voraussichtlich sehr stark besprochen werden.
Nun zu der Umfrage. Beim Auswerten sind einige Dinge aufgefallen, auf die ich mich nun besonders fokussieren will.
Im Durchschnitt waren die Teilnehmer der Umfrage 16x als Juror auf einem Turnier und 22x als Redner. Die Differenz scheint auf den ersten Blick nicht gravierend zu sein, wenn ich das auf eine Saison rechne. Wenn man sich die Zahlen aber genau ansieht, kann man erkennen, dass viele Menschen die Angaben als Juror häufig zu fahren, kaum reden. Außerdem viele Menschen die aber angaben, viel zu reden, teils nie oder nur selten als Juror auf einem Turnier waren.
Diese Ergebnisse unterstützen Andrea Gaus in der Facebookdiskussion geäußerte These, dass die Turniere aktuell hauptsächlich von vereinzelten Juroren leben. Auch der Schlusssatz von Lennart Loksteins Artikel zum Jurorensterben, stützt diese Annahme. Denn man kann konkret ein Dutzend aktive Juroren aufzählen, ohne welche das Debattieren im Status Quo massive Probleme haben würde. An diese Menschen richtet sich natürlich mein persönlicher Dank, aber es ist kein Status, mit dem wir dauerhaft leben können. Auch diese Personen werden das nicht für immer tun. Also brauchen wir Wissenstransfer.
Nun könnte man sagen, dass eben diese erfahrenen Juroren helfen könnten, mehr Juroren auszubilden. Teils entspricht dies dem Status Quo. Die meisten von den wirklich erfahrenen Juroren geben bereits im Club und öffentlich Jurierseminare, helfen unerfahrenen Chefjuroren bei ihren Fragen und unterstützten Turniere als Mentor. Aber in der Summe profitieren nicht genug Debattanten von diesem Angebot.
Wenn erfahrene Juroren je ein Wochenende auf ein Turnier fahren wollen, müssen sie jede Runde hauptjurieren. In den Vorrunden ist fast immer mindestens ein sehr unerfahrener Juror im Panel. Das heißt, dieser muss parallel angelernt werden – und 15 Minuten Jurierzeitraum muss man so managen, Fragen beantworten und ein gutes Ergebnisse finden, das alle zufrieden stellt. Das ist keine schöne Situation!
Dabei kann das Problem gelöst werden, wenn vor den ersten Turnieren als Juror Grundwissen vermittelt wird. Teils wird dies im Club gemacht, oft aber nur stiefmütterlich oder gar nicht. Die Quellen, wie man Jurieren lernt sind auch nicht gut zu finden. Auch was es auf der Achten Minute gibt, ist viel zu unsortiert. Wenn ich bei Google „OPD jurieren“ eingebe, kommt eine tolle Erklärung des OPD-Jurierbogens, aber leider mit veraltetem Regelwerk.
Ich fasse zusammen.
Probleme: Zu wenig erfahrene/ausgebildete/trainierte Juroren, Generation-Gap, fehlender Wissenstransfer
Nun schlage ich eine Lösung dieser Probleme vor: Es wird Reihen von Vorträgen geben, welche über Google Hangouts live erreichbar sind und an denen jeder teilnehmen kann. Am Ende wird es immer die Möglichkeit geben, den Trainern live Fragen zu stellen. Gleichzeitig wird die Aufnahme (durch einen Automatismus) sofort hochgeladen und auf dem Jurierqualität-Youtubeaccount veröffentlicht. Die Trainer veröffentlichen danach eine Art Handout zu ihrem Thema auf dem Jurierqualität Blog. Dieses Konzept kann und soll weiterentwickelt werden. Wenn jemand Interesse hat hier etwas beizusteuern, würde ich mich über eine Mail an jurierqualität [at] vdch [dot] de freuen.
Die Vorträge sollen in 2 Kategorien eingeteilt werden.
1. Grundsätze des Jurierens und Regeln
2. Fortgeschrittene Jurierpraktiken und Theorie
Es mag sein dass ein Zwang zum Jurieren notwendig ist. Es mag sein, dass Clubs die Verantwortung übernehmen müssen. Die Mitgliederversammlung wird über diese Themen Abstimmen. HIer geht es aber um eine neue, zusätzliche, zentral und sortiert Ausbildung für alle willigen Juroren zu schaffen.
Aktuell ist das Wissen in den Club-Dropboxen vergraben und nicht für alle zu erreichen. Nun haben wir für immer einen zentralen Sammelpunkt für Jurierwissen: Den Jurierqualität-Blog.
Wir wollen so schnell wie möglich anfangen und das Konzept mit euch, den Teilnehmern, weiterentwickeln. Die Termine werden über den Terminkalender der Achten Minute und den Verteiler angekündigt.
Bisher haben sich schon einige Trainer bereiterklärt ein Hangout zu gestalten. Nikos Bosse, Sibylla Jenner, Barbara Schunicht, Sabrina Effenberger und ich selber. Jeder der sich ihnen anschließen will, kann sich sehr gerne bei mir melden! Dabei sollen sowohl junge als auch ältere Trainer die Möglichkeit finden, etwas beizutragen.
Bij./lok.
Jule Biefeld war unter anderem Chefjurorin der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft in Dresden 2017, der ZEIT DEBATTE Hannover 2016 und der ZEIT DEBATTE Wien 2017. In der Saison 2016/17 ist Jule Beirätin für Jurierqualität im VDCH. Sie studiert in Halle an der Saale und ist dort im Debattierclub klartext Halle e.V. Vizepräsidentin. Sie war von 2014 bis 2015 Vizepräsidentin der BiTS Debating Society in Iserlohn.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Eine sehr schöne Idee. Vielen Dank schon mal an alle, die dabei helfen.
Sehr interessante Idee, ich bin gespannt auf die Umsetzung 🙂
Wird es denn auch noch eine vollständige Auswertung der Umfrage geben?
Ja, kann ich nochmal machen. Zusammengefasst kann ich aber sagen. Es scheint 2 Lager zu geben (quote und kostenlos jurieren). Ich muss sagen, dass enttäuscht etwas, da ich doch glaube das wir Reize schaffen sollten damit die Leute Lust haben zu jurieren. So ist es Zwang und oder stärker außenanreiz.
Mindestens in OPD wäre es sicher auch sehr hilfreich, mal zu (schon) auf Video verfügbaren Debatten Punktevergaben mit Begründung zu veröffentlichen. Denn da ist ja am Anfang des Jurieres einfach die Kenntnis der Skala das Riesenproblem, die man aktuell eigentlich nur durch Nachahmung lernen kann.
Was zu den einzelnen Kategorien zählt, versteht man ja auch recht schnell durch Betrachtung des OPD-Jurierbogens, aber nicht, wieviele Punkte man wofür vergeben soll.
Ja Alex, ich glaube das ist machbar und stand auch schon auf der Liste. Danke für deinen Input.
Dazu müsste man nichts anderes machen, als in Vorrunden oder Finals/Halbfinals (die ja eh oft aufgezeichnet werden) zusätzlich das Jurieren aufzunehmen. Das hilft absoluten Anfängern, die Angst zu nehmen, und ihnen eine Vorstellung zu geben, wie das Jurieren eigentlich abläuft. Es hilft Jurierenden, die langsam anfangen zu chairen, zu zeigen, wie das von erfahrenen Jurierenden gemacht wird. Es hilft erfahrenen Jurierenden zu sehen, was andere erfahrene Jurierende anders machen.
Meiner Erfahrung nach (in Jena und in Wien) freuen sich die meisten Jurierenden bei einer Aufnahme mitmachen zu dürfen. An freiwilligen Jurierenden fehlt es also nicht.
Die Debatte haben dann viele (in Finals z.B. fast alle Teams) schon gesehen und müssen sich dann nur noch das Video zum Jurierprozess anschauen, statt noch mal eine Stunde extra die Debatte anzuschauen.
Gibt es denn die entsprechenden Videos aus Wien schon irgendwo?
Hallo Alex,
entschuldige, das hätte ich dazu schreiben sollen: Auf Grund eines technischen Fehlers wurden nur die ersten paar Minuten der Jurierung aufgenommen, was wir erst am Ende mitbekommen haben.
Daher sind die Mühen in Wien leider umsonst gewesen 🙁
Um OPD-Jurieren zu verbessern – insbesondere für Neulinge -, sollten wir den Jurierbogen grundlegend reformieren. Ich habe auf dem 1. Jurier-Think-Tank eine stringente Analyse der Probleme des Jurierbogens und einen Weg zur Behebung über die Einführung von Elementar-Kategorien mit vernünftiger (d.h. deutlich geringerer) Skalenbreite dargestellt: https://www.achteminute.de/20150902/fuer-eine-reform-des-analytischen-jurieransatzes-ein-vorschlag-von-jonathan-scholbach/
Aus der Reihe: „Kommentare, die ich hier erwartet habe“ 😀
Der Kommentar ist für alle, die das damals nicht mitbekommen haben. Mir tut die Redundanz auch leid, aber es kommen ja immer wieder neue Leute dazu, die das vielleicht noch nicht kennen.