Mentoren und Mentees – Impressionen
Sowohl die ZEIT DEBATTE Berlin als auch die ZEIT DEBATTE Leipzig zeichneten sich unter anderem durch ein Mentorenprogramm für Juroren aus. Über die Eindrücke dazu berichtet heute Jule Biefeld und befragt auch ihren Mentee der beiden Turniere, Oliver Schönian, sowie einen der Chefjuroren aus Leipzig, Pascal Schaefer.
Was sind die Vorteile von Mentorenprogrammen?
Jule Biefeld: „Juroren sind auf einem Turnier elementar. Die Debattierszene entwickelt immer mehr Progamme um Juroren zu fördern. Sei es durch den Think-Tank, Jurierseminare oder das intensive Jurorenfeedback. All das sehen wir als gute Entwicklungen an. Was genau ist an speziell diesem Programm so wichtig?“
Oliver Schönian: „Ich möchte als Juror eine sehr gute Qualität meiner Jurierungen erreichen, damit ich im Club gutes Feedback geben sowie Neulingen hilfreiche Tipps mitgeben kann. Dafür ist es sehr wichtig, von erfahrenen Juroren zu lernen. Bei Turnieren ist dies manchmal schwierig, anders als den Rednern kann Nebenjuroren nicht so ausführliches Feedback zu ihren Leistungen gegeben werden. Unerfahrene Redner können mangelhafte Anträge stellen, Schwierigkeiten mit Extensions und Ähnlichem haben, kriegen dafür aber oft hilfreiche Hinweise vom Hauptjuroren. Unerfahrene Juroren leiten selten eine Debatte und dann meist auch nicht mit einem erfahrenen Nebenjuroren. Natürlich ist es wichtig, dass die Redner das bestmögliche Feedback kriegen, aber der Learning-by-Doing-Lerneffekt fällt für Juroren meist weg. Selbst wenn es Punkte gibt, die man gerne auf dem Turnier üben möchte, wechselt das Jurorenpanel oftmals, was es schwieriger macht, seine Ziele umzusetzen. Man geht manchmal geradezu unter als Nebenjuror.
Das Gute am Mentorenprogramm ist, dass man oft mit einem erfahrenen Juroren zusammen juriert. Man kann im Vorfeld Schwächen ansprechen, an denen man arbeiten möchte. Mir fällt oft erst während einer Debatte auf, an welchen Punkten ich Schwierigkeiten habe, dies kann man dann in den folgenden Debatte umsetzen. Außerdem ist es schön, einen Ansprechpartner für Probleme zu haben. Redner sind oft als Team zusammen, junge Juroren sind da eher alleine und da fühlt es sich gut an, wenn jemand auf einen aufpasst.“
Pascal Schaefer: „Warum es wichtig ist? Jeder kann einem anderen noch etwas beibringen. Eine Person die nur die Buchstaben b und p kennt und auf eine Person, die nur den Buchstaben b kennt, trifft, kann dieser den Buchstaben p beibringen. BP-Debatten sollen aus der Perspektive eines informierten Weltbürgers bewertet werden.
Für diesen gilt:
- normale Intelligenz, eventuell Hochschulausbildung
- versteht komplexe Argumente, wenn sie erklärt werden; Redner müssen also Argumente oder Beispiele, die nicht am Puls der Zeit liegen, erläutern
- verfolgt grob das Tagesgeschehen und hat Grundwissen über die Welt, z.B. wichtige Länder, Organisationen oder Ideen, aber kein Detail-/Spezialwissen.
- nicht aus einem bestimmten Land kommend
- grundsätzlich bereit, sich die Debatte anzuhören und bereit, sich von den Rednern unabhängig von seiner eigenen Meinung überzeugen zu lassen.
- kennt zufällig die Regeln des Debattierens
Um sportliche Fairness zu garantieren, muss man aber diese Regeln und deren Anwendung lernen. Um Debatten effektiv zu bewerten und die Ergebnisse plausibel vorzutragen bietet es sich an das Handwerk eines Jurors zu erlernen. Besonders am Anfang ist es sehr hilfreich von einer/m JurorIn zu lernen, die das Handwerk beherrschen. Manche Leute können im Club auf erfahrene Juroren zurückgreifen und von diesen wöchentlich lernen, andere können jede Woche auf Turniere fahren und versuchen, aus dem Entscheidungsfindungsprozess und dem sich anschließenden Rechtfertigungsfeedback so viel wie möglich zu lernen. Leider haben nicht alle diese Möglichkeit und oftmals sieht der Zeitplan gar nicht vor, dass man noch in ein längeres Gespräch mit einem erfahrenen Hauptjuror kommt. Ein Mentorenprogramm bietet jungen Juroren, die selten die Chance haben von erfahrenen Juroren zu lernen, eine Möglichkeit an deren Wissensschatz teilzuhaben und die eigenen Fertigkeiten zu verbessern.“
Jule Biefeld: „Neben den Dingen die hier schon von Oliver und Pascal angesprochen wurden, möchte ich noch Folgendes hinzufügen. Als ich am Anfang gelernt habe, wie man juriert, hatte ich viel Glück. Mich nahmen Menschen an die Hand, zeigten mir Dinge. Aber manchmal ging man auch einfach unter. Man kannte nicht unbedingt viele Menschen, hatte manchmal Fragen und zumindest ich wusste oft nicht wohin mit denen. Ein Mentorenprogramm fängt das zum Teil auf. Man hat einen Konstante und jemand, der einem mit Fragen zur Seite steht. Jemand der dich an die Hand nimmt.
Auf der anderen Seite sehe ich, dass ich als Juror aber auch als Mensch an solchen Situationen wachse. Denn nicht nur muss ich einen Call in bestmöglicher Weise finden und erklären, sondern auch mein Jurorengespräch so gestalten, dass alle Nebenjuroren glücklich sind und der Mentee an seinen Stärken und Schwächen arbeitet.“
Und was genau lernt man als Mentee?
Oliver Schönian: „Schon in der ersten Debatte habe ich etwas sehr nützliches gelernt. Unser Call stand fast fest, nur bei dem ersten und zweiten Platz waren wir uns noch nicht einig. Ich war für ein Team, der andere Nebenjuror für ein anderes. Jule schlug vor, dass wir für das von uns als schwächer angesehene Team einen Case machen sollten, begründen also, was diese auf Platz Eins bringt. Dadurch sollten wir die Argumente des Gegenüber verstehen und uns noch einmal tiefer mit den Reden auseinandersetzen. Dadurch konnten wir uns gegenseitig besser verstehen. Sie half mir außerdem dabei, meinen Call besser zu begründen. Ich hatte oft ähnliche Platzierungen, aber es viel mir doch schwer, sie im Panel rechtfertigen. In den geschlossenen Runden durfte ich chairen. Ich hatte in der ersten Debatte große Schwierigkeiten, die Jurorendiskussion zu leiten und so brauchten wir viel zu lange, um zu einem Ergebnis zu kommen. Da war es auch praktisch, eine Mentorin zu haben, die ich danach um Rat fragen konnte. Wenn man merkt, dass eine Debatte sehr wirr ist, ist es am Anfang wichtig, erstmal einen gemeinsamen Konsens zu schaffen und so zu versuchen, einen Call herzuleiten.
Für die Zukunft werde ich vor allem versuchen, den Perspektivwechsel öfter einzusetzen, dies ist eine gute Möglichkeit, beide Nebenjuroren in die Diskussion miteinzubeziehen. Ich werde zudem versuchen, in den Clubdebatten die Jurorendiskussionen produktiver zu leiten und meine Nebenjuroren animieren, ihre Argumente gut zu begründen.“
Pascal Schaefer: „Ich finde, besonders auf größeren Turnieren, wo wir sehr viele erfahrene Juroren finden, sollten Chefjuroren darauf achten ein Mentorenprogramm anzubieten. Sie profitieren selber davon, wenn sie als Redner auf dem nächsten Turnier vor einem gut ausgebildeten Panel reden.
Glücklicherweise ist der Zeitaufwand relativ gering. Es gibt Überschneidungen: Während die Mentoren Rede und Antwort stehen, bereitet die Chefjury die nächste Setzung vor. Bei Turnieren der Größe einer ZEIT DEBATTE kann dies ohne Probleme geleistet werden. Dazu kommt, dass wir als Szene von den neu motivierten Juroren enorm profitieren. Oftmals können sie zum ersten Mal Feinheiten erlernen und auch explizit zu Themen Fragen stellen die sie beschäftigen. Noch kein Meister fiel vom Himmel und es ist enorm befriedigend für junge Juroren, wenn sie merken wie sehr sie sich im Laufe des Turniers verbessern. Mit dem neuen Kontakt kann man sich auch zukünftig austauschen, auch noch lange nach dem Turnier. Ich selbst hatte das Glück einen ehemaligen WUDC-Chefjuroren als Mentor zu haben und diesem immer wieder Fragen stellen zu dürfen. Es ist sehr hilfreich um den eigenen Blick zu schärfen und es ist auch ein schönes Gefühl, wenn man einem jungen Juror etwas mit auf den Weg geben kann und miterleben kann, wie dieser sich darüber freut. Eine weitere Sache die wir mit unserem Ansatz des Mentorenprogrammes angehen wollten ist die fehlende KO-Rundenerfahrung. In den Vorrunden haben wir 15 Minuten Zeit für die Entscheidungsfindung. Die Erfahrung von Juroren in Panels ist oft sehr unterschiedlich, so dass kaum Zeit bleibt für eine Diskussion, die wir aus den Finalrunden kennen. Die Debatten der Finalrunden sind oftmals von gehobener Qualität. In diesen guten Debatten kann man aber als Juror besonders viel lernen. Deswegen wollten wir den jungen Juroren die Möglichkeit geben eine solche Diskussion zu erleben und erlaubten ihnen, ihren Mentoren ins Halbfinale zu folgen, sofern alle beteiligten Juroren damit einverstanden waren.
Es hilft wenn man sich für das Feedbackgeben an sehr erfahrenen Juroren orientieren kann und auch mal nachfragen kann, wie man sich noch verbessert oder worauf man achten sollte.“
Gibt es denn auch mögliche Probleme?
Jule Biefeld: „Ich bin mal so frei und spreche auch Probleme an, die ich an dem ganzen Progamm sehe. Wir stellen es gerade etwas zu rosarot dar. Am Ende kommt es dann nämlich doch auf die beiden Personen an, die an diesem Programm teilnehmen. Wenn ich einen Mentor/Mentee habe, den ich einfach nicht mag, dann habe ich doch schon ein Problem. Niemand arbeitet dann gerne mit der anderen Person zusammen. Ich würde nicht gerne mit einem anderen ein Wochenende im Raum sitzen und jurieren, wenn ich ihn einfach nicht mag. Eine Runde, okay. Aber mehr? Da geht einem doch die Motivation verloren.“
Oliver Schönian: „Und dadurch, dass es das Mentoren/Mentee-Team gibt, könnte es einem dritten Nebenjuror schwerer fallen, sich mit einzubringen. Unerfahrene Juroren, die leider keinen Mentoren zugewiesen bekommen haben, könnten dann noch weniger Ansprechpartner haben. Zudem ist es möglich, dass man nur noch von einem Juror lernt, und somit könnte man Tricks und Kniffe von anderen Juroren verpassen.“
Wie sieht es denn Orga-technisch aus?
Jule Biefeld: „Jetzt haben wir ja schon Einiges aus dem Teilnehmerfeld gehört, aber wie sieht es denn aus einer Orgaperspektive aus?“
Pascal Schaefer: „Wenn man will, dass das Bewerten von Debatten attraktiver wird, muss man auch Möglichkeiten zum Lernen schaffen. Debattierer bereiten die Reden vor, reden und bekommen Feedback. Dadurch können sie sich verbessern. Juroren hören sich die Debatte an, nehmen am Entscheidungsfindungsprozess teil, bekommen aber selber kein Feedback. Durch ein Mentorenprogramm werden die Hürden abgebaut, man weiß, dass man alles fragen kann, denn die Mentoren haben sich bereit erklärt, ihr Wissen weiterzugeben. Dafür muss Zeit eingeplant werden. Genauso wie ich die 15 Minuten fürs Rednerfeedback einplane muss ich bedenken, dass die Setzung etwas mehr Zeit braucht um die Mentoren und Mentees miteinander zu setzen.“
Das persönliche Fazit?
Jule Biefeld: „Die ZEIT DEBATTE Leipzig (und auch Berlin) wurde für mich durch das Programm aufgewertet. Auch wenn der Erfolg des Programms von den Teilnehmern abhängt hoffen wir alle auf eine Wiederholung auf anderen Turnieren. Da hoffen wir natürlich auch, dass sich nach diesem Artikel noch weitere Veranstalter überlegen, vielleicht auch ein solches Mentorenprogramm zu starten.“
Jule Biefeld/lok.
Jule Biefeld war von 2014 bis 2015 Vorsitzende der BiTS Debating Society. Als Jurorin breakte sie auf verschiedenen nationalen und internationalen Turnieren, etwa auf dem Budapest Open 2015 und sowie verschiedenen ZEIT DEBATTEN. Sie studiert an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an der Saale und debattiert im Club Klartext Halle e.V.
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