Schönrederei gewinnt die ZEIT DEBATTE Hamburg

Datum: 11. Januar 2016
Redakteur:
Kategorie: Turniere, ZEIT DEBATTE

Julius Steen, Sabrina Effenberger und Peter Giertzuch haben die ZEIT DEBATTE Hamburg gewonnen. Thema des Finals war: „Sollten Gefährder erheblich in ihren Freiheiten beschränkt werden können, ohne dass sie bereits konkrete Straftaten geplant haben?“ Die drei Heidelberger setzten sich als Opposition mit 261,4 zu 252,8 Punkten gegen das Team Berlin B (Stefan Torges, Kai Dittmann, Alexander Hans) durch. Kai wurde von der prominenten Ehrenjury, bestehend aus Friedemann Schulz von Thun (Kommunikationspsychologe), Prof. Dr. Michael Fehling (Professor für Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School), Carsten Ovens von der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) und Thore Wojke von der Deutschen Debattiergesellschaft, zum besten Redner der Debatte gekürt.

Rederei gewinnt ZEIT DEBATTE Hamburg

Siegreich in Hamburg: Kai, Peter, Julius und Sabrina (v.l.n.r.) (c) Felix Schledding

Jonathan Scholbach, Christoph Saß und Lennart Lokstein komplettierten die Debatte als Fraktionsfreie Redner.

Juriert wurde das Finale von den Chefjuroren Barbara Schunicht und Nikos Bosse sowie Christian Strunck, Elin Böttrich und Patrizia Hertlein. Alexander Ropertz präsidierte die Debatte. Chefjuror Willy Witthaut zog sich „für ein ausgeglicheneres Panel“ von der Finaljurierung zurück.

Die Themen im Überblick

VR1: Sollte es legalisiert werden, verbindliche Verträge über eine Leihmutterschaft abzuschließen und durchzuführen?

VR2: (Infoslide: Campact und vergleichbare Organisationen sind Protestplattformen, die tagespolitische Meinungen bündeln, Unterstützer bzw. Gegner von politischen Maßnahmen mobilisieren und so versuchen, Druck auf Regierungen, Parteien und Organisationen auszuüben. Dabei folgen sie keiner dauerhaft bestimmten Ideologie. Die Finanzierung solcher Plattformen erfolgt ausschließlich über Spenden und Förderbeiträge, aber sie dürfen, im Gegensatz zu Parteien und vielen anderen NGOs, Spender und Förderer der Öffentlichkeit gegenüber anonym halten und genießen den Status der Gemeinnützigkeit. Campact hat nach eigenen Angaben 1,7 Millionen Unterstützer.)
Bedauern wir das Bestehen von Aktionsplattformen wie Campact?

VR3: Sollte in industrialisierten Staaten die Nutzung von Tieren durch den Menschen verboten werden?

VR4: Soll Bargeld abgeschafft werden?

VR5: (Infoslide: Bereits heute gibt es Medikamente und operative Eingriffe, die darauf abzielen, die äußere ethnische Erscheinung einer Person dauerhaft zu verändern, beispielsweise die Hautfarbe oder die Augenform. Weitere Methoden werden zur Zeit erforscht und entwickelt.)
Sollte es Personen verboten werden, ihr äußeres ethnisches Erscheinungsbild dauerhaft zu verändern?

HF: (Infoslide: Soziale Netzwerke wie Facebook verwenden automatische Filteralgorithmen, um vorauszusagen, welche Informationen und Inhalte für einen Nutzer relevant sein könnten und ihm daher bevorzugt angezeigt werden sollten. Hierfür wird auf verschiedenste über den Nutzer verfügbare Daten zugegriffen, unter anderem sein Standort, aber insbesondere auch seine Suchhistorie, sein Klickverhalten und seine persönliche Interessen. Aus der Verwendung der Filteralgorithmen resultiert das Phänomen der „Filterblase“ (engl. Filter bubble), welches dazu führt, dass Nutzer wesentlich häufiger mit Inhalten der eigenen (politischen) Meinung bzw. Interessen und Updates stets derselben Kontakte konfrontiert werden. Die Erstellung der Filterblase erfolgt weder transparent, noch können Nutzer einen direkten Einfluss auf sie nehmen.)
Sollte es Sozialen Netzwerken verboten werden, Filteralgorithmen anzuwenden?

F: (Infoslide: „Gefährder“ sind Personen, bei denen die Polizeibehörden aufgrund bestimmter Tatsachen davon ausgehen, dass sie ohne zu Zögern bereit wären, schwere polititsch motivierte Straftaten zu begehen. Es liegen den Polizeibehörden aber keine konkreten Hinweise auf eine geplante Straftat vor. Diese Gefährder könnten beispielsweise von Ideologien überzeugt sein, die den Einsatz von Gewalt gegen andere Menschen und das rechtsstaatliche, demokratische, politische System rechtfertigen und sogar fordern. Sie können zudem sogar fest in sozialen Strukturen verwurzelt sein, die einen solchen Einsatz von Gewalt gutheißen und verlangen. Sie müssen nicht notwendigerweise bereits Straftaten begangen haben. Zurzeit halten sich in Deutschland mehrere Hundert solcher Gefährder auf.)
Sollten Gefährder erheblich in ihren Freiheiten beschränkt werden können, ohne dass sie bereits konkrete Straftaten geplant haben?

hoe/hug – zuletzt aktualisiert am 14. Januar 2016 um 16.20 Uhr

 

 

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13 Kommentare zu “Schönrederei gewinnt die ZEIT DEBATTE Hamburg”

  1. Dai Kittmann sagt:

    Herzlichen Glückwunsch nach Heidelberg. Eine tolle Leistung im Debattieren von euch.

    Komplett losgelöst vom sportlichen Teil finde ich die Themenwahl wenigstens fragwürdig für ein ZEITDebatten-Finale.
    Bei Kenntnis der Gefährderzusammensetzung (427 Personen werden derzeit in Deutschland nach Informationen von tagesschau.de als islamistische Gefährder eingestuft – Stand 11/15) ist eine Regierung dazu gezwungen möglicht emotional und übertrieben Angst vor „islamistischem“ Terrorismus zu schüren um zu gewinnen. Man kann noch so differenziert dabei sein, am Ende muss man über übertriebene Angst gehen, sonst kann man eine solche weitgehende Maßnahme nicht „begründen“.

  2. Christan (MZ) sagt:

    Ich denke nicht, dass man über übertriebene Angst gehen muss. Gerade wenn man solche polizeilichen Maßnahmen beantragt und dabei Abwägungen zu juristischen Fragen vornimmt. Wie ihr im Finale selbst (richtigerweise) gesagt habt, gibt es ja bereits im status quo präventive Maßnahmen, insbesondere bei konkreten Gefahren. Der wesentliche Unterschied wäre es nun, auch bei abstrakten (!) Gefahren, die von bestimmten Personenkreisen ausgehen, Maßnahmen zu treffen. Da islamistischer Terror durchaus real ist, wäre das in meinen Augen eine klassische Abwägung zwischen mehr Sicherheitsmaßnahmen auch bei abstrakten Gefahren im Verhältnis zur individuellen Freiheit. Solche Beschränkungen werden in der Politik öfter mal als Reaktion auf Ängste betrieben, aber angesichts dessen, dass es zuletzt ja auch tatsächlich Anschläge gab (Paris, Istanbul und auch in Deutschland gab es in den vergangenen Jahren schon konkrete Versuche), denke ich, dass man so etwas nicht mit übertriebener Angst rechtfertigen muss, sondern dass man dabei auch eine klassische Abwägung machen kann, indem man die besonderen Gefahren durch solche Gefährder anschaulich macht. Einerseits die reale Gefahr von Anschlägen, andererseits die Gefahr, die durch die Verbreitung von entsprechenden Denkmodellen ausgeht und das man hier entsprechend frühzeitig Bescheid wissen muss, wo, wie und zwischen wem entsprechende Kommunikation stattfindet, um noch frühzeitiger eingreifen zu können. Angesichts der realen Anschlagsgefahr würde ich das nicht als übertriebene Angstmaßnahme ansehen. Aber natürlich müsste man es trotzdem mit den Rechten der betroffenen Personen abwägen und sich fragen, ob einem das mehr an gewonnener Sicherheit diese Einschränkungen wert wäre und das wäre dann die konkrete Debatte. Jurastudenten beschäftigen sich ständig mit solchen Abwägungen im Bereich des Polizei- bzw. des sonstigen Gefahrenabwehrrechts und das Argument der „übertriebenen Angst“ bzw. einer ängstlichen Bevölkerung als Begründung für Freiheitsbeschränkungen ist mir da ehrlich gesagt noch nie begegnet. Im Gegenteil, ich finde, man kann und sollte eine solche Debatte gerade auf Regierungsseite möglichst ruhig und sachlich führen und klar machen, dass man sich der besonderen Einschränkungen, die aus beantragten Maßnahme resultieren, bewusst ist. Der nächste Schritt ist dann zu erklären, warum die besonderen (abstrakten) Gefahren entsprechende Einschränkungen aber trotzdem rechtfertigen. Das ist natürlich nicht so leicht, das ist mir schon klar, aber ZD-Finalthemen müssen ja auch nicht immer leicht sein 😉

  3. @Christian: Also alleine weil das Thema eine Abwägung darstellt, heißt es ja noch lange nicht, dass die Abwägung auch eine ausgeglichene Abwägung ist. Der Schießbefehl war auch eine Abwägung zwischen dem Selbsterhaltungstriebs des Staates und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Trotzdem würde ich das Thema „DHW einen Schießbefehl erlassen“ nicht gerade als Finalthema stellen, weil die Abwägung der meisten Menschen sehr intuitiv, sehr schnell und sehr eindeutig die Opp vorne sehen würde – und das, bevor der erste Redner der Regierung überhaupt nur das Pult erreicht, geschweige denn ein Argument ausgeführt hat.

    Ich habe jetzt schon mit anderen Menschen über das Thema gesprochen, die ähnliche Argumente wie du angeführt haben und habe jetzt lange genug darüber nachgedacht, wo der Staat in ähnlicher Weise präventiv aktiv wird, dass ich tatsächlich glaube, dass dieses Debatte geführt werden kann. Aber ich hätte mich über dieses Thema genau wie K. als Redner tierisch aufgeregt, weil ich viele fundamentale Probleme sehe, die mit diesem Antrag einhergehen, denen man aber nicht wirklich substanziell, sondern nur mit „Gibt es in anderen Bereichen auch schon!“ und „Ihr könnt nicht beweisen, dass die Terroranschläge auch dann NICHT stattgefunden hätten, wenn wir niemanden präventiv festgenommen hätten!“ begegnen kann. Klar, OPD ist ein Publikumsformat und das Publikum gewinnt man über Emotionen – aber nur Emotionen und Taschenspielertricks zu benutzen, sind als Regierung jetzt nicht wirklich erfüllendes Debattieren….

  4. Julian Ohm (B) sagt:

    MMn ist dies auch Ausdruck eines generellen OPD Problems, da an die Regierung zu hohe Ansprüche für einen Antrag gestellt werden, ohne dass dies Entsprechend gewürdigt wird. Dies führ fast von vornherein dazu, dass bei zu komplexen Themen mit zu vielen Akteure und unklaren zusammenhängen, die Regierung gegen eine gute Opposition kaum inhaltlich gewinnen kann. Da bei OPD aber auch viel über Witze und Sprachkraft läuft ist das Ganze nicht ganz so wild. So kann ein guter Schlussredner auf Regierungsseiten, da niemand mehr antworten kann, den Polemikjoker ziehen, der komischerweise häufig trotz totalverzehrter und ungenügender Auseinandersetzung mit der Debatte sehr viele Punkte bedeutet. So wird es dann zum Schluss doch knapp und fast wieder gerecht.
    #it’sfunnycauseit’strue

  5. Barbara Schunicht sagt:

    Themen für die Finals von ZEIT DEBATTEN sind naturgemäß ein gewisses Politikum und vielen – teilweise fast gegensätzlichen – Anforderungen ausgesetzt: Sie sollen von gesellschaftlicher Relevanz, anschlussfähig für ein öffentliches Publikum und kontrovers sein, völlig neu und innovativ, spannend auch für alteingesessene Debattierer und natürlich absolut ausgewogen und direkt zugänglich für alle Debattenteilnehmer.

    Als eine derjenigen, die für dieses spezielle Thema verantwortlich sind, würde ich daher gerne einige Worte sagen, warum es – gemessen an diesen Maßstäben – aus unserer Sicht richtig war, dieses Thema so zu stellen und warum es auch für die Regierung weit fairer ist als dies hier teilweise dargestellt wird.

    Vorweg eine kleine Korrektur: Der Originalwortlaut des Themas, wie es verlesen wurde, lautete: „Sollten Gefährder erheblich in ihren Freiheiten beschränkt werden können, ohne dass sie bereits konkrete Straftaten geplant haben?“ Mündlich haben wir zudem alle Teilnehmer bei der Verkündung darauf hingewiesen, dass es hier keinesfalls nur um die physische Freiheit gehen muss, sondern vor allem an Maßnahmen wie elektronische Fußfesseln, Telekommunikationsüberwachung, präventive Platzverweise bei Großveranstaltungen, etc. gedacht werden könnte. Wir haben bewusst darauf verzichtet, entsprechende Maßnahmen in das Thema zu schreiben, da dies die Debatte weg von der prinzipiellen Frage gelenkt hätte (nämlich ob präventive polizeiliche Maßnahmen gegen die Gefährder grundsätzlich eingesetzt werden dürfen) und hin zu einer bloßen Behauptungsdebatte, wie effektiv sich ein einzelnes Mittel konkret erwiesen hätte.

    Die Frage, wie mit Gefährdern umgegangen werden soll, ist von gesellschaftlicher Relevanz. Die Forderung, ihnen elektronische Fußfesseln anzulegen, hat es in den vergangenen Monaten schon mehrfach in die Zeitungen geschafft. Von noch höherer Relevanz ist die dahinter stehende größere Frage, wie der Rechtsstaat auf den zunehmenden Terrorismus reagieren soll. Wenn das Debattieren tatsächlich seinem Anspruch nachkommen will, gesellschaftlich relevante Fragen von allen Seiten zu beleuchten und kritisch zu untersuchen, dann ist dies definitiv ein Themenkomplex, der diesem Anspruch gerecht wird. Die relevante Frage, die zu klären bleibt, ist damit, ob das Thema fair und ausgewogen für beide Seiten ist und welche überzeugende Linie die Regierung fahren kann.

    Ich denke nicht, dass es für die Regierung erforderlich ist, die Polemikkarte und den übertriebene-Angst-vor-Islamismus-Joker zu ziehen; jedenfalls nicht mehr als die Opposition den Slippery Slope des vollständigen Überwachungsstaats als vermeintlich zwingende Konsequenz bemühen muss. Beide Punkte können in der Debatte gemacht werden, decken sie aber mitnichten vollständig ab. Wie vor allem von Christian schon sehr richtig hervorgehoben wurde, können wir schon im Status Quo erhebliche Freiheitseinschränkungen gegenüber Personen machen, die konkrete Straftaten planen. Hierbei handelt es sich vor allem um präventive polizeiliche Maßnahmen. Dagegen stellt bereits die bloße Gründung einer terroristischen Vereinigung sogar ein Verbrechen dar, das strafrechtlich geahndet werden kann – ganz ohne dass hierbei bereits Rechtsgüter konkret bedroht gewesen wären. All diese Maßnahmen lassen uns trotzdem nicht daran zweifeln, dass wir in einem funktionierenden Rechtsstaat leben. Der Antrag der Regierung bedeutet – wie von Christian erklärt – insoweit nur eine graduelle weitere Vorverlagerung. Dieser die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen – ohne dabei auf einen rein spekulativen Slippery Slope zu geraten – ist eine extreme Herausforderung für die Opposition in der Debatte, die damit keinesfalls nur für die Regierung Schwierigkeiten bereitet.

    Tatsächlich ist es eine der Kernfragen der Debatte, auf welcher Seite am Ende der bessere Schutz der Rechtsstaatlichkeit eintritt. Natürlich hat die Opposition zunächst den Claim, dass der Rechtsstaat sich gerade dadurch auszeichnet, dass er auch im Angesicht der Krise stark bleibt. Die große Frage ist aber, ob auch das den Rechtsstaat stützende demokratische Volk diese Stärke im Angesicht eines erfolgten Terroranschlags beweisen würde. Die Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte machen dies extrem zweifelhaft: Tatsächlich wurden nach fast jedem erfolgreichen oder auch nur konkret versuchten Terroranschlag massive Einschränkungen von Freiheitsrechten *aller* Bürger in Recht und Gesetz gegossen – oft unter dem großen Jubel der Öffentlichkeit. Es ist damit durchaus eine legitime Frage, ob sich der Rechtsstaat nicht am Ende besser schützen lässt, wenn durch Einschränkung der Freiheitsrechte einiger weniger die Freiheiten der überwiegenden Mehrheit langfristig gewahrt werden. Dies gilt umso mehr, als diese wenigen diesen Rechtsstaat nicht schätzen, sondern ihn zerstören und damit diese Freiheiten abschaffen wollen. Eben hier spielt ein Großteil der Debatte.

    Freilich kann die Opposition hierbei darüber reden, dass ein Kernelement des Rechtstaats ist, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, solange sie keine Rechtsgüter gefährdet und keine Straftaten begangen haben. Natürlich kann sie darauf verweisen, dass Strafansprüche erst bei strafbarem Verhalten entstehen. All dies muss aber tatsächlich in Abwägung dazu gesetzt werden, warum es dennoch ok ist, bereits im Status Quo Gefährder ggf. vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen und beispielsweise auch fehlgeschlagene Versuche strafrechtlich zu ahnden, obwohl doch niemand zu Schaden kam. Es ist eine legitime Frage, ob angesichts des zu erwartenden Backlashes eines Terroranschlags tatsächlich eine derart große Veränderung darin liegt, nun auch grundsätzlich „unschuldige“, lediglich ideologisch „verblendete“ Personen (s. Factsheet) derart präventiv zu überwachen (um schneller reagieren zu können) und vlt. sogar von Taten abzuschrecken.

    Zutreffend ist somit vielleicht, dass man als Regierung Schwierigkeiten haben wird, diese Debatte aus der strikt liberalen, politisch korrekten Sphäre zu gewinnen, in der wir uns so oft in Debatten aufhalten. Solange wir aber als Debattierer den Anspruch erheben, über unsere eigenen Überzeugungen hinwegzusehen, sollte dies kein Grund sein, ein Thema nicht zu stellen. Ich hoffe, die aufgezeigten Argumente machen klar, dass man keinesfalls den Sprung in den rechten Sumpf machen muss, um eine überzeugende Linie als Regierung zu fahren. Vielmehr gibt es einen erheblichen Argumentationsraum zwischen diesem und einer rein liberalen Perspektive. Auch ist es nicht erforderlich, eine übertriebene Angst vor (islamistischem) Terrorismus zu schüren. Die abstrakte Gefahr des Terrorismus‘ ist tatsächlich real und damit auch die Frage, ob und ggf. wie wir als Rechtsstaat darauf reagieren sollten, um uns langfristig zu schützen. Ich fände es sehr schade, wenn selbst wir als Debattierer die Auseinandersetzung mit dieser Frage scheuen würden.

  6. Florian U. sagt:

    Ich bin ja kein CA-Kritiker, aber: nichts bringt Debattierer*innen so sehr aus dem Häuschen, wie bei unklarem Nutzen eine Rechtsnorm von A zu einem nahen A‘ zu verschieben. Ende des Kommentars, Anfang der Frage: aus aufrechtem Interesse und zur Vervollständigung meines Wissens und nach der Lektüre des Wikipediaartikels und des § 100a StPO (Telekommunikationsüberwachung) und § 27a PolG (Platzverweis/Aufenthaltsverbot etc.) würde ich gerne wissen: In wie fern ändern die in möglichen Anträgen skizierten Maßnahmen (s.o.) der Regierung den status quo?

  7. Nicolas (MZ) sagt:

    Ja, das wäre eine erhebliche Abweichung vom SQ, da das Thema „Gefährder“ anspricht, die noch keine konkrete Straftat begangen haben bzw. im Sinne eines Eintritts(ggf Abschluss des) in das Vorbereitungsstadium einer solchen die Ausführung oder deren Vortstufe einer Straftat erreicht haben. Dürfte auch juristisch strittig sein, wann in einem solchen Falle bspw. 100a StPO greifen kann, ein Ermittlungsverfahren mit konkretem Verdacht wird es aber schon brauchen, würde ich sagen. Rspr müsste ich nachsehen. Nach den PolG präventiv eine Maßnahme wie die von Flo genannten zu ergreifen ist im SQ rechtswidrig, respektive nicht möglich.

    Sehr juristisch feines Thema wenn man es korrekt debattieren will. Das würde ich – wie andere sehr juristisch geprägte Themen – nicht als KO-Runden Thema setzen. Das Risiko, dass Feinheiten entweder zu richtig oder zu falsch dargestellt werden ist mEn sehr hoch. Beides kann erfahrungsgemäß die Debatte „töten“. Ich plädiere seit Jahren dafür, keine juristisch zu anspruchsvollen Themen in KO Runden zu setzen, auch wenn diese – wie Barbara und Christian sicher richtig ausführen – auf einer gesellschaftspolitischen Freiheit/Sicherheit-Eben sicher debattiert werden können. Die Debatte bleibt im Kern dann doch her flach und birgt eben das Risiko horrender Fehler, die dann bewertet werden wollen – von Juristen oder Nicht-Juristen – mit eher unvorhersehbarem Ergebnis zu Lasten der richtig oder falsch argumentierenden Leute. Ziemliche Willkür was Sachverstand anbelangt, meiner Erfahrung nach. Man debattiert ja auch keine komplex naturwissenschaftlichen Themen oder dergleichen.

    Nicht falsch verstehen, ich persönlich fände das Thema interessant. Würde ich gerne debattieren. Mit Juristen, gegen Juristen und vor Juristen, versteht sich.

  8. Jonathan Scholbach sagt:

    Das scheint mir ein Bias zu sein: Juristen ärgern sich über die geringe Qualität von Jura-Debatten, Wiwis ärgern sich über die geringe Qualität von Wirtschaftsdebatten, Religionswissenschaftler ärgern sich über die geringe Qualität von Religionsdebatten, etc. Fachlich darf man das, was man in einer Debatte hört, wohl nie ganz ernst nehmen.

  9. @Barbara: Vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme – ich denke, das ist sehr hilfreich.

    @Jonathan: Es würde auch die Frage aufwerfen, was Juristen eigentlich in ihrem Studium so machen, wenn ein Laie in der Lage wäre, mit nur 15 Minuten Vorbereitungszeit innerhalb von 7 Minuten eine juristisch einwandfreie Lösung für einen Fall darzulegen, der im Normalfall vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt werden würde… 😉

  10. Andreas Lazar sagt:

    Drei Anmerkungen zu Barbaras Ausführungen:

    „Dagegen stellt bereits die bloße Gründung einer terroristischen Vereinigung sogar ein Verbrechen dar, das strafrechtlich geahndet werden kann – ganz ohne dass hierbei bereits Rechtsgüter konkret bedroht gewesen wären. All diese Maßnahmen lassen uns trotzdem nicht daran zweifeln, dass wir in einem funktionierenden Rechtsstaat leben.“
    –> Solche Maßnahmen lassen einige durchaus daran zweifeln, dass wir in einem Rechtsstaat leben, der im Zweifelsfall unsere Freiheit schützt. Ich halte es daher für schwierig, weitere einschränkende Maßnahmen damit zu begründen, dass sie nur kleine Verschärfungen eines allgemein akzeptierten Status Quo seien, wenn er eben nicht allgemein akzeptiert ist. Und das bedeutet, dass die Regierung mehr Terrain abdecken muss, falls die Opposition auch den Status Quo bereits als zu weitgehend bezeichnen sollte. Es ist z.B. leicht vorstellbar, einleuchtend zu argumentieren, dass wir uns bereits auf dem Slippery Slope befinden und daher nicht weiter abrutschen, sondern umkehren sollten.

    „Tatsächlich wurden nach fast jedem erfolgreichen oder auch nur konkret versuchten Terroranschlag massive Einschränkungen von Freiheitsrechten *aller* Bürger in Recht und Gesetz gegossen – oft unter dem großen Jubel der Öffentlichkeit.“
    –> „Millionen Fliegen“ ist kein tragbares Argument. Wenn es eins wäre, könnte man damit auch z.B. präventive Exekutionen mutmaßlicher Terroristen o.ä. begründen. Es ist auch ein falsches Dilemma, zu sagen, dass wir nur die Wahl zwischen der Einschränkung der Freiheit aller oder der Einschränkung der Freiheit weniger hätten, zumal aus diesen „Wenigen“ sehr leicht „Viele“ werden können. Wie wäre es stattdessen mit keiner Einschränkung der Freiheit für niemanden?

    „Die abstrakte Gefahr des Terrorismus’ ist tatsächlich real und damit auch die Frage, ob und ggf. wie wir als Rechtsstaat darauf reagieren sollten, um uns langfristig zu schützen.“
    –> Diese Gefahr kann man ebenfalls recht leicht bestreiten. Terrorismus kann uns als Staat und Gesellschaft nichts antun, das können wir nur selbst (und tun es leider fleißig). Wir zerstören auch nicht alle Süßwarenautomaten, nur weil sie durch Umfallen jährlich mehr Menschen töten als Terrorist*innen.

    Zusammengenommen eröffnet sich in dieser Debatte meines Erachtens für die Opposition viel starker argumentativer Raum, wenn sie den Status Quo hinterfragt oder ablehnt, auf den sich die Regierung stützen und den sie sogar ausdehnen muss. Das zeigt für mich die Gefahr einer möglicherweise unbalancierten Debatte. Sie mag im realen öffentlichen Diskurs prominent sein, aber es ist nicht gesagt, dass der öffentliche Diskurs in irgendeiner Form balanciert ist. Oder gesund.

  11. Julian Ohm (B) sagt:

    Nach Barbaras erklärung, kann ich nicht sagen, dass ich das Thema unfair finde. Habe aber keine Lust die lange erklärung zu schreiben…

  12. Benedikt R. sagt:

    Also ich denke schon, dass es allgemein akzeptiert ist (in der normalen Bevölkerung), dass derartige Dinge wie Gründen einer terroristischen Vereinigung strafbar sind. So etwas wurde ja ganz im Gegenteil wie bereits dargelegt mit der Mehrheit im Rücken, insbesondere nach Amschlägen etc., beschlossen. Ich glaube die Debattierwelt ist da etwas linksliberaler im Mittel. Für viele ist Sicherheit eben doch wichtiger als (absolute) Freiheit.
    Dies gilt übrigens sogar, wenn der Angst tatsächlich nicht einem realen Drohpotential entspringt: Wenn ich mich auf öffentlichen Plätzen und Veranstaltungen, begründet oder nicht, nicht sicher fühle, schränkt das meine Freiheit ein. Im Extremfall weil ich nicht hingehe, aber auch nur wenn ich dabei ein schlechtes Gefühl habe und dadurch mein Erlebnis besagter Veranstaltung leidet.

  13. Benedikt R. (HD) sagt:

    Schlussfolgerung wäre, keine Einschränkungen gibt es nicht.
    Ich kenne eine Gruppe von Freunden, die eigentlich geplant hatten zum Oktoberfest zu gehen nächstes Jahr und nach Paris zumindest nach momentanen Stand das nicht wollen. Wenn ich mal weg von jeglicher Rhetorik einfach eine Rechnung mache: Sagen wir, es geht mehreren tausend Leuten deutschlandweit so. Wäge es dagegen ab, 500 Gefährdern zu verbieten auf das Oktoberfest zu gehen.
    Natürlich ist das kein Prinzip, was ein Rechtsstaat unbedingt anwenden soll. Dies sollen ja auch nur Punkte sein, warum es (auch) genauso intuitiv sein kann auf Regierungsseite zu reden.
    Even if case: Mal ganz abgesehen davon unterstützte ich auch Barbaras Punkt, dass man bei öffentlichen Finals andere Kriterien mind. genauso gewichten sollte wie nur danach zu suchen, ob ein Thema wirklich für jeden ausgeglichen sein wird zu 100%. Die Seite wird gelost, jede Menge Zufall ist sowieso dabei (wem liegt welches Thema mehr), ich glaube in der Abwägung ist die Außenwirkung des Themas damit genauso relevant. Es gibt noch genug Zeitdebatten zu gewinnen. Zumindest solange die Zeit eben den Effekt für die Öffentlichkeit sieht.

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