Alte Hasen, Metabemerkungen und tiefe Freundschaften: Sarah John über Fairplay
Eine mehrjährige Abwesenheit – bei mir seit Anfang 2012 – bedeutet nicht nur, auf einen wunderbaren Sport verzichten zu müssen, sondern auch beim Wiedereinstieg ins Debattieren einen anderen, distanzierteren Blick auf die wettkampforientierte Auseinandersetzung entwickeln zu können. Aus dieser Perspektive haben mich drei Dinge zum Nachdenken und zum Zweifeln angeregt, die ich gerne in der Debattierszene zur Diskussion stellen möchte. Es geht darum, wie wir Fairplay bestmöglich gewährleisten können. Dieses Fairplay erachte ich für fundamental vor, während und nach der Debatte.
1) Vor der Debatte: Die derzeitige Mixed-Teams-Regelung
Die Breakberechtigung von Mixed Teams auf ZEIT DEBATTEN scheint an Brisanz gewonnen zu haben und das Antreffen von außergewöhnlich stark besetzten Teams keine Ausnahme zu sein. Das Ziel, durch extern herangezogene Redner*innen auch kleineren Clubs im Zweifelsfall die Teilnahme (und den Break) bei den Turnieren der ZEIT DEBATTEN-Serie zu ermöglichen, ist in Anbetracht des Wunsches, das Debattieren im deutschsprachigen Raum auszubauen und zu fördern, erstrebenswert. Doch wenn wir die Listen der Halbfinal- und Finalteilnehmer der diesjährigen Debattensaison lesen, könnte man sie durchaus für eine Verwechslung mit den Unterlagen von vor zwei bis drei Jahren halten. Das Debattieren zu fördern und auch neuen Clubs Chancen einzuräumen, scheint mir mit der derzeitigen Mixed-Teams-Regelung nicht gelungen.
Im Gegenteil: Die Mixed-Teams-Regelung wird in meiner Wahrnehmung vor allem von älteren Hasen des Debattierens genutzt, um außerhalb ihrer (grundständigen) universitären Karriere auf Turnieren anzutreten. Da vor allem starke – was im Debattieren in erster Linie durch die Erfahrung der Teammitglieder definiert wird – Redner miteinander antreten, finden die gläsernen Trophäen entsprechend ihre neuen Besitzer. Diese starke Präsenz von Altdebattanten verhindert meines Erachtens die Stärkung jüngerer Clubs. Mein Punkt soll nicht sein, Altdebattanten grundsätzlich aus dem Debattierzirkus zu vertreiben, zumal es schwierig ist, eine fassbare und allgemein anerkannte Definition für „Altdebattant“ zu finden. Es geht eher darum, ältere Hasen dazu anzuregen, mit neueren ihrer Art auf Turnieren anzutreten und damit ihr Wissen neuen Turnierteilnehmern zu vermitteln. Dies würde für mich eine Anwendung der Mixed-Team-Regelung im gewünschten und vor allem debattierförderlichen Sinne bedeuten.
Es geht um die Fairness gegenüber dem Debattiernachwuchs, dem zukünftigen Mittelbau unseres Sports. Darum rege ich eine Diskussion und Überarbeitung von Regelungen zur Breakberechtigung bzw. Zusammensetzung von Mixed Team an. Von einer Einschränkung der Breakberechtigung ließe sich erhoffen, dass Altdebattanten, wenn sie berechtigterweise auf Turnieren antreten möchten, sich nicht mehr in dieser Häufigkeit mit ihresgleichen verbünden. Sie würden vermutlich eher den Kontakt zu ihren alten Clubs suchen, um in diesen mit weniger erfahrenen Debattanten ein Team bilden zu können. So könnten wir die Wissensweitergabe im Debattieren stärken. Eine Beschränkung der Zusammensetzung von Mixed Teams könnte ähnliche Effekte haben. Beispielsweise wäre es möglich, eine Regelung zu finden, dass auf Turnieren im Format der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) mindestens zwei Redner dem Club zugeordnet sein müssen, für den das Team antritt (wobei hier nicht die Clubmitgliedschaft als solche, sondern der Hauptdebattierclub des Redners betrachtet werden sollte). Die konkrete Zusammensetzung wird zumeist von den Clubvorständen beschlossen, die somit auch die Einbindung von Altdebattanten in ihrer Hand haben. Zusätzlich könnte angeregt werden, dass „Auffüller“ eingeschriebene Studentinnen bzw. Studenten vor ihrem ersten Universitätsabschluss (Diplom, Staatsexamen, Master) sein sollten.
2) Während der Debatte: Die Angemessenheit von Punktabzügen
Der Unterschied zwischen Diskussion und Debatte liegt vor allem darin – wie allen Lesern klar sein sollte –, dass sich die Debatte an klaren Regeln orientiert, deren Einhaltung durch den Präsidenten gewährleistet sein soll. Die Einhaltung der Regeln, wie sie online nachgelesen werden können, ist essentiell, um die Debatte als fairen Sport erhalten zu können. OPD hebt sich vom British Parliamentary Style (BPS) vor allem durch die Berücksichtigung der „weichen Kategorien“ ab. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Rede publikumswirksam, unterhaltsam und spannend zu machen – die aber mitunter als Verstöße im Regelwerk vermerkt sind. Für diese Grundlagen der Punktabzüge sollten Juroren in meinen Augen stärker sensibilisiert werden.
Das kommentierte Regelwerk (Fassung vom 20. Juni 2011) betont: „Abzüge sanktionieren nicht Schlechtleistung (dazu ist die Punktwertung da), sondern Gefährdung der Form ‚Debatte’ (Systemverstöße). Sie beziehen sich nur auf Rednerverhalten, das die Debatte als Debatte vereitelt“ (S. 26). Aus dieser Formulierung wird bereits deutlich, dass eben diese Verstöße das Debattieren als fairen Sport gefährden. Insbesondere die vierte Form der Systemverstöße („Rolle verfehlt“) ist mir zuletzt mehrfach aufgefallen. Ein kleiner Abzug bei Rollenverfehlung ist laut Regelwerk zu erteilen bei „Einnahme einer simulierten Rolle oder unangemessene Reflexion der Rolle als Debattant in der Rede (Metabemerkungen)“, ein großer Abzug bei „dauerhaft fehlende[r] Positionierung, grobe[n] Beleidigungen oder nachhaltige[r] Missachtung von (1:00’) Zwischenrufverboten“. (Beleidigungen einer Person oder eines ganzen Teams können darüber hinaus gemäß Abschnitt 1.3.8 mit null Punkten für die Rede bestraft werden.) Kleine Abzüge werden für gegebenenfalls entschuldbares Verhalten erteilt, große Abzüge für unentschuldbares Verhalten. Vorsätzliche, das heißt bewusst begangene Systemverstöße, sollten aus regeltechnischer Sicht mindestens mit einem kleinen Abzug bestraft werden.
Ich möchte die oben begonnene Diskussion exemplarisch verdeutlichen: Eine redeeinleitende Bemerkung wie „Zur Stärkung meiner Kontaktfähigkeit…“ würde meines Erachtens in die Kategorie der Metabemerkungen fallen. Die Debatte wird an dieser Stelle als Debatte aus folgendem Grund vereitelt: Zwar wird die Debatte im Anschluss anhand der Bewertungskategorien beurteilt, die Kategorien sind jedoch nicht Debattengegenstand. Das ist und soll lediglich die inhaltliche Ausführung zum vorgegebenen Thema sein.
Ähnliches gilt für persönliche Angriffe (beispielsweise die Bezeichnung eines Redners als ungebildet). Kritikpunkte, die in der Widerlegung einer Bank adressiert werden, sollten sich lediglich auf logisch inkonsequent oder nicht nachvollziehbar ausgeführte Argumentationen beziehen. Nicht aber sollten sie sich auf die Persönlichkeit des einzelnen Redners – insbesondere nicht auf die Privatperson des Redners – beziehen: Debatte in unserem Sinne bedeutet auch, dass jeder Redner eine Rolle einnimmt. Durch die Verquickung der Debatten- mit der Privatperson – also dem Ignorieren oder Übersehen der Rollenzuteilung – wird auch hier die Debatte als Debatte vereitelt. Da das Debattieren außerdem Streitkultur versinnbildlicht, sind meines Erachtens persönliche Angriffe mit Wertschätzung und Achtung des Gegenübers, wie sie in einer Debatte Standard sein sollten, nicht vereinbar.
Ich würde mir deshalb wünschen, dass Juroren auf kommenden Turnieren stärker für Gründe von Punktabzügen sensibilisiert werden. Punktabzüge sollten deshalb, wenn angebracht und unabhängig von der tatsächlichen Anwendung, in die Jurorendiskussion und auch in das anschließende Feedback Eingang finden. Dabei finde ich es übrigens unerheblich, ob es sich bei der Debatte um eine Vorrunden- oder eine Finaldebatte handelt. Um das Debattieren als gerechten Sport zu fördern und zu erhalten, dürfen in Finals die Regeln nicht zu Lasten eines „fachfremden“ Publikums übergangen werden. Nur so können wir garantieren, dass das Debattieren nicht zu einer Polemik- und Theaterveranstaltung verkommt.
3) Nach der Debatte: Die objektive Bewertung
Eine faire Bewertung der Debatte kann nur dann garantiert werden, wenn wir uns um größtmögliche Objektivität bemühen. Aus diesem Grund werden Juroren für das Team, für welches sie antreten, gesperrt (geregelt ist dies in Punkt 2.3. des OPD-Regelwerkes: „Die Mitglieder einer Jury sollten nicht demselben Debattierclub angehören. Nach Möglichkeit soll kein Redner in den Vorrunden zweimal vom gleichen Juror bewertet werden. Beide Vorgaben sind Vorkehrungen gegen nie völlig vermeidbare Befangenheit.“) Ich möchte hier zum Nachdenken darüber anregen, ob der erste Punkt der Regelung ausreichend ist, um Befangenheit zu vermeiden – oder ob sie auch auf Einzelpersonen ausgeweitet werden sollte: Wer hat nicht außerhalb des eigenen Teams tiefe Freundschaften oder andere Beziehungen entwickelt? Befangenheit führt nicht zwangsläufig zu einer Besserbewertung des Teams, sondern kann ebenso in einer Schlechterbewertung resultieren. In beiden Fällen führt Befangenheit zu einer mangelnden Objektivität in der Bewertung. Das „familiar faces“-Problem mag aufgrund häufiger Treffen ein größeres in der Debattierszene sein. Eine Sperrung nicht nur für Teams, sondern auch für Einzelpersonen sollte aber deswegen nicht verworfen werden. Soweit möglich, sollte eine Differenzierung zwischen einfachen Sympathien und tieferen Freundschaften oder Beziehungen vorgenommen werden. Diese Regelerweiterung sollte selbstverständlich auch für das Chefjurorenpanel und für Finaljurierungen gelten.
Eine Anpassung der Jurorenregelung sollte auch in Anbetracht der mehrfachen Clubmitgliedschaften und Uniwechsel bei der nächsten Sitzung der OPD-Regelkommission diskutiert werden. Eine Sperrung nur für aktuelle Clubmitgliedschaften ist vermutlich oft nicht ausreichend, um Befangenheit zu vermeiden, und sollte auf vergangene Clubmitgliedschaften ausgeweitet werden. Unabhängig davon möchte ich alle zukünftigen (auch Chef-)Juroren dazu anregen, sich bereits vor dem Turnier über die Befangenheit gegenüber Teams und Personen Gedanken zu machen.
Debattieren heißt für mich Fairplay: Vor, während und nach der Debatte. Dafür sollten wir uns alle einsetzen.
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Sarah John war Siegerin der ZEIT DEBATTEN Jena 2011 und Wien 2010. Sie war Chefjurorin der Tübinger Herbst-Debatten 2013. Von 2008 bis 2010 sowie in der Amtszeit 2011/12 war sie Vorstandsmitglied der Streitkultur e.V. Tübingen mit Zuständigkeit für die Tübinger Debatte. Sie studierte International Economics and European Studies in Tübingen und macht derzeit ihren Master in Economics in Heidelberg.
Liebe Sarah,
vielen Dank für deinen erhellenden und wichtigen Artikel, den ich absolut folgen kann. Speziell Punkt 1 finde ich sehr wichtig. Wenn man sich die Liste der Gewinner der diesjährigen ZEIT-DEBATTEN-Serie anschaut dann fällt einem sofort auf, dass es sich bei nur einem Gewinnerteam um ein klassisches Club-Team handelt. Die anderen sind Mixed-Teams bzw. Veteranen-Teams. An sich ist die Teilnahme erfahrenerer Debattierer als Redner auf Turnieren zu begrüßen, da sich jüngere Debattierer so manches abschauen können (sei es die gute Technik, eine originellere Argumentation (und nicht der dritte Aufguss des Diskurs-Arguments) oder das Darbringen einer guten Rhetorik) und der Wissenstransfer wird auf angenehme Art und Weise gestaltet. Außerdem ist dies ein Zeichen von Freundschaft zwischen den Mitgliedern verschiedenen Clubs und zeigt die Vernetzung unter Debattierern.
Allerdings sehe ich gerade auf ZEIT DEBATTEN die Gefahr bestehen, dass Mixed-Teams bzw. alte Hasen- Teams dem Debattieren eher schaden.
1. Die Clubs sind die Basis dieses Sport im VDCH-Land. Hier muss die Mitglieder-Werbung und das Training erfolgen, hier werden die jungen Debattierer zu den Turnieren geschickt. Wie Sarah richtig gesagt hat, braucht es für Turniererfolge Talent und vor allen Erfahrung. Die Weitergabe von Erfahrung muss vor allen durch die erfahrenen Redner im Club erfolgen, die die Unerfahreneren im Club trainieren und mit ihnen auf Turnieren erfahren. Durch die Möglichkeit von Mixed-Teams haben die Erfahrenen nicht mehr den dringenden Bedarf ihre Expertise an die Unerfahrenen weiterzugeben, da sie ohne große Mühen und zeitnaher ein Turnier gewinnen können. Selbstverständlich hat nicht jeder Verein im jeden Jahr fünf, sechs Talente bei der Hand, doch die Bestrebung, dass ein sehr gutes Club-Mitglied die anderen hochzieht und so eine Unabhängigkeit des Vereins von seiner Person schafft ist doch substanziell für jeden Club.
2. Die fehlende Fairness zwischen einem Mixed-Teams aus „Allstars“ und Teams, die nur aus Clubmitgliedern bestehen. Hier besteht eine grundsätzliche Überlegenheit der Mixed-Teams und lässt bei den Unterlegenen die Frage aufkommen, warum man nicht auch in einem Mixed-Team antritt und so das nächste Turnier gewinnt.
Warum sind Mixed-Teams eigentlich bei ZEIT DEBATTEN schlecht? ZEIT DEBATTEN sind die Highlights der Saison, wo neben der DDM das meiste Prestige zu holen ist, die Preise relativ verlockend sind und das Turnier in der Regel besser ausgestattet ist. Somit entfalten diese Turniere eine Signalwirkung auf die Szene als auch auf die Öffentlichkeit. Die Teilnehmer eines Turniers investieren verhältnismäßig viel Geld, Zeit und lange Anfahrswege um dabei zu sein. Es stellt sich nun die Frage, ob viele junge Debattierer bzw. Club-Teams ermutigt werden weiter in diesem Sport zu wirken oder nicht, wenn Allstar-Teams in den Break einziehen oder das Turnier gewinnen.
Das Debattieren in Deutschland befindet sich in einer Boom-Phase. Dank der gewissenhaften Arbeit des VDCH und der Clubs bewerben sich immer mehr Teams für Turniere, die ständig größer werden. Seit meinen Anfängen gibt es eine wunderbare Entwicklung Anfängern durch Erfolgserlebnisse für den Debattiersport zu begeistern. Die Anfänger-Turniere sind ein exellentes Beispiel dafür. Allerdings ist zu fragen, ob Mixed-Teams bei den offiziellen Highlights der Saison nicht ein Danaergeschenk darstellen. Bei Punk-Turnieren oder Freundschaftsturnieren halte ich Mixed-Teams für vertretbar.
Frisch hervorgekramt, zu clubgemischten Teams hier ein Auszug aus dem MV-Protokoll von 2010:
„Zur Diskussion und Abstimmung steht folgender Antrag des DC Potsdam:
Die Mitgliederversammlung des VDCH möge beschließen, dass an VDCH-offiziellen Debatten außerhalb der DDM, derzeit die ZEIT DEBATTEN Teams zu mindestens 50% aus Mitgliedern des anmeldenden Clubs bestehen müssen. Das heißt bei BP-Turnieren ein/e Redner/in und bei OPD-Turnieren mindestens 2 Redner/innen.
Nach der Diskussion im Plenum zieht Potsdam den Antrag mit der Zusicherung, dieses Problem im Ausrichterseminar zu thematisieren, zurück.“
http://wiki.vdch.de/images/e/e2/Protokoll_2010.pdf
Was die DDM betrifft, so ist die Regelung keineswegs klar genug. Zwar heißt es in der Beschlusssammlung:
„Ein Team ist nur dann breakberechtigt, wenn es sich aus Mitgliedern desselben Clubs zusammensetzt.“
Dass man für den Club antreten müsste, in dessen Stadt man studiert/Zivi ist/eine Ausbildung macht, ist jedoch nicht geregelt. Nur wer in mehreren Clubs Mitglied ist, ist auf aktuelle und frühere Wirkungsstätten beschränkt. Aber metaphysische Konzepte wie Mitgliedschaft sind ja mangels Nachvollziehbarkeit für den DDM-Ausrichter nicht anwendbar.
http://wiki.vdch.de/images/8/83/Beschlusssammlung.pdf
Scheint, als wären die Potsdamer ein wenig über den Tisch gezogen worden.
Bei der DDM bin ich mir ziemlich sicher, dass man weiterhin nur startberechtigt ist, wenn man an einer Uni eingeschrieben ist, und zwar dann für diese Stadt. Eventuell steht das an anderer Stelle, ich bin gerade jedoch zu faul, um zu suchen.
Einen sehr ähnlichen Artikel hat Clemens Lechner vor etwa einem Jahr hier auf der 8M gepostet: https://www.achteminute.de/20130320/foulspiel-im-debattieren-clemens-lechner-uber-fressen-und-moral/
Danke für deine Ausführungen, Sarah.
zu 1) Ich denke auch, dass wir da bei dieser Häufung von Mixed-Teams langsam über eine Regelung für ZEIT DEBATTEN nachdenken sollten.
zu 3) Es ist meines Wissens Status Quo, dass auch Sperrungen gegenüber Einzelpersonen, z.B. aufgrund von vorheriger Clubzugehörigkeit, Liebesbeziehungen, etc. vorgenommen werden. Zumindest wurde das bisher in jedem Chefjurorenpanel, dem ich angehört habe, besprochen.
Liebe Sarah,
vielen Dank für den Artikel. Ich gebe Jonathan recht: in deinem Artikel geht es um zwei Probleme. Das Erste hatte Clemens seiner Zeit schon im Auge. Das zweite Problem der Startplatz-Regelung ist eine neue Frage, über die man sich durchaus mal unterhalten muss.
Die MV ließ bis dato immer den Elan vermissen, Mixed-Teams auf den ZDs zu beschränken (man „ermutigte“ stattdessen), s.o.. Ich gebe dir mit den Teams im Übrigen nicht ganz recht. In den Finals in Frankfurt hätten 2012 fünf aus acht Redner_innen nicht gestanden, in Dresden ebenfalls 5 aus 8, in Wien 2 von 9 und in Mainz 3 von 9.
Zudem sind die Mixed-Teams mE Ausdruck der Veränderung, Vermischung und Vernetzung der Debattierszene durch die BA/MA-Veränderung. Einhergehend mit der Steigerung dieser Komplexität werden natürlich auch allumfassende Regelungen durch die MV schwieriger. Nichts desto weniger trotz werden wir einen Antrag in die MV einbringen, der sich damit beschäftigt die leidige „Wer-darf-für-wen“-Frage besser zu klären.
Ich möchte persönlich ergänzen, dass es bei ZEIT-DEBATTEN noch ein weiteres Interesse gibt: das repräsentative Finale sollte gut sein, gute und erfahrene Teams darin stellen das nicht sicher, machen es aber wahrscheinlich, dass die Debatte selbst bei problematischen Final-Themen nicht zu bore-out bei Sponsoren und Ehrengästen führt.
Als jemand, der in seiner jungen Phase durchaus auch über die Dinos meckerte (ich meine mich entsinnen zu können, in Potsdam dereinst an dem Antrag mitgearbeitet zu haben) und nun selbst einer ist, sage ich: eine ZD zu gewinnen, ist ein Ritterschlag und den gibt es spät. Der cursus honorum zum ZD-Sieger verläuft über eine freie Finalrede oder den Start mit einem Alten Hasen (wenn es den im Club nicht gibt: warum nicht außerhalb schauen?), viele blutige Nasen in Halbfinals bis ins Finale.
Danke, Sarah! Mit deinem ersten Punkt sprichst du mein Lieblingsthema an! Wobei das Problem einerseits ist, dass einige Debattierende den Jungbrunnen gefunden haben und daher ständig zwischen der Rolle der Chefjurierung (in Anerkennung ihrer Debattiererfahrung) und der Rolle als nächster Nachwuchspreisträger wechseln können. Mixed-Teams demonstrieren dieses Problem in besonderer Weise, aber ich hätte mit ihnen weniger Probleme, wenn es sich dabei um den Versuch handelte, jemandem, der gerade einen Klub neu gegründet hat, einen Turnierstart zu ermöglichen, obwohl sich in seinem Klub nicht genügend Mitstreiter finden lassen. Problematisch sind da doch vor allem die Allstars-Mixed-Teams. (Trotzdem kann ich den Wunsch, mal mit einer sympathischen Person aus einem anderen Klub anzutreten, durchaus nachvollziehen: Ich wäre z.B. sehr gern mal mit dir an angetreten, Sarah.)
Es kann den Debattier-Horizont sehr erweitern, wenn man statt mit den üblichen Verdächtigen aus dem eigenen Club mal mit jemandem redet, den man bisher nur als Gegner erlebt hat. Ich habe diese Erfahrung mit Jonas Werner gemacht, der unglaublich viele Dinge anders gemacht hat als meine bisherigen Teampartner. Deswegen sollte es nicht gänzlich verboten sein, breakberechtigte mixed teams zu bilden. Das spricht nicht gegen ein Verbot von mixed teams auf ZDen, aber man sollte nicht über das Ziel hinausschießen und die FDL mit in eine etwaige Regelung einbeziehen.
Ich würde eine Einschränkung von Mixed Teams auch nicht auf die FDL ausweiten wollen, schließlich können bei Freundschaftsturnieren gut und gerne im wörtlichen Sinne Teams gebildet werden. Die Brisanz von All Star Teams würde auch dadurch schon etwas gelindert, wenn die Breakberechtigung eingeschränkt würde. Wer gerne gemeinsam antreten möchte, weil es Spaß macht, dies mit sympathischen Menschen zu tun, die nicht dem eigenen Club angehören, könnte das dann über die Vorrunden verteilt tun. Nur die letzten beiden K.O.-Runden wären, zumindest auf ZEIT Debatten, den wirklichen Club-Teams vorbehalten.
@Leo: Es freut mich, wenn eine Sperrung auch für Einzelpersonen weitestgehend so gehandhabt wird. Mir ist leider Gegenteiliges aufgefallen – aber so unterscheidet sich das vermutlich von Turnier zu Turnier. Deshalb wäre mir eine Sensibilisierung des teilnehmenden Jurorenpanels sehr wichtig.
Bleibt offenbar nur noch die Frage nach einer sinnvollen Ausgestaltung Regel. Sinnvoll wäre es, die Definition von „Clubzugehörigkeit“ auf der DDM und ZDen identisch zu wählen. Außerdem scheint es sinnvoll, dass sich Redner*innen, die gemäß dieser Definition eine Wahlmöglichkeit haben, für welchen Club sie antreten, durch die erste Teilnahme an einer ZD/Regio auf einen Club festlegen, dem sie dann auch auf der DDM angehören.
@Jonathan: Den Vorschlag habe schon einmal erfolglos auf der MV 2009 eingebracht, aber finde ihn weiterhin sehr gut.Das Konzept wird ja in vielen Sportarten sehr ähnlich umgesetzt.
Hallo zusammen,
inhaltlich kann ich eure Stoßrichtung (und auch manchen Ärger) total nachvollziehen. Wir haben das Problem in der Regel so angegangen, dass wir gewissen „Alten Hasen“ von Zeit zu Zeit ins Gewissen geredet haben.
Für die ZEIT DEBATTEN gab es bisher keine Startplatz-Regelung (sondern nur eine Empfehlung für die Verteilung der Teamplätze an die Ausrichter), da die ZEIT DEBATTEN von möglichst vielen Regelungen befreit werden sollten und die Ausrichter eine gewisse Freiheit bekommen sollen. Die „Regelungswut“ wurde über viele Jahre beklagt und als Argument für die Unattraktivität der ZEIT DEBATTEN ins Feld geführt. Ich gebe das nur zu bedenken, wenn an einer neuen Regelung gearbeitet wird.
Im Grund haben wir ja schon eine Regelung für die DDM und die Regios (Breakberechtigung im wesentlichen auf die Clubs beschränkt, an deren Uni man mind. 1 Semester studiert hat), die könnte man auf die ZEIT DEBATTEN übertragen, da sie ganz gut funktioniert hat in den letzten Jahren. Der Versuch, perfekte Regeln für die Clubzugehörigkeit zu definieren, führt (auch anderen Sportverbände) regelmäßig in deutschlandweite Registrierverpflichtungen und Regeln für den „Clubtransfer“. Das fände ich für das Debattieren aber nicht angebracht.
Liebe Sarah, danke für den guten und vielschichtigen Beitrag!
Kurz zu mixed teams: Persönlich hatte ich keine Lust, den Anfängern die ZD-Startplätze wegzunehmen und rede daher seit Jahren nicht mehr auf ZDs. Ich finde Florians Beitrag zwar bedenkenswert: Wir brauchen gute Teams in ZD-Finalen, schon um sie für uns nicht-redende Senioren als Zuschauer erträglich zu halten. Außerdem bevorzugt der Ausschluss von mixed teams Redner aus großen Clubs. Allerdings fehlt mixed teams (insbesondere wenn diese ausschließlich aus „bestenfalls noch Doktorand“-Studenten bestehen) die enge Anbindung an einen Club, und damit an den Debattiernachwuchs, denn Nachwuchs außerhalb ihres Clubs kennen die Veteranen doch gar nicht… Bei FDL-Turnieren besteht das Risiko so nicht: Ziel ist hier nicht allein der Sieg im Turnier, sondern auch der Beitrag zur Gesamttabelle. Damit hängt der Erfolg der Teams direkt mit ihrer Clubanbindung zusammen. Um die positive Auswirkung des Turniersiegs für Clubs zu stärken bin ich daher für eine Beschränkung von mixed teams auf nicht-ZDs.
Zu Punktabzügen: Grundsätzlich gebe ich Dir Recht, dass die praktische Anwendung der Punktabzüge nicht mit dem Regelwerk übereinstimmt. Außerhalb der Zeitstrafe findet ein Punktabzug faktisch nicht mehr statt, mit Ausnahme von Anfängern und betrunkenen Veteranen. Diese Entwicklung ist sicherlich auch durch BPS beeinflusst. Für alte Säcke: Als 2005 das Format 05 auf einer einzigen ZD angewandt wurde regten sich 80 % der Teilnehmer über den großen Spielraum für Jurorenwillkür auf, da formale Abzüge (nach meiner Erinnerung) entfielen und die Berücksichtigung derartiger Fehler in das freie Ermessen der Juroren gestellt wurde. Heute wäre die Aufregung groß, wenn die Juroren in freiem Ermessen die Regeln für Abzüge streng anwendeten…
Ich glaube aber, dass diese Entwicklung zu begrüßen ist. Wenn ein Redner, um Dein Beispiel zu verwenden, „zur Stärkung seiner Kontaktfähigkeit“ spricht, dann verliert er in genau dieser Kategorie Punkte, weil er an der Debatte vorbeiredet statt an diese anzuknüpfen. Ein weiterer Punktabzug würde dort zwar vielleicht disziplinierend wirken, einfach mal nur 6 Punkte in einer Kategorie zu bekommen ist aber schon unangenehm genug. Anders als die (mittlerweile halbwegs kohärent angewendete) Zeitstrafe lassen sich die übrigen Abzüge kaum objektivieren und auch nicht zwischen den Juroren mitteln. Sie häufiger anzuwenden würde daher die Jurorendiskussion stark in die Länge ziehen, und sie sind mit zwingend sehr starken Ausschlägen verbunden. Eine divergierende Anwendung könnte zu starker Verzerrung führen: Eine 40-Punkte-Rede wegen eines Halbsatzes auf 30 Punkte herabzusetzen erschiene mir dem Ziel, die Rede als gesamtes durch die Zerlegung in ihre Einzelteile zu bewerten kaum angemessen. Vor diesem Hintergrund wäre für mich eher zu fragen, ob die Abzüge überhaupt noch eine Berechtigung haben – wenn ja (was ich wie gesagt bezweifle), dann würde ich vorschlagen, den Punktwert kleiner Verstöße deutlich zu reduzieren, um die Schwelle zu ihrer Anwendung zu senken.
Zum Sperren: Für Einzelpersonen kann man sich bereits sperren lassen. Wie konsequent das angewendet wird, und ob auch Chef- und manchmal andere Finaljuroren von den Sperrregeln erfasst werden wird unterschiedlich gehandhabt. In Anbetracht dessen, dass das Jurorenfeld stark unterschiedlich besetzt ist halte ich einen gewissen Spielraum hier für angemessen. Schwierig wird dies auch bei mixed teams. Als konkretes Beispiel: Ja, ich glaube, dass ich Nicolas E. neutral jurieren kann, und würde mich selbst nicht für mixed teams mit nur einem Mainzer sperren. Ich kann aber verstehen, wenn andere das nicht so sehen. Solange mixed teams zulässig und populär bleiben (s.o.) würde das die Anzahl der zulässigen Juroren aber deutlich reduzieren.