Die Schlüsselkompetenz ist Empathie: Lilian Seffer über den Equity Officer bei der DDM 2014
Was bei internationalen Debattierturnieren gängige Praxis ist, soll es dieses Jahr auch auf der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) geben: Einen „Equity Officer“, auf Deutsch etwa „Fairnessbeauftragter“. Lilian Seffer wird auf der DDM diese Rolle übernehmen. Grundlage ist der „Code of Conduct“ der World Universities Debating Championships (WUDC) 2013 in Berlin, der gegenwärtig noch auf Deutsch übersetzt wird. Anders als bei der DDM, hat der Equity Officer bei internationalen Turnieren das Recht, Teams nach Verstößen gegen den „Code of Conduct“ zu disqualifizieren. Für die Achte Minute erklärt Lilian, warum es bei der diesjährigen DDM einen Equity Officer geben wird.
Wer sich dafür interessiert, hat vermutlich auf Turnieren oder innerhalb seines/ihres Clubs oder in internationalen Debattiermagazinen verfolgt, dass die Rolle von Frauen im Debattiersport immer wieder thematisiert wird. Im amerikanischen Kontext wird derzeit zudem das Thema „Weißsein im Debattiersport“ besonders kontrovers diskutiert. In Deutschland manifestiert sich dieser kritische Diskurs in der Austragung des Frauenturniers in Jena, der quantitativen Erhebung von Finalteilnahmen von Frauen etc. sowie in der immer wiederkehrenden Auseinandersetzung zur „Political Correctness“ innerhalb des Debattierens. Es bleibt festzuhalten: Unser Sport ist dynamisch, schafft sich immer wieder neue Rahmenbedingungen und hat das Potential, als Institution selbst auch hinterfragt und gestaltet zu werden.
Eine Equity Policy für große Turniere im deutschsprachigen Raum steht im Rahmen der Freiheit, das Debattieren so zu gestalten, dass es seinem Anspruch gerecht werden kann. Dieser Anspruch ist Gegenstand des konstruktiven Streits, abhängig von den gesellschaftlichen Gegebenheiten. Eine Equity Policy dient dazu, dem für die DDM 2014 ausgehandelten Anspruch an unseren Sport gerecht zu werden, einen inklusiven und sicheren Raum für alle zu schaffen, die sich auf dem Turnier auf einem kompetitiven, sportlichen Level begegnen oder in anderer Form in einem sozialen Diskurs miteinander interagieren.
Gerechtfertigt wird diese Institution durch eine Sensibilität gegenüber der Vielfalt von Identitäten in der Debattierwelt und darüber hinaus. Auf der DDM sehen wir das Potential für Diversität nicht weniger gegeben als auf internationalen Turnieren und möchten Vielfalt aktiv mit allen Beteiligten gestalten. Aus Versehen, durch Unwissenheit oder aufgrund des fehlenden Zugangs zur Lebenswelt des/der anderen kann es zu sehr schmerzhaften Erfahrungen kommen, durch Beleidigung, Ignoranz oder basierend auf einem Missverständnis.
Infolgedessen schaffen wir einen Rahmen auf der DDM, in dem wir uns gegen jegliche Form der Diskriminierung aussprechen. Wir tolerieren keinen Sexismus, Rassismus, keine Formen von Intoleranz gegenüber der Meinungs- und Redefreiheit oder Angriffe auf die persönliche Unversehrtheit. Fühlt sich jemand beleidigt, diskriminiert oder in irgendeiner Form gefährdet, gibt uns die Equity Policy Raum für Gespräch und Mediation, damit mensch diese Situation nicht mit sich alleine aushandeln muss und Lösungen durch mehr Interaktion gefunden werden können.
Diskriminierung ist in vielen Fällen sehr individuell erfahrbar. Was für den/die einen/eine ein harmloser Spaß ist, kann für andere eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein. Es gibt keine objektiven Kriterien für Beleidigungen, dennoch möchten wir einen Standard hochhalten, an dem wir uns auch außerhalb des Debattierens orientieren, um ein Miteinander zu gestalten, in dem sich jedeR willkommen fühlt. Wir alle tragen dafür die Verantwortung. Als Schlüsselkompetenz dafür sehen wir Empathie.
Ich werde auf dem Turnier anwesend sein und als Ansprechpartnerin und Vermittlerin dienen. Des Weiteren stehe ich unter equity [at] debating [dot] de gerne zu allgemeinen Fragen zu Formen von Diskriminierung und Debattieren zur Verfügung. Jede Equity-Beschwerde, die bei mir eingeht, werde ich ernst nehmen. Mehr Details dazu findet ihr in unserem Verhaltenskodex, der an jenen internationaler Großturniere angelehnt ist.
Lilian Seffer/hug/kem
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Lilian Seffer ist Siegerin des Paris Centrale IV 2012 und breakte bei der vergangenen DDM ins Viertelfinale. Sie studiert Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und ist seit 2012 Mitglied der Berlin Debating Union e.V. Vergangenes Jahr verbrachte sie ein Auslandsjahr in Kairo. Zu Rassismus, Eurozentrismus und Empathie hat sie bereits auf dem Berlin IV 2013 und in Schulen Seminare gegeben.
Gute Sache! Danke Lilian, dass du die Aufgabe übernimmst!
Willy hat Recht!
Bei jedem Artikel, der in letzter Zeit auf der 8M über die DDM in Berlin erscheint, habe ich den Eindruck, dass es wirklich Zeit wurde, dass mit der BDU (und der SKB) der international avancierteste Club im VDCH die DDM ausrichtet: Bewerbung der Chefjury, Jurorentest, Equity-Officer – Alles Dinge, die sinnvollerweise aus dem internationalen Debattieren übernommen werden und von denen zu hoffen bleibt, dass sie sich als Standard auf der DDM etablieren. Ich freu mich schon auf das Turnier.
Jonathan, nur so fürs Archiv: Gleichstellungsbeauftragter und Jurorentest ist nicht sooo brandneu. Beides hatten wir schon spätestens seit der DDM 2003 in Tübingen. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass das eine gute Sache ist! 🙂
Lieber Jonathan, lieber Willy, lieber Michael,
vielen Dank für euer Lob! Wir sprechen vermutlich für das ganze Berliner Orga-Team, wenn wir sagen, dass es sehr gut tut das zu hören und wir uns freuen, dass unsere Ideen auf Anklang stoßen.
Bis in zwei Wochen in Berlin und viele Grüße
Kai & Anna
Wäre schön, wenn du möglichst wenig Arbeit bekommst. Jeder sollte schießlich auf sich selbst und andere ein Auge haben und Empathie sollte unter Debattierern ja ohnehin weit verbreitet sein (schließlich soll man ja eine Zielgruppe z.B. Zuschauer, Juroren oder FFR überzeugen).
„Man“ ist übrigens ein Indefinitpronomen ohne Genus oder Numerus. Man sollte auch Wörter nicht diskriminieren und nur wegen ihrer Herkunft (sprachhistorische Entwicklung) aus dem Sprachgebraucch verbannen. 😛 {Spaß am Rande.}