Die VDCH Debate Academy – Ein Erfahrungsbericht von Anna Markus
Letztes Wochenende, am 25. und 26.03., fand in Heidelberg die erste VDCH Debate Academy statt. Der Debating Club Heidelberg sorgte unter der inhaltlichen Leitung von Julian Vaterrodt für ein Wochenende voller Seminare, Debatten und Socials – alles auf Englisch. Für einige waren es die ersten Debatten auf englischer Sprache und andere hatten bereits auf internationalen Turnieren einige Erfahrungen gesammelt und hofften, von den Ratschlägen der drei Seminarleiter*innen Melda Eren, Matthew Davis und Martin Devenney zu profitieren.
Auf einem internationalen Turnier war ich noch nie. Gereizt hat es mich natürlich, aber da ist zu allererst die Sache mit dem Geld. Dann fliege ich nicht gerne, und jeder Termin in mit dem Zug oder Bus bewältigbarer Distanz schien irgendwie nicht zu passen. Doch was definitiv auch dazu kam, ist, dass ich ein Angsthase bin und fürchtete, mich auf englischer Sprache zu blamieren. Die Möglichkeit, dies zu testen, ohne dabei die relative Jungfräulichkeit meines Clubs im internationalen Bereich für ein unterdurchschnittliches oder gar enttäuschendes Erlebnis einzulösen, sah ich in diesem Wochenende.
Um an der ersten VDCH Debate Academy teilzunehmen, waren Debattierende von Freiburg bis Hamburg angereist. Den drei Gruppen, welche nach bisheriger Debattiererfahrung aufgeteilt waren, wurde einer der drei Mentor*innen zugewiesen. Diese gestalteten die Einheiten teils sehr durchdacht und strategisch, teils eher flexibel und offen. Behandelt wurden Themen wie das Stellen und Beantworten von Zwischenfragen, die bestmögliche Nutzung der Vorbereitungszeit, der Aufbau der Rede selbst und worauf ein Whip Redner sich in inhaltlich vollgepackten Debatten zu konzentrieren hat. Hilfreicher als diese Beiträge war aber die Möglichkeit, international erfahrenen und erfolgreichen Debattanten und Trainern Fragen zu stellen – so zumindest meine Wahrnehmung. Dies galt während der Unterrichtseinheiten, aber auch im Rahmen der Debatten, von denen es auf dem Turnier insgesamt fünf Stück gab. „Dieses Haus als China würde alle nicht humanitäre Unterstützung von Nord-Korea beenden“, war das Thema der ersten Debatte, bei welcher Trainer und Debattierende die erste Möglichkeit hatten, sich gegenseitig zu beschnuppern.
Jeder Debattierende hat sicher schon einmal die Erfahrung gemacht, in einem Raum zu sitzen, in dem der Call nicht vollständig nachvollziehbar war. Hier gab es nun genug Zeit für ein ausführliches Feedback, bei dem Rückfragen sogar willkommen waren. “Was hätten wir denn besser machen können?” war in diesem Kontext sicher die am häufigsten gestellte Frage, auf welche die Jurierenden ausführlich eingehen konnten. Gefühlt wurden die Debatten von Runde zu Runde besser und profitierten von der Rückmeldung und den Vorschlägen. Auch gewöhnten sich die Teilnehmenden von Runde zu Runde mehr an die englische Sprache und die bei einigen spürbare anfängliche Befremdung, vor anderen deutschsprachigen Menschen Englisch zu sprechen, nahm ab. Niemand musste sich davor fürchten, die Jurierung zu kritisieren oder noch einmal nachzuhaken. Häufig sorgte das für ein besseres Verständnis der eigenen Fehler und der Metrik der Debatte, aber manchmal – wie das beim Debattiersport so ist – eben auch nicht.
Nach der zweiten Debatte und dem Mittagessen folgte ein Vortrag von Melda Eren zu den drei Wellen des Feminismus – eine simple Einführung in den Feminismus und wie Debatten zu Feminismus-Themen aussehen könnten und sollten. Auch wenn der Vortrag interaktiv gestaltet war und offen diskutiert wurde, war der Wissenszuwachs für die meisten wohl eher gering. Dies lag aller Wahrscheinlichkeit nach daran, dass der Vortrag für ein Publikum mit deutlich weniger Vorwissen konzipiert war. Für diejenigen, welche inhaltlich neues mitnehmen konnten, war der Vortrag jedoch umso nützlicher, da die nächste Debatte eine klassische Abwägung zwischen zweiter und dritter (bzw. vierter) Welle des Feminismus darstellte. In dieser Runde ging es um den Diamond Club, eine kontrovers diskutierte Dating-Plattform, auf welcher Millionäre und gut aussehende Frauen zusammen gebracht werden. Auch diese Debatte profitierte von der Rückmeldung der Jurierenden. Die vierte Runde, bei welcher die Müdigkeit nach dem anstrengenden Tag bereits spürbar war, wurde zu dem Thema “Dieses Haus bereut die Willkommenskultur” geführt. Ohne Factsheet und mit unterschiedlichen Wissensständen entwickelte sich diese Debatte in ein relatives Chaos.
Anschließend ging es weiter zur Heidelberger Mensa, dem „Marstall“, wo es Essen und – wie von den Organisatoren im Vorhinein beworben – “cheap beer” gab. Nachdem sich alle satt gegessen hatten, entwickelte sich der Abend für die Teilnehmenden in unterschiedliche Richtungen: während einige Kontakte knüpften und weiter über die Themen des Tages diskutierten, entschieden sich andere, die Heidelberger Altstadt unsicher zu machen – eine Erfahrung, die grundsätzlich jedem Besucher zu empfehlen ist. Zur kurzen Nacht kam die unliebsame Zeitumstellung. Diese sorgte dafür, dass am nächsten Morgen einige Debattanten – und auch der ein oder andere Mentor – die letzte Nacht noch in den Knochen spürten.
Nichtsdestotrotz ging das Programm wie gewohnt weiter. Nach dem Frühstück, an welchem sich meiner Meinung nach andere Veranstaltungen gerne ein Beispiel nehmen könnten, wurde im dritten Workshop-Block vertiefend auf einige weitere Themen eingegangen. Frisches Obst, Paprika, Möhren und vegetarische Aufstriche, die nicht an Katzenfutter erinnerten, sondern für wirklich alle ein Genuss waren – all das sorgte für einen guten Start in den Tag. Nachdem die Gruppen neu zusammengestellt wurden, ging es in der vierten Debatte um Wirtschaft und Ethik. “Dieses Haus würde eine Strafsteuer auf massenproduzierte günstige Klamotten einführen”, so das Thema der Runde, nach welcher das Mittagessen allen Beteiligten eine willkommene Pause bot.
Nachdem einige der großen Debattierthemen mit den ersten vier Runden bereits abgedeckt waren, fehlte noch ein weiterer Klassiker: die Medien. Als Abschluss des Wochenendes wurde das Thema “Dieses Haus würde alle Medien dazu verpflichten, ihre politische Affiliation öffentlich zu machen.” debattiert. Trotz der spürbaren Erschöpfung aller Beteiligten war auch diese Runde interessant und lehrreich.
Was habe ich persönlich gelernt?
Neu war für mich, wie wichtig die “POI-Strategie” ist – beziehungsweise, dass man überhaupt eine haben sollte. Als eröffnende Regierung sollte man unbedingt zuerst der schließenden Regierung die Möglichkeit einer Zwischenfrage geben und als schließende Opposition ist es ebenso wichtig, sich klar gegenüber der eröffnenden Regierung abzugrenzen und diesen noch einmal die Möglichkeit zu einer Frage zu geben. Außerdem ist es sinnvoll, immer die POI der Person zu akzeptieren, die voraussichtlich die schwierigste, nicht die einfachste Frage stellen wird. Das mag für erfahrene Debattierende ein alter Hut sein, doch für mich war es neu und interessant.
Insgesamt geht es bei internationalen Debatten wenig darum, den eigenen Instinkten zu folgen, oder innovative Argumente zu entwickeln. Debattieren, wie es mir am letzten Wochenende gezeigt wurde, beherrscht man durch Technik und Regeln. Kein Schritt ist unüberlegt. Alles passiert aus einem Grund. Hier spürt man, dass das Debattieren ein Sport ist. In diesem brilliert man, wie bei jeder anderen Sportart, nicht primär durch Talent, sondern vor allem durch Übung und Routine. Das ist zwar einerseits sehr beeindruckend. Andererseits weiß ich nicht, ob ich die Sorte Debattiererin sein möchte, die Stunden damit verbringt, Debatten zu preppen, ohne sie zu halten und einen Ordner mit 400 Seiten vorgefertigten Argumenten anzulegen.
Fazit
Ohne Zweifel haben sich die Organisatoren mit der Debate Academy einige Mühe gegeben. Props dafür an den DCH, also an Benedikt Rennekamp, Pascal Beleiu und alle Helfer. An der Verpflegung war wirklich wenig bis nichts auszusetzen und die Stimmung war nicht zuletzt wegen der Orga eine lockere und angenehme. Auch Julian Vaterrodt, dessen Baby diese Veranstaltung war, hat gute Arbeit geleistet, auch wenn ein Großteil davon voraussichtlich hinter den Kulissen stattfand. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass eigentlich jede(r) Teilnehmende von der Debate Academy etwas mitnehmen konnte. Wann sonst hat man die Möglichkeit, Koryphäen mit allen Fragen, die einem schon immer auf der Seele brannten, zu löchern? Und selbst wenn Einzelne inhaltlich nichts mitnehmen konnten, so war es doch ein schönes Wochenende mit netten Menschen in einer wunderschönen Stadt.
Und wie geht es für mich weiter? Die Debate Academy war für mich eine Art Trockenschwimmen. Ich wollte herausfinden, wie viel Spaß ich an Internationalen Turnieren haben würde, ohne ein solches bezahlen zu müssen (und mich dort zu blamieren). Nach der Debate Academy traue ich mir zu, es einmal zu probieren. Wahrscheinlich. Mal sehen.
Themen:
R1: “TH as China would cease all non-humanitarian assistance to North Korea.”
R2: Factsheet: “The Diamond Club is a dating website which aims to pair male millionaires with physically attractive females. Male members pay upwards of 100,000 Pounds to join the site, while female members are ranked out of 100 for their physical attractiveness and do not pay a fee to join. No other qualities, such as skills or interests, are taken into account when ranking female members. The site is for linking of dates, not for prostitution.”
“THBT feminists should not oppose dating sites which seek to romantically link rich men and physically attractive women.”
R3: “THR ‘Willkommenskultur’.”
R4: “THW apply a punitive tax to cheap mass-produced clothing.”
R5: “THW require all media outlets to declare their political affiliation.”
mar./jm.
Danke für den tollen Bericht, da freut man sich als Ausrichter 😉 !
Eine weiterer Dank, auch wenn wir es während der Veranstaltung schon betont haben, der nicht vergessen werden soll geht an die DDG und ihre Unterstützung durch den Initiativfonds.
„Die Autorin und ihr Partner Jakobus Jaspersen“… Wenn Tommy das liest…
Auf dem Foto sehen sie ja brav aus 😉