„Nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden“ – Dessislava Kirova im Interview über die Bewerbung Südafrikas für die Worlds 2017

Datum: 28. Januar 2015
Redakteur:
Kategorie: International, Menschen, Mittwochs-Feature

Südafrika bewirbt sich um die Ausrichtung der World Universities Debating Championships (WUDC) 2017. Sollte die Bewerbung erfolgreich sein, wäre Dessislava Kirova gemeinsam mit Gemma Buckley aus Australien und Syed Saddiq aus Malaysia Teil der Chefjury. Anne Gaa sprach mit ihr über ihre Pläne für die Weltmeisterschaft.

Achte Minute: Wie kam es dazu, dass du vom Organisations-Team Südafrikas schon bei dem Bid für 2016 als Chefjurorin angefragt wurdest? Gibt es eine besondere Beziehung zwischen den beiden Debattierländern?

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(c) privat

Dessislava Kirova: Das war ziemlich überraschend. Auf dem Paris Open 2013 hat mich eine der damaligen Co-Organisatoren kennengelernt. So entstanden Kontakte, durch die ich auch für die Pan-Afrikanische Meisterschaft 2014 als Chefjurorin angefragt wurde. Als man noch Tab-Master brauchte, kamen Manuel Adams und Patrick Ehmann dazu. Die beiden veranstalteten mit der Tab Academy ein Online-Seminar für afrikanische Debattierer über das Tabben bei Turnieren. Bei der WUDC 2013 in Berlin enstanden auch Kontakte zu Simbabwe und Sudan, durch die Kooperationen enstanden sind.

AM: Was war der Grund, dass der Bid letzes Jahr an Griechenland statt Südafrika ging?

Dessislava: Der Hauptgrund ist, dass Südafrika zu spät an die Öffentlichkeit ging und ein Großteil des Organisations-Komitees Probleme mit Flügen und Visa hatte. Ich wurde erst im Dezember angefragt dem Panel beizutreten. Ein Monat ist zu wenig, um ausreichend Werbung zu machen.
Ein weiterer Grund ist, dass das Thema Sicherheitsbedenken die Diskussion um den Bid dominierte. Das fand ich sehr schade, weil die Sorgen eigentlich unbegründet sind. Bei den WUDC 2012 in Manila gab es im Vorhinein auch Bedenken, die sich dann als unbegründet erwiesen haben. Aber ich nehme die Bedenken trotzdem sehr ernst. Wenn die Leute sich Sorgen machen, muss man darüber reden. Das war auch der Hauptgrund, warum sich die Organisatoren dieses Jahr entschieden haben, aus Johannesburg herauszugehen und Sun City, ein Resort ein bis zwei Stunden außerhalb der Stadt, als Hauptort gewählt haben.

AM: Normalerweise wird direkt bei den Weltmeisterschaften über den Veranstaltungsort zwei Jahre später abgestimmt. Wieso wurde die Abstimmung dieses Jahr um vier Monate verschoben?

Dessislava: Das Budget des Südafrika-Bids stand noch nicht fest und es gab keine anderen Bewerber.

AM: Die Worlds chefzujurieren bietet die Möglichkeit, eigene Akzente in der internationalen Debattierszene zu setzen. Was ist eure Agenda als Chefjurorenpanel?

Dessislava: Wir werden uns auf drei große Punkte konzentrieren: Mehr Diversität bei den unabhängigen Juroren, eine umfangreichere Jurorenvorbereitung und eine Institutionalisierung der bestehenden Strukturen.
Das Jurorenfeld bei den Worlds ist häufig geografisch, geschlechtlich und hinsichtlich der Sprachkategorie homogen. Die Auswahl der unabhängigen Juroren könnte dem entgegenwirken. Natürlich steht die Jurierqualität im Vordergrund, aber wir sind zuversichtlich, dass man Qualität und Diversität gleichzeitig fördern kann.
Online gibt es schon viele Materialien, wie man ein besserer Debattierer wird. Sie richten sich leider häufig nur an Redner und selten an Juroren. Das wollen wir ändern, indem wir schon ab einem Jahr vor Beginn der Worlds Materialien und Workshops für Juroren online zugänglich machen, mit denen man sich auf unterschiedlichen Niveaus vorbereiten kann.
Damit verbunden ist auch der Punkt der Institutionalisierung: Jeder Club kennt die Herausforderung, Wissen an folgende Generationen weiterzugeben. Auf dem Level der Weltmeisterschaften wird jedes Jahr tolle Arbeit von den Chefjuroren geleistet, aber ich befürchte, dass das Potential da ist, vieles davon verloren gehen zu lassen. Wir brauchen eine Plattform, um Wissen zu sammeln, etwa in Form eines Blogs.

AM: Wie kamt ihr auf die Idee zu einem Blog und was soll er beinhalten?

Dessislava: Materialien müssen online zugänglich sein, das ist klar. In Kuala Lumpur gab es ein ausführliches Handbuch, das auf Briefings der vergangenen zwei bis drei Welt- und Europameisterschaften aufbaute. Was fehlt, ist ein fester Anlaufpunkt im Netz, wo man Material herunterladen und Beiträge erstellen kann. Wenn man akkumuliertes Wissen an einer Stelle sammelt, geht es nicht verloren. Falls Südafrika den Bid gewinnt und wir einen solchen Blog einrichten, werden wir ihn natürlich nach den Weltmeisterschaften an das folgende Chefjuroren-Team übergeben in der Hoffnung, dass er weitergeführt wird.
Ein Blog kann eine zentrale Anlaufstelle für Turniervorbereitung und Trainingsmaterial sein, Bereiche zum Austausch beinhalten, Bewerbungen für Chefjuroren und unabhängige Juroren verwalten oder Materialien zur Turnierausrichtung bereitstellen. Fast jedes Turnier hat momentan unterschiedliche Feedbackbögen für Juroren. Auf einem Blog bereitgestellte Vorlagen kann man als Chefjuror seinen Vorstellungen anpassen. Ähnlich wie mit den Handbüchern, die bei den letzten Welt- und Europameisterschaften aufeinander aufbauten: Wir müssen nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden.

BildAM: Es gibt noch drei bis vier offene Posten für stellvertretende Chefjuroren. Auf welche Weise läuft die Bewerbung ab und wie wichtig ist es, dass Kandidaten eure Ziele unterstützen?

Dessislava: Zuerst gibt es eine Bewerbung mit einem von uns erstellten Fragenkatalog. Nach Eingang aller Bewerbungen werden die Bewerber öffentlich bekanntgegeben. Danach kann jeder Feedback zu ihnen einreichen. Auf Grundlage von Bewerbung und Feedback treffen wir unsere Entscheidung. Eine erste Einschränkung ist, dass möglichst alle Debattierregionen vertreten sein sollen. Dass die weiteren stellvertretenden Chefjuroren unsere Ziele mit vertreten, ist mir ziemlich wichtig, da wir mit diesen Zielen an die Öffentlichkeit treten und sie erfüllen möchten. Noch sieben weitere Ziele dazuzupacken, wäre einfach unpraktisch. Es gibt aber auch abgesehen von großen Neuerungen noch Verbesserungsmöglichkeiten.

AM: Sind kleine Verbesserungsvorschläge erwünscht?

Dessislava: Auf jeden Fall. Das ist eine Sache, die ich auch unbedingt in die Bewerbungen aufnehmen würde. Es ist interessant zu sehen, ob und wie viele Gedanken sich die Kandidaten machen. Wenn da neue Ideen dabei sind, die gut und wichtig sind, ist das sehr gut.

AM: Wie fühlt sich das Warten auf die Entscheidung des Bids an? Rechnest du mit weiteren Bewerbern bis zur Abstimmung am 31. März?

Dessislava: Ich bin auf alles gefasst, man weiß nie. Wenn irgendein Club vorher schon mit dem Gedanken gespielt hat, kann es durchaus sein, dass die Zeit reicht, um sich noch zu bewerben. Allerdings halte ich es für relativ unwahrscheinlich, da die meisten großen Clubs schon eigene Projekte haben. Gerade ist alles sehr still geworden. In den Monaten vor der Weltmeisterschaft war sehr viel zu tun. Ich habe viel mit den anderen Chefjuroren und dem Organisations-Team geschrieben und besprochen. Momentan erscheint alles unwirklich, wie das immer ist, wenn man noch im Bewerbungsstatus ist. Auf die Abstimmung bin ich sehr gespannt. Es wäre auch OK, nicht zu gewinnen. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn Südafrika den Bid gewinnt.

AM: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anne Gaa.

gaa/hug

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Dessislava Kirova ist Siegerin der WUDC 2014 in Chennai in der Kategorie English as a Second Language. Sie war stellvertretende Chefjurorin (CJ) der European Universities Debating Championships 2013 sowie CJ der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014 und der Pan-African Championships 2014. Bereits für Südafrikas unerfolgreiche Bewerbung um WUDC 2016 war sie also CJ vorgesehen. Dessislava war Präsidentin der Berlin Debating Union e.V. von 2010 bis 2012.

 

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1 Kommentare zu “„Nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden“ – Dessislava Kirova im Interview über die Bewerbung Südafrikas für die Worlds 2017”

  1. Julian Vaterrodt sagt:

    Hi ich wollte nur mal fragen ob solche Interviews auch noch für die anderen beiden BIDS gemacht werden. Wäre vlt. auch hier interessant einen Vergleich zu haben. 🙂

Kommentare sind geschlossen.

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