Können wir nicht versuchen, ein bisschen netter zu Anfängern zu sein?
Das neue Semester hat begonnen, die meisten Clubs sind mitten in der Mitgliederwerbung, die ersten Einsteigerturniere sind seit Wochen im Kalender vermerkt. Ein mögliches Problem bei der Mitgliederbindung sieht Jakobus Jaspersen dabei im Umgang mit neuen Debattanten auf Turnieren.
Vorweg: Ich habe die zweifellos vorhandenen Geschlechter- und Minderheitenaspekte in diesem Kommentar ausgeklammert, weil ich dazu nicht kompetent sprechen kann. Wer sich berufen fühlt, soll gerne in dieser Hinsicht ergänzen.
Debattierturniere sind ohne Zweifel eine spaßige Angelegenheit. Ansonsten würden wir die langen Anfahrtswege, das allzu ofte Nächtigen auf harten Böden und den ganzen Rest nicht auf uns nehmen. Für Anfänger allerdings sind Debattierturniere oft deutlich weniger spaßig, als sie sein könnten und sollten. Das ist nicht nur prinzipiell bedauernswert, sondern darüber hinaus ein echtes Problem für das längerfristige Binden von Nachwuchs. Und so sehr ich das Debattierstammpersonal auch zu schätzen gelernt habe, so sehr würde ich mich doch über ein paar mehr neue Gesichter freuen – eine Regung, die hoffentlich die meisten von euch teilen. Bevor ich zu meinen moralisierenden Handlungsempfehlungen komme, werde ich versuchen, das Problem darzustellen. Ich berufe mich dabei auf meine eigenen Erfahrungen und auf Gespräche, die ich mit anderen TurnierfahrerInnen geführt habe. Das ist nun nicht die Grundlage, auf der harte Wissenschaft betrieben werden kann, doch es sollte repräsentabel genug sein, um ein paar Denkanstöße zu rechtfertigen.
Ich selber war vor noch nicht allzu langer Zeit ein Debattier-Anfänger und habe erlebt, dass Debattierturniere ein mitunter abweisender Ort sein können. Es ist selten einfach, sich auf Anhieb in einem neuen Umfeld mit größtenteils neuen Menschen zurechtzufinden. Man trifft auf mehr oder minder festgefügte soziale Gruppen, welche im besten Fall Indifferenz, im schlechtesten offene Ablehnung gegenüber Neuankömmlingen an den Tag legen. Debattierturniere sind in dieser Hinsicht keineswegs einzigartig. Doch verglichen mit anderen, ebenfalls kompetitiven studentischen Events stechen sie besonders negativ heraus. Stärker als anderswo hängt die Integration in die Szene von der eigenen Leistung ab. Auf Debattierturnieren gehen debattiererischer Erfolg und soziale Anerkennung häufig Hand in Hand. Anfänger fühlen sich deshalb zurecht ausgegrenzt und unter Druck gesetzt – beides Dinge, welche dem Spaß in höchstem Maße abträglich sind und welche deshalb gut dazu geeignet sind, Anfängern Debattierturniere nachhaltig zu verleiden.
Dass Debattierturniere in dieser Hinsicht so besonders problematisch sind, hat meiner Meinung nach drei Wurzeln. Erstens fallen die Faktoren, über welche sich soziale Anerkennung generieren lässt, beim Debattieren stärker zusammen als anderswo. Bildung, Intelligenz, sprachliche Gewandtheit und Witz spiegeln sich teilweise gefühlt, teilweise tatsächlich in der Tab-Positionierung eines Redners wieder. Mehr als anderswo wird deshalb die Wertigkeit einer Person an ihrer Leistung – in diesem Fall der debattiererischen – gemessen. Dies ist ein bedauerlicher Missstand, welcher Anfänger besonders hart trifft.
Die zweite Wurzel des Problems ist die eigentlich begrüßenswerte enge Verbundenheit der Szene. Erfreulicherweise knüpfen wir alle Bekannt- und Freundschaften in der Debattierszene und pflegen diese auf Turnieren. Unerfreulicherweise führt dies naturgemäß dazu, dass je länger eine Person in die Szene integriert ist, sie desto eher dazu tendiert, Neuankömmlingen wenig oder keine Zeit mehr zu widmen. Dies soll wohlgemerkt nicht bedeuten, dass es nicht rühmliche Ausnahmen gäbe, doch die Bildung gewisser Debattiergenerationen lässt sich nicht leugnen.
Zuletzt soll nicht ungesagt bleiben, dass das kompetitive Debattieren bestimmte Persönlichkeitsmerkmale anzieht, welche nicht unbedingt der einladenden und freundlichen Atmosphäre zuträglich sind, welche wir uns für unsere Debattierturniere wünschen. Ehrgeiz, Hang zur Selbstdarstellung und eine Portion Überlegenheitsgefühl machen einen vielleicht zu einem besseren Debattanten, doch wirken eben auch abschreckend – gerade für Menschen, die solche Eigenschaften nicht teilen. Und eben jene Menschen brauchen wir, um das Problem wirksam angehen zu können.
Die genannten drei Punkte halte ich für die Hauptursachen dafür, dass Debattierturniere in puncto Offenheit und Zugänglichkeit hinter anderen vergleichbaren Veranstaltungen zurückbleiben. Es ist keineswegs so, als sei mit Einsteigerturnieren und dem Nachwuchspreis nicht bereits viel geleistet worden, um Anfänger in die Szene zu integrieren. Im ganz normalen Turnieralltag ist jedoch noch Verbesserungspotential vorhanden. Ein erster Schritt wäre, dass auch wir länger Aktiven nicht vergessen, wie es war, ein Anfänger zu sein. Und dass wir im Auge behalten, dass bei allem Ehrgeiz debattiererischer Erfolg nicht alles ist. Ja im Grunde ist er, wenn man mal ganz ehrlich ist, doch ziemlich nebensächlich. Und ganz sicher sollte er nicht dazu dienen, Menschen in lohnende und nichtlohnende Gesprächspartner zu unterscheiden.
Auch wenn wir uns darauf freuen, bald alte Bekannte wieder zu treffen, sollten wir doch versuchen, ein bisschen Zeit zu erübrigen, um mit Neuankömmlingen ins Gespräch zu kommen (und damit meine ich nicht nur die besonders attraktiven Neuankömmlinge). Darüber hinaus können wir uns bemühen, inner- und außerhalb der Debatten zumindest nicht unnötig unfreundlich zu sein. Denn auch wenn es fast nie wirklich böse gemeint ist, so kann es doch so ankommen. Und mancher frisch geschlüpfte Debattant wird deshalb den Turnieren oder dem Debattieren an sich den Rücken kehren, bevor wir ihr oder ihm zeigen können, wie toll und lohnend es sein kann, diesem unserem wundervollem Hobby nachzugehen. Und, warum wir eben die langen Anfahrtswege, das allzu ofte Nächtigen auf harten Böden und den ganzen Rest nicht nur ertragen, sondern es nach der langen Pause sogar herbeisehnen.
Jakobus K. Jaspersen/lok.
Jakobus K. Jaspersen erreichte das Finale der DDM 2016 und gewann das Elbe Open 2016. Er ist seit Beginn 2015 in der Rederei Heidelberg aktiv, wo er zwischenzeitlich als Vizepräsident fungierte. Die EUDC 2016 war sein erstes internationales Turnier. An der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg studiert er Global History.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Ich kann diesem Artikel nur voll und ganz zustimmen. Das beinahe bemerkenswerte ist daran sogar, dass mehrere unserer Mitglieder die Debatten im Club genießen, aber niemals wieder auf ein Turnier fahren würden, dem Worte nach „Den Scheiß tu ich mir nicht an“.
Ich denke, dass Faktoren eins und drei naturgemäß vom Debattieren nicht wegzudenken sind. Aber bei dem zweiten könnte man etwas tun. Den Anfang hatte ja schon Berlin mit seinem Mentoring-Programm gemacht und in einem gewissen Sinne auch der Coaching Cup. Wenn es für Anfänger-Turniere so etwas ähnliches gäbe, wo ein älterer Debattier-Pate oder so was ähnliches über die Schulter blickt, das Debattieren und die Debattiergemeinschaft erklärt. Denn langfristig ist es mit diesem „Ich als Einzelner suche mir jetzt einen Neuling und bin nett zu ihm“ nicht getan, dass geht m.E. alle an. Vor allem jene, die großes soziales Kapital durch ihre Leistung akkumulieren. Vielleicht könnte man auch ein Anfänger- und ein Fortgeschrittenen-Turnier zusammenlegen.
Also, wenn man etwas daran ändern möchte.
Ich habe das Gefühl, dieses Thema muss noch intensiver als mit einem Artikel besprochen werden. In Zeiten, wo ich sogar von einer forcierten „Elitisierung“ eines Debattierclubs gehört habe, die Aussage „wir wollen auch gar nicht alle haben“ dabei gefallen ist, da empfinde ich das mehr als nötig.
Wie kann es sein, dass 89% der Debattierer die freundschaftliche Atmosphäre in Clubs als wichtig empfinden, aber grundsätzlich „neue Menschen kennen lernen“ im Ranking der Gründe ihres Kommens abgeschlagen auf Platz 4 (99 Zustimmungen, das höchste Item liegt bei 206) liegt?
Dieser „Kompetivitätsfetisch“ ist schädlich für das Wachstum des Debattierens in den Clubs, allen deutschsprachigen Ländern und macht viele Debattierer, die ich unglaublich gern habe, zu eher kälteren Menschen.
Absolute Zustimmung zu dem Artikel.
„Ehrgeiz, Hang zur Selbstdarstellung und eine Portion Überlegenheitsgefühl machen einen vielleicht zu einem besseren Debattanten“ – Um Gottes Willen, das würde ich streichen!! (Gesunder) Ehrgeiz hilft sicher in allen Lebenslagen, aber die anderen Variablen sind eher hinderlich. Wenngleich es gute Debattanten gibt, die trotz dieser Eigenschaften gut geworden sind.
Aber abgesehen davon danke für den schönen und wichtigen Artikel, Jakobus! Als Mensch mit sowjetischem Migrationsvordergrund muss ich an ein russisches Kinderlied denken, mit dem wir sozialistischer Nachwuchs aufgezogen wurden: „Ein Fluss beginnt mit einem kleinen Bach und eine Freundschaft beginnt mit einem Lächeln.“
Und ich würde noch ergänzen: Feedback. Das Debattieren lebt davon, dass wir Menschen, die zu uns kommen, nicht nur sagen, was sie verbessern können, sondern auch warum und wie. Gutes Feedback im Club und auf Turnieren ist die halbe Miete!
Ein Problem, das das beschriebene Phänomen verstärkt, wenn nicht gar maßgeblich verursacht, liegt darin, dass Turniere extrem anstrengend sind. Wenn ich noch drei Debatten vor mir habe, entferne ich mich als Redner in der Jurierungsphase der ersten Debatte schon öfter mal von der diskutierenden Gruppe der anderen, weil ich weiß, dass ich meine Ressourcen noch brauche und die Zeit lieber nutze, um zu entspannen und frische Luft zu schnappen. Wenn ich überhaupt auf das Social gehe, dann habe ich Sonnabend abend immer Kopfschmerzen und bin auch schon deshalb nicht mehr so offen für Neues, wie es wünschenswert wäre. Natürlich gilt das tendenzielle weniger für Leute, die ich schon kenne, die ich sehr wertschätze und von denen ich weiß, wie sie ticken. Es ist viel weniger kognitiv anstrengend, mit denen zu plaudern, als mit Neuen. Natürlich versucht man, aktiv auf Neue zuzugehen und sie anzusprechen, etc. Aber die arg begrenzten kognitiven Ressourcen auf einem Turnier sind jedenfalls in meinem Fall ein starker Faktor.
Ich glaube daher, wir sollten weniger Runden auf einem Turnier haben. Der Aspekt des sozialen Miteinanders, der gern vergessen wird, wenn manche immer mehr Runden fordern, wird in der Neulingen-Frage ganz deutlich.
[Übrigens: Der Titel des Artikels könnte übrigens ruhig „Anfäger*innen“ heißen. :-)]
Das trifft es ziemlich gut, denke ich. Auch die Forderung nach weniger (oder zumindest nicht mehr) Runden sollte man mal bedenken. Wobei das in BPS schon etwas problematisch wäre, finde ich (Powerpairing und so). Trotzdem sollte man mal darüber nachdenken. Drei Runden an einem Tag sind wirklich viel entspannter und das wirkt sich natürlich immer auch auf das Sozialverhalten aus.
„Ich denke, dass Faktoren eins und drei naturgemäß vom Debattieren nicht wegzudenken sind. “
Na, da will ich mal ganz frech widersprechen. Ob soziale Anerkennung mit der Position auf dem Tab und der Anzahl der Turniersiege zusammenhängt, entscheidet doch in erster Linie jeder für sich selbst. Und wenn alle dies umsetzen würden, wäre dieses Problem doch beseitigt. Eine Szene, die sonst so großen Wert auf Gleichberechtigung, die richtige Ansprache und andere Equity-Probleme legt, sollte in diesem Punkt doch besonders sensibel sein und sich nicht selbst eingestehen: „Bei uns werden die Leute nach Leistung und Intelligenz beurteilt, schade aber ist nun mal so.“
Und auch beim letzten Problem könnte jeder an sich selbst arbeiten. Und wenn „Ehrgeiz, Hang zur Selbstdarstellung und eine Portion Überlegenheitsgefühl“ einen guten Debattanten ausmachen, sollte man vielleicht mal überlegen, ob man nicht lieber die Regeln ändert um solche Persönlichkeitsmerkmale ein bisschen zu bremsen.
Ich würde dir gerne nicht widersprechen, @Jonas,
die Welt, meine Erfahrung und meine Miesepetrigkeit hinsichtlich menschlicher Veränderung nur lassen das nicht zu.
Man muss es einfach aussprechen: Nach der Debatte gucken die meisten, sowohl Redner als auch Juroren tendenziell eher nach denen, die sich überdurchschnittlich gut erwiesen haben. Sie interessieren sich dafür, wer einen guten Beitrag zur Debatte geleistet hat. Das ist bei einem Wettkampf impliziert. Genauso, wie es ein Einladungsturnier, Pokale, Siegerehrungen, Top of the Tab und i.d.R. immer viel mehr Applaus und Spannung bei der Verkündung der breakenden Teams gibt (als bei den Juroren), wird unsere Wahrnehmungsumgebung in ganz starkem Maße dahin beeinflusst, Sieger zu beglückwünschen und ihnen unsere Sympathien kundzutun.
Ich halte die Ursache für diese Einflüsse so maßgeblich und stark, dass sie nicht umzugestalten sind.
Beim letzten Problem, der Versuch und der Ansatz ist wünschenswert, allein mir fehlt der Glaube. Solange es ein Wettkampf ist, sollte es fair bleiben, solange es fair bleibt, bleibt es kompetitiv. Es ist schwer, die metaebenenenbezogenen Kämpfe außen vor zu lassen und genau da geht es halt um Ehrgeiz, Hang zur Selbstdarstellung und a bissel Überlegenheitsgefühl. Aber wenn es ginge, wäre das natürlich schön.
@Simon: Gegen die kompetitiven Elemente des Debattierens ist auch nichts zu sagen, sie sind in jedem Sport und Wettkampf enthalten. Es wäre wünschenswert, wenn die Leistung der Person und die Beachtung die ich ihr nachher schenken nicht komplett voneinander abhängt. Es entsteht für mich der Eindruck, dass es Leute in der „Szene“ gibt, die man scheinbar „kennen muss“ und mit denen sich auch viele gutstellen, weil sie sich irgendwas davon erhoffen. Eine klare Trennung von Person und Leistung wäre hier wünschenswert.
Aber du hast recht, ich glaube nicht, dass sich das Problem ändern wird. Man merkt es an der Resonanz der Kommentare, die ja sonst im Minutentakt einschlagen. Wahrscheinlich lesen viele den Artikel, stimmen ihm innerlich zu, aber ändern ihr Verhalten kaum. Und die,die sich vorher um neue bemüht haben(und die gibt es zum Glück) werden es auch weiter machen. Aber genauso gibt es einige denen es wahrscheinlich egal ist oder es sogar gut finden. Und die werden wahrscheinlich den Neuen eher auffallen, als die freundlich bemühten.
Ich kenne das von dir beschriebene „Den Scheiß tu ich mir nicht mehr an“ nur zu gut. Ein Hauptgrund, warum viele mit dem Debattieren aufhören, sind negative Erfahrungen auf Turnieren und die Schlussfolgerung, dass alle im Debattieren so sind. Und auch ich fahre nicht mehr auf Turniere, die über 300 km entfernt sind, weil es mir das nicht mehr wert ist.
Ohne das es dadurch besser wird, aber das Problem besteht leider schon länger: In meiner ersten Saison hat mich niemand auch nur mit dem Arsch angegeuckt, aber nachdem unser unerfahrenes Team aus diesem unbedeutenden Dorfclub dann plötzlich und für alle (inklusive uns selber) unerwartet bei einer ZEIT DEBATTE gebreakt ist, hat sich das plötzlich schlagartig geändert. Und heute bin ich selber einer derjenigen, die Anfängern wahrscheinlich nicht gerade das Gefühl geben, das ein Turnier der richtige Ort ist, um neue Leute kennen zu lernen…
Gründe dafür mag es viele geben, aber ich denke, dass Jonathan die wichtigsten angesprochen hat. Und ja, ein Leben mit weniger Debatten am Tag ist möglich – meine ersten ZD in OPD hatten nur drei Vorrunden. Das war vielleicht nicht so ergiebig für den Trainingseffekt, sorgte aber immerhin dafür, dass wir in Tübingen am Samstag Nachmittag mit dem Stocherkahn unterwegs waren und ein Viertelfinale Standard war – es gibt schlimmere Schicksale im Leben!
Zu guter Letzt noch etwas zur Kompetitivität: Diese scheint mit allerdings in der Tat mit zunehmender „Professionalisierung“ in den letzten Jahren größer geworden sein. Mag es daran liegen, dass es jetzt mehr Turniere gibt (und damit auch Siegchancen für den Einzelnen) oder daran, dass inzwischen mehr Leute weniger den intellektuellen Austausch als den sportlichen Charakter am Debattieren schätzen, aber ich habe persönlich den Eindruck, dass die „Alten“ (also die Leute, die noch vor mir angefangen haben) bei ähnlichem sportlichen Erfolg deutlich entspannter und offener für Ansprache sind und waren als es heute der Fall ist. Früher hatte die Party am Abend jedenfalls einen deutlich höheren Stellenwert als heute und nach meiner Erfahrung ist das immer noch der beste Ort, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Dass die Verpflichtung zum Partymachen jetzt das Allheilmittel ist, wage ich zu bezweifeln, aber es würde sicherlich nicht schaden, wenn wieder weniger der Sieg als das Dabeisein im Mittelpunkt stehen würde.
tl;dr: Das war schon immer so, außer das es früher besser war! 😉
Ich bin ja schon lange der Meinung, dass drei Debatten am Tag ausreichen. Das ermöglicht übrigens auch, früher mit der Party zu beginnen – ich z.B. will meist einfach nicht auf 7, 8 Stunden Schlaf beginnen und wenn man dank vier, fünf Runden am Samstag, wo man um 8 anwesend sein sollte, dann abends um 10 mit der Party beginnt, ist die halt nicht soo vital, vorallem wenn man am nächsten Tag wieder um 8 oder 9 aufstehen soll.
Das müsste dann aber natürlich – z.B. auf der MV – auch deutlich an die Turnierbewerber gesagt werden, dass man lieber vier statt sechs Vorrunden hätte bzw. gerne sechs, aber eben nur drei Debatten am Tag. Denn oft sind die Ausrichter eher kompetitive Clubs, die nur in Debattenrunden einen Wert auf Turnieren sehen.
Ja prima! Wir haben einen Faktor ausgemacht, der uns alle entschuldigt! Die Turniere sind zu anstrengend, da können wir nichts dafür!
Ich glaube die Intention des Artikels wird mit dem Titel ganz gut deutlich. Wir sollten, auch als erfahrene und möglicherweise etwas abgehobene Redner*innen, uns wieder bewusst werden was wir für ein Sozialverhalten an den Tag legen. Es kann meiner Meinung nach nicht darum gehen a) Gründe und Entschuldigungen zu suchen; darauf basierend b) andere Turnierformen zu fordern; die c) sowieso nicht kommen, weil letztlich alle faire, spannende und damit auch lange Turniere wünschen, weil kaum wer von Freiburg nach Hamburg fährt um da nur 3 Runden zu reden; um dann d) zu hoffen dass der nächste Artikel zu dem Thema nicht zu schnell erscheint. Wenn jedem der diesen Artikel liest seine Sozialkompetenzen wieder einfallen ist denke ich schon etwas geholfen.
Wir brauchen keinen Strukturwandel der Turniere, sondern müssen (Sozialkompetenz vorausgesetzt) uns nur mal an unsere Anfangszeit zurück erinnern – genau das ist Dank Jakobus‘ Artikel nun geschehen – und idealerweise nicht bis zum nächsten Turnier wieder vergessen.
Mein Argument ging gerade darauf aus, dass Bewusstsein notwendig ist, aber nicht hinreichend. Die Problematik, die Jakobus beschreibt, ist mir schon lange bewusst. Ich hatte mich gut daran erinnert, wie die Leute – ebenso wie Alex es beschreibt – mich erst ziemlich ignoriert haben, aber von sich aus auf mich zugekommen sind, nachdem mein Gesicht das erste Mal in einem Finale gewesen war. Und ich hatte auch erkannt, dass ich selbst mich lieber mit Leuten unterhalte, die in einer Debatte ein verblüffendes und gutes Argument gebracht haben, weil ich mir von denen erhoffe, dass sie meinen Horizont mit weiteren verblüffenden und guten Argumenten erweitern. Und ich habe erkannt, dass das ein Problem für die Integration der Neuen ist. Es fehlt mir auch nicht an dem Willen, auf Neue zuzugehen, und deren Standpunkte kennenzulernen – im Gegenteil, eigentlich bin ich neugierig darauf, denn das ist der Grund, warum ich debattiere. Aber es ist eine Abwägung, wie ich meine Ressourcen verteile. Und die Gewichte der Abwägung werden eben durch die Art und Weise, wie Turniere gestaltet sind, massiv mitbestimmt. Vielleicht kannst Du das nicht nachvollziehen, weil es für Dich nicht so anstrenged ist. Ich persönlich bin auf einem Turnier total fertig. Der Montag nach einer ZEIT-DEBATTE besteht bei mir aus Schlafen und ein bisschen Spaziergehen, weil ich zu mehr nicht in der Lage bin, nach einer DDM sieht auch der Dienstag ähnlich aus.
Man muss (und sollte) also die beiden Faktoren Bewusstsein und Ressourcen in meinen Augen nicht argumentativ gegeneinander ausspielen, wie Du das zu tun scheinst.
Also sorry Peter, aber das ist ja mal Unsinn. Niemand behauptet, dass Turnierstress der einzige Faktor sei, der zu sowas beiträgt. Aber viele Leute erklären, warum das für sie einen Beitrag leistet.
Wie du nun von der Erkenntnis, dass das vermutlich nicht der einzige Faktor ist, zu dem Schluss kommst, dass man diesen Faktor ignorieren oder verstärken sollte, ist mir ein Rätsel. Klar, es ist eine Teildiskussion, aber über einen sehr wichtigen Bereich. Wenn uns mehr Empathie und Sozialkompetenz und außerdem auch mehr Zeit dafür zur Verfügung stehen, wenn wir nur 3 Runden am Tag debattieren, dann sei es so. Empathisch muss man natürlich trotzdem sein, aber das ist – auf anglisiertem Debattierdeutsch gesagt – not mutually exclusive sondern vermutlich sogar gegenseitig begünstigend.
Was mir persönlich ein wenig zu kurz kommt: Sicher ist es schön und gut und nett und begrüßenswert und zwar auf sehr, sehr vielen Ebenen, wenn man sich auf Turnieren um Neulinge kümmert. Ich finde aber, dass da vor allem die Leute aus den Clubs in der Pflicht sind, die mit ihren Neulingen auf das Turnier fahren. Dass da niemand dabei ist, kommt ja fast nie vor (auf Anfängerturnieren hat man oft wenigstens einen etwas erfahrenen Juroren dabei, der schon ein paar Leute kennt). Da kann man mal Leute vorstellen, aber auch immer mal wieder nach den eigenen Leuten schauen, ob sie Spaß haben, ob sie Anschluss finden etc.. Es kommt oft genug vor, dass die Leute dann erst einmal zu ihren alten Bekannten laufen und ihre eigenen Neumitglieder alleine stehen lassen. Auch dort sollte man sensibler sein, schon in Club-/Eigeninteresse, aber auch weil sich das so gehört, wenn man zusammen irgendwohin fährt.
Natürlich sollte aber jeder zu neuen Leuten nett sein. Nicht nur, um sie nicht abzuschrecken, sondern einfach, weil das einfach richtig ist. Wer Leute bewusst solange mit Missachtung straft, bis sie was gewonnen haben, ist ein Idiot.
Hmm. Ich bin ja nun heute nicht mehr regelmäßig auf Turnieren anzutreffen, weiß daher auch nicht, wie ihr heutzutage Neulinge behandelt, würde aber gerne ein zwei Dinge ergänzen.
Zunächst zu diesem Zitat:
„Man merkt es an der Resonanz der Kommentare, die ja sonst im Minutentakt einschlagen. Wahrscheinlich lesen viele den Artikel, stimmen ihm innerlich zu, aber ändern ihr Verhalten kaum. Und die,die sich vorher um neue bemüht haben(und die gibt es zum Glück) werden es auch weiter machen. Aber genauso gibt es einige denen es wahrscheinlich egal ist oder es sogar gut finden. Und die werden wahrscheinlich den Neuen eher auffallen, als die freundlich bemühten.“
Ich hab den Artikel zu anfangs gelesen und dachte mir „ach du meine Güte, Gott sei Dank hab ich heute nicht mit dem Debattieren angefangen, was für ein Mumpitz“. Ich stimme fast keiner Aussage im Artikel uneingeschränkt zu und halte die präsentierten „Lösungsansätze“ für „wenig zielführend“. Erwachsensein bedeutet halt auch, ein wenig selbst Verantwortung zu übernehmen.
1) Old school tactics
Früher war es so, dass man (Christian hat es im Grunde gesagt, ich werde es wohl gemeiner formulieren, einfach weil ich gemein bin) – wenn man schlau war, halbwegs Menschenkenntnis hatte und in der Lage war, Gruppendynamiken zu verstehen – seine Neumitglieder direkt den jeweiligen „alten Hasen“ vorgestellt hat. Ich habe das bspw. gezielt gemacht. Nimm die vielversprechenden Neulinge (das sind die, die auf Turniere fahren, vielversprechend kann auch „super nett und engagiert“ bedeuten, nicht zwingend „super-debattier-brainiac“) und stelle sie gezielt den (mehr oder minder, ggf nur subjektiver Überzeugung nach) „wichtigen Leuten“ vor. Oder netten Leuten eben, ganz friedvoll und nett. Damit sie Anschluss finden. Sich wohl fühlen. Freundschaften knüpfen. So einfach geht das. Wirklich. Versprochen.
2) Kompetitiv und Parties
Früher waren die Parties besser. Auch wichtiger. Lustiger. Einfach besser. Ehrlich. Wer um 22 Uhr gegangen ist, weil er unbedingt am nächsten Tag gewinnen wollte, den haben wir eher belächelt, wenn ich mich recht entsinne. Andere Sache, wenn jemand einfach um 22 Uhr gegangen ist, weil er keinen Bock auf Party hatte. Völlig andere Sache. Aber dieses „kompetitive Debattieren“ mit Horden von Menschen, die unbedingt 8 Stunden schlafen müssen, weil sie *nur* wegen des Turniersieges da sind, ist – ehrlich – albern. Selbst Schuld, wenn dann keine soziale Interaktion stattfindet.
3) Reden. Hilft. Sozialkompetenz ist keine Einbahnstraße.
Gerade auf Socials hat man doch die Gelegenheit mit Leuten zu reden. Mit Freunden / alten Bekannten, die man lange nicht gesehen hat, wird man vermutlich die meiste Zeit verbringen. Oder mit super-klugen (oder so empfundenen) Menschen, die interessante Dinge zu sagen haben. Auch wenn man nur daneben sitzt und zuhört. Das bringt echt was fürs Leben und ist unterhaltsam UND man lernt so Leute kennen, unabhängig vom eigenen Debattiererfolg. Will sagen: Auch Neulinge sind in der Pflicht, etwas Eigeninitative zu zeigen. Und ganz ehrlich: Die Szene braucht nicht Jede und Jeden. Man muss junge Erwachsene nicht krass „pampern“, damit sie sich auch ja wohlfühlen und wiederkommen. Manche machen halt lieber was anderes. Diejenigen, die so dermaßen unkommunikativ sind, dass sie auf einem Social, ggf nachdem sie den Leuten vorgestellt wurden, nicht in der Lage sind, sozial zu interagieren, die sollten vllt. lieber was anderes machen? Manche mögen auch eher Fußball und nicht nerdige Diskussionen über sonstirgendwas. So what?
4) Zu guter Letzt:
Keine Ahnung, was derzeit auf Turnieren so vor sich geht. Wenn es aber echt ein strukturelles Problem gibt, dass Neulinge nur noch scheiße behandelt werden, dann würde mich das wundern. Wäre auch schade für die Szene. Kann ich mir aber kaum vorstellen.
Auch wenn für mich persönlich einige gute Tipps aus deinem Kommentar genommen habe, Nicolas, hast du leider eine vorschnelle Annahme getroffen: Es gäbe nämlich schon bereits in dem jeweiligen Club eine Person, die die anderen schon kennt und quasi die Neulinge einführen kann. Wenn diese Annahme zutrifft, können deine Tipps funktionieren, ansonsten sieht es da eher schwierig aus.
Aber man muss anerkennen, dass ganz vdch-Deutschland noch lange nicht erschlossen ist. Es gibt viele Unis die a) noch keinen richtigen Debattierclub haben oder b) einen Australien-Debattierclub betreiben. Sprich, kein Kontakt zu anderen Clubs oder Turnieren. Aber gerade für diese Clubs ist es dann sehr schwierig auf die Turnierebene zu wechseln, weil sie wirklich niemanden kennen. Noch schwieriger wird es da, wenn es gerade mal einen Debattierer in diesem Club gibt, der Interesse an Turnieren zeigt.
Der langweilig-nostalgischen Note wegen muss ich meine eigene Anekdote erzählen:
Als ich zum ersten Mal auf einem Debattierturnier war, bin ich ganz aus eigenen Antrieb mitgekommen. Über einen Verteiler des Debattierclubs Hannover hatte ich gehört, dass noch ein Juror auf dem Cup der Göttinger Sieben gesucht würde und so hab ich mich spontan gemeldet.
Für mich war die erste Erfahrung nicht ganz so widrig, da ich mit wenigen Erwartungen gekommen war. Heute würde ich sagen, dass es gar nicht so klar war, ob ich da gute Erfahrungen machen würde ( vor allem als Juror ist das glaube ich auf einem Turnier sogar noch etwas schwieriger, weil vermeintliche Standards [Vorwegnahme eines einheitlichen Regelwerks, Jurierpraxis] vorausgesetzt werden). Glücklicherweise fehlte den Hannoveraner doch noch ein Teammitglied und ich konnte in einem Team mit Felix reden und recht positive Erfahrungen sammeln. Ferner wurde in einer Turnhalle übernachtet, was noch ein bisschen mehr dazu beitrug, dem ganzen den Beiklang einer Klassenfahrt zu geben. Man musste sich kein Zimmer teilen, andere Debattierer konnten sich viel schlechter zurückziehen, das waren schon bessere Bedingungen.
Was ich damit sagen will:
Das erste Turnier ist eine besondere Erfahrungen für jeden, hier wird – unabhängig von Sieg oder Niederlage – eine erste Freundschaft geknüpft, ein Gefühl für Turnierdebatten gegeben und ein Kontakt zu der Szene hergestellt.
Wenn man schon mit einem Club zu einem Turnier fährt, kann man hier Weichen stellen, dass die erste Erfahrung etwas besser glückt, es mehr wahrscheinlicher wird, dass es eine positive erste Erfahrung wird (z.B. unter zuhilfenahme deiner Tipps).
Für absolut neue Clubs, oder komplette Neulings-Einzelgänger, ist das schon viel schwieriger. Sie können u.U. einiges Potential mitbringen, wenn für ihre Erfahrungen nicht etwas Bedachtsamkeit mitgebracht wird, kann es vollkommen verlorengehen. Ob das wünschenswert ist, ist eine andere Frage.
Für mich ist die Fortführung von Jacobus‘ Artikel eine andere Frage: Wie spielt sich die erste Erfahrung eines Turniers für Neulinge ab?
Im Allgemeinen wollte ich persönlich wiederkommen, weil ich merkte, dass ich Dinge lernen und besser machen kann – das hatte ich Göttingen erfahren. Diese Erfahrung macht nicht jeder, aber ich glaube, alle auf einem Turnier – die eigenen Clubmitglieder natürlich zuerst genannt – können und m.E. sollten auch dazu beitragen, dass diese Erfahrung wahrscheinlicher wird. In unserer Universität wird sowas Welpenschutz genannt.
Als ich den Artikel gesehen habe, habe ich ihn zugegebenermaßen erstmal gar nicht fertig gelesen, weil ich die Problematik für ein Randphänomen gehalten habe. Nicht dass ihr mich falsch versteht: Ich bin voll dafür, Einsteiger zu integrieren und das nicht von ihrer Leistung abhängig zu machen. Aber mein Eindruck beim Debattieren war, genau das passiert bereits. Ich habe noch nie erlebt, dass ich so freundlich und interessiert in eine Gruppe aufgenommen wurde wie zunächst beim DCJG und später in der ganzen Szene (ohne schon mal was gewonnen zu haben). Ich dachte, das würde den meisten so gehen.
Als ich eben gesehen habe, wie viele Kommentare der Artikel hat, bin ich etwas stutzig geworden und finde es ausgesprochen schade, dass so viele Leute schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Ich erkläre mir das jetzt damit, dass bei mir genau das passiert ist, was Christian und Nicolas geschrieben haben: Die anderen DCJGler, die mit auf dem Turnier waren, haben mich den Leuten vorgestellt und sich um uns Anfänger gekümmert, uns nicht allein stehen lassen. Es überrascht mich sehr, dass das nicht alle Clubs so machen! Wenn ihr etwas ändern wollt, dann bitte das.
Und ja, Turniere sind anstrengend. So ist das bei allen Sportarten. Ich erinnere mich noch, wie ich bei meinem ersten Turnier, den Herbstdebatten in Tübingen, zu Lennart (den mir die anderen aus meinem Club vorgestellt haben und der ein Beispiel von vielen ist, die sich trotz Erfolg von Anfang an mit mir „abgegeben“ haben) gesagt habe, wie froh ich bin, nicht ins Finale gebreakt zu sein, weil ich so müde bin. Aber ich kam trotzdem wieder und bin auf weitere Turniere gefahren.
Wenn ich gemütlich ein bisschen vor mich hin debattieren will, gehe ich zu Clubabenden. Aber wenn ich das Debattieren als Sport betreibe und Ehrgeiz habe (egal ob ich Ambitionen habe zu gewinnen oder für mich selbst gut sein will) dann gehören Anstrengung und Auspowern dazu.
Ah. Toll unser Nachwuchs 😛
Ich habe den Artikel erst etwas spät gelesen, möchte aber dennoch eins anmerken: Die Forderung nach einer Verhaltensänderung aller Beteiligten ist zwar ehrenhaft, aber nicht umsetzbar. Man muss nur daran denken, wie häufig die Ausfüllung von Jurorenbögen gefordert wird, und wie doch immer noch ein sehr großer Anteil davon nicht zurückkommt. Und das ist etwas, erstens auf jedem Turnier angesprochen wird und zweitens absolut keine große Umstellung ist. Wenn wir jetzt fordern, dass Leute ihr Sozialverhalten ändern, dann ist das meiner Meinung nach eine sehr ineffiziente Methode, das Problem anzugehen, weil das halt nur ein sehr, sehr kleiner Anteil an Leuten freiwillig tut.
Was wir ändern können, sind zwei Dinge: erstens die Randbedingungen der Turniere, zweitens das Verhalten von den erfahreneren Debattierern aus dem selben Club. Die Rahmenbedingungen sind recht trivial änderbar, und Menschen ändern ihr Verhalten meist erst dann, wenn sie ein Eigeninteresse haben.
Schon mehrere Leute sind darauf eingegangen, dass mehr Stress weniger Interaktion bedeutet, das sehe ich völlig ein. Ich beobachte aber manchmal einen gegenteiligen Effekt: Wenn es weniger Sozialleben auf Turnieren gibt, dann fahren auch Leute nicht mehr wegen des Soziallebens auf Turniere, sondern sind nur noch bereit, zu fahren, wenn es viele Debatten und ggf. Gewinnchancen gibt. Für nichts und wieder nichts fährt man schließlich nicht auf Turniere. Daher haben wir einen selbstverstärkenden Effekt, mit dem Turniere immer kälter werden. Die Rahmenbedingungen zu ändern ist daher keine „faule Ausrede“, sondern eine legitime Möglichkeit, für mehr Sozialleben auf Turnieren zu sorgen, vielleicht sogar eine recht notwendige Maßnahme.
Zum Verhalten der Erfahreneren: Nicolas‘ Punkt mit den „old school tactics“ trifft es denke ich schon ganz gut. Erfahrene Menschen aus dem eigenen Club haben ein Interesse daran, dass ihre Debattieranfänger häufiger auf Turniere fahren. Wenn sie das schaffen wollen, müssen sie sich eben auch um diese Menschen kümmern, es gibt nun mal nichts umsonst im Leben. Man kann der Ansicht sein, dass das ja erwachsene Menschen seien, die sich um ihr Sozialleben selber kümmern können, aber die Realität ist, dass auf dem Social sich gerade eure Anfänger befinden, die gerade 18 geworden und aus dem Elternhaus ausgezogen sind, in eine neue Stadt zogen und gerade mehrere Runden Debatten hinter sich haben, in denen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gefühl hatten, mit mehr Glück als Verstand überlebt zu haben. Dass sich diese Leute eingeschüchtert fühlen von Menschen, die völlig problemlos und selbstsicher durch so ein Turnier spazieren, ist m. M. n. ziemlich selbstverständlich. Wenn man Interesse daran hat, dass diese Menschen wieder auf Turniere kommen, kann man sie mit wenig Aufwand einbinden in das eigene Sozialleben, oder einem sind halt neue Leute egal und der eigene Club stirbt aus.
Ich denke auch, dass der Club seine Neulinge einführen sollte. Diese Herangehensweise kann in meinen Augen aber nicht den Hauptanteil der Lösung bereitstellen. Ja sie mindert das Problem, aber sie verlagert die Exklusion von der individuellen Ebene auf die Club-Ebene: denn es gibt einige Clubs, insbesondere neu gegründete, die einfach keine so gut integrierten oder erfolgreichen Mitglieder haben. Und um deren Neulinge sollte es uns auch zu tun sein. Wenn wir offen und integretativ sein wollen, dürfen wir diese Arbeit daher nicht allein den Clubs anvertrauen.