Patentrezepte, Wertschätzung und ein paar Ratschläge: Ein Gespräch mit VDCH-Präsident a.D. Tobias Kube
Lieber Tobias, du warst zwei Jahre lang Mitglied im Vorstand des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH), ein Jahr davon als dessen Präsident. Wie zufrieden bist du mit deiner Arbeit?
Ich bin schon ziemlich zufrieden. Die Hauptaufgabe, auf die ich zwei Jahre hingearbeitet habe, war es, den Kooperationsvertrag mit der ZEIT zu verlängern, der zum Ende der vergangenen Saison ausgelaufen ist. Das ist uns geglückt, und zwar ohne dass der Förderbetrag verringert wurde, wie das in den Jahren zuvor geschehen ist. Auch alle anderen Förderverträge konnten wir verlängern.
Wir konnten auch in der Clubvernetzung, der Wissenssicherung und der Clubbetreuung Akzente setzen. Darin habe ich viel Zeit investiert. Ich habe das Gefühl, dass im Moment viele Clubs sehr aktiv sind und der Austausch der Clubs untereinander durch den Kick-off und andere Foren gut funktioniert. Das ist eine tolle Entwicklung.
Ist jetzt die Finanzierung der großen Turniere auf Dauer sicher?
In den Dimensionen, in denen wir uns bewegen, kann sie auf Dauer nie sicher sein. Mit der Verlängerung des ZEIT-Kooperationsvertrages ist die Turnierserie aber immerhin für zwei Jahre sicher. Dauerhaft sichern lässt sich die Finanzierung meines Erachtens nur durch eine starke Einbeziehung der Alumni.
Bei deiner Bewerbung zum VDCH-Präsidenten hast du gesagt, du wolltest verschiedene Herangehensweisen ausprobieren, wie man das Debattieren am besten in der Öffentlichkeit sichtbarer machen kann. Welche Herangehensweise ist die Richtige?
Wenn das so einfach wäre mit dem Patentrezept! Letztendlich muss man immer vielgleisig fahren und verschiedene Anstrengungen unternehmen, damit die Chance besteht, dass einige Sachen wirklich erfolgreich sind. Was in den letzten zwei Jahren gut funktioniert hat, ist prominente Ehrengäste einzuladen und sie als Multiplikatoren zu nutzen. So können bekannte Persönlichkeiten das Debattieren in ihrem Umfeld bekannt machen und als Türöffner fungieren. Viele haben beispielsweise miterlebt, wie das bei der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft in Münster in diesem Jahr gelungen ist: Ulrich Matthes, den ich eingeladen hatte, hat mit Bundestagspräsident Norbert Lammert über das Debattieren gesprochen und ihm eine Nachricht im Anschluss an die Finaldebatte geschickt. Für die ZEIT DEBATTE in Berlin in dieser Saison hat mir Gregor Gysi zugesagt. Auch bei ihm hoffe ich auf einen Multiplikator-Effekt.
In meiner Vorstandszeit ist außerdem die ZEIT DEBATTEN-Facebookseite entstanden. Sie hat zwar bisher über die Debattierszene hinaus noch keine besonders große Reichweite. Sie wächst aber stetig und hin und wieder erreicht sie den Freundeskreis eines Ausrichterclubs, wenn wir zum Beispiel Beiträge mit Videoausschnitten und Fotos von den Finalveranstaltungen zeigen, die das Debattieren greifbar machen. Es gibt also einige Bereiche, in denen wir Fortschritte gemacht haben. Trotzdem muss man sagen, dass es ein sehr mühsamer Prozess ist. Man muss dran bleiben, dann kann die Sichtbarkeit wachsen. Aber nicht von heute auf morgen und auch nicht mit einem großen Paukenschlag.
Im Vorfeld der Mitgliederversammlung im August gab es den Vorwurf, die Vorstandswahlen würden ausgeklüngelt werden. Ist die Nachfolgersuche zu intransparent?
Das ist ein schwieriges Thema, das für mich auch ziemlich frustrierend gewesen ist. Ja, angesichts der doch massiven Kritik, die es gab, würde ich sagen, dass sie zu intransparent ist. Man sollte sich auf der anderen Seite trotzdem fragen: Was wäre ein besseres System und woran würde man das messen? Ob es wirklich eine bessere Lösung gibt, da bin ich mir nicht sicher. Doch dass der Status Quo Probleme hat, ist offensichtlich.
Ein Debattierer hat einmal in einem sehr polemischen Kommentar geschrieben: Die Vorstandsarbeit sei solch ein Knochenjob, das würden sich nur die Menschen antun, die die damit verbundene Macht genießen. Was hat dich angetrieben, dich zu engagieren?
Ganz sicher kein Machtstreben. Ich weiß nicht, woher diese Illusion kommt, dass man sich im VDCH-Vorstand besonders mächtig fühlen könnte. Ich habe das nie so empfunden. Wenn Leute solche Motive hätten, würde ich das auch sehr zweifelhaft finden, vor allem, weil es an der Idee vorbeigeht, die wir verkörpern. Ich habe meine Aufgabe immer darin verstanden, das deutschsprachige Debattieren voranzubringen und die Idee des Debattierens in die Gesellschaft zu tragen. Ich selbst habe durch das Debattieren unheimlich viel gelernt und viele spannende Leute kennen gelernt. Ich hatte Spaß daran, die Idee des Debattierens zu verbreiten und noch mehr Menschen dafür zu begeistern. Ich habe mir im Vorfeld schon gedacht, dass mir das Spaß machen würde und hatte dann auch tatsächlich große Freude daran. Aber nein: Mächtig habe ich mich ganz sicher nicht damit gefühlt.
Was, glaubst du, sollte sich in der Szene verändern, damit die Arbeit im Verbandsvorstand attraktiver wird?
Ich glaube, und das meine ich ernst: Diejenigen, die zufrieden sind mit der Arbeit des Vorstands sollten das häufiger sagen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, die zufrieden mit der Vorstandsarbeit sind, in der Regel nichts sagen, und man entsprechend wenig positive Rückmeldungen bekommt. Andererseits ist die Gruppe, die mit der Arbeit unzufrieden ist, oft sehr laut, sehr konfrontativ und aggressiv und nicht selten auch beleidigend. Dabei ist das, wenn man seine Arbeit gut macht, eigentlich nur eine Minderheit. Das erzeugt aber ein Klima, in dem die Arbeit wenig Spaß macht – man fragt sich: Warum tut man das eigentlich?
Es ist auch für Externe abschreckend zu sehen, wie Leute viel Zeit investieren, viel einstecken und wirklich auch viele Abstriche im privaten und beruflichen Kontext machen, nur um dann unreflektierte negative Rückmeldungen zu bekommen. Das ist frustrierend. Das war auch oft der Grund, warum Leute abgesagt haben, wenn sie überlegt haben, für den Vorstand zu kandidieren.
Ich will damit keinesfalls um Mitleid betteln. Ich wusste im Vorfeld natürlich, worauf ich mich eingelassen habe. Aber wenn sich etwas ändern soll, damit die Arbeit attraktiver wird, würde ich eindeutig sagen: Genau dieses Klima.
Was gibst du dem neuen und den zukünftigen Vorständen mit auf den Weg?
Eine Lehre, die ich aus dem vergangenen Jahr gezogen habe, ist, dass der Vorstand aktiv in die Szene kommunizieren sollte, was er tut. Als am Ende der vergangenen Saison Kritik laut wurde, hatte ich den Eindruck, dass viele kein Bild davon haben, was wir tun und was für ein umfangreicher Job das eigentlich ist. Ich glaube, der neue Vorstand sollte sich darum bemühen, transparenter zu machen, was er leistet und wie er das tut.
Zudem glaube ich, dass auch der neue Vorstand sich auf das Kerngeschäft beschränken sollte. Als vor drei Jahren die Finanzierung der ZEIT DEBATTEN sehr unsicher war, hatte man versucht, möglichst viele neue Partner hinzuzugewinnen und neue Projekte zu starten. Es ist unbestritten, dass viele davon das Debattieren auch sehr vorangebracht haben. Die Arbeitsbelastung ist dadurch jedoch erheblich gestiegen. Gerade für den Präsidenten und den Schatzmeister sind dadurch viele neue Aufgaben hinzugekommen. Man muss aufpassen, sich da nicht zu verzetteln, sondern klare Ziele verfolgen und Prioritäten setzen. Das Kerngeschäft war aus meiner Sicht immer die ZEIT DEBATTEN-Serie und ihre Finanzierung. Man kann natürlich auch andere Schwerpunkte setzen, muss sich aber dennoch immer die Frage stellen, worauf der Fokus der Arbeit liegen soll.
Und zuletzt sollte der Vorstand sich Aufgaben suchen, an denen er Freude hat und bei denen er persönliche Interessen und Kompetenzen einbringen kann. Die Arbeit ist zum Teil undankbar und vor allem sehr umfangreich. Nur wenn man Aufgaben hat, die einem Spaß machen, wird die Arbeit auch erfolgreich sein können.
Wie geht es für dich persönlich weiter?
Ich habe im Oktober mit meiner Promotion und einer begleitenden Psychotherapieausbildung begonnen. Das spannt mich aktuell ziemlich ein. Was ich im Debattieren aber gerne weiterführen möchte, ist das Jurieren. Das finde ich sehr spannend und herausfordernd. Zudem versuche ich als Beirat für Sponsoring und externe Kommunikation, den Vorstand mit ein paar Kontakten, die ich betreut oder geknüpft habe, und die sich nicht so gut übergeben lassen, zu unterstützen und zu beraten. Insgesamt bin ich aber deutlich zurückgestiegen und lasse den Vorstand frei seine Arbeit machen. Hoffe ich jedenfalls.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Jonas Huggins.
hug/ama
Tobias Kube begann Ende 2010 im beim Brüder Grimm-Debattierclub Marburg zu debattieren. Er gewann unter anderem den Streitkultur-Cup 2013 und 2015 sowie den Brüder Grimm Cup 2014. 2012 erhielt er den Nachwuchspreis der Deutschen Debattiergesellschaft e.V. (DDG). Er war Präsident seines Clubs von 2011-2013 sowie von 2013-2015 Mitglied im Vorstand des VDCH, davon ab 2014 als dessen Präsident. Derzeit promoviert er in Psychologie.
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