„Wir erleben eine Flut von Europaveranstaltungen“: Christoph Krakowiak im Gespräch über „Klartext Europa“
Zum dritten Mal suchen der Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) und der Verein Bürger Europas e.V. Ausrichter für die „Klartext Europa“-Debatten. Die Debattenserie erfuhr zuvor Änderungen: Neben Deutschland und Österreich wird sie erstmals auch in anderen europäischen Ländern stattfinden, nämlich Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und der Schweiz beziehungsweise Tschechien. Sie wurde zu diesem Zweck in „European Debates“ umgetauft. Im deutschsprachigen Raum wird der Name „Klartext Europa“ beibehalten.
Koordiniert wird das Projekt von Christoph Krakowiak, VDCH-Vorstandsbeirat für Europadebatten. Im Interview mit der Achten Minute sprach er über länderübergreifendes Streiten, den Europawahlkampf und das Erfolgsrezept guter „Klartext Europa“-Debatten.
Achte Minute: Lieber Christoph, wie kommt es, dass die Klartext Europa-Debatten dieses Jahr auch außerhalb Deutschlands und Österreichs stattfinden?
Christoph Krakowiak: Ich denke, das hat drei Gründe. Erstens hatten wir schon letztes Jahr Anfragen von Clubs außerhalb Deutschlands, die gern eine Klartext Europa-Debatte ausrichten wollten. Realisieren ließ sich davon aber nur Wien, auch dank der Zusammenarbeit mit der Allianz Kulturstiftung. Zweitens hängt das mit der Antragsstellung der Förderer zusammen, der Allianz Kulturstiftung und dem EU-Parlament. Bei der Förderung wird besonderen Wert darauf gelegt, dass bei europäischen Projekten auch europäische Dimensionen bedacht werden. Und drittens: Wenn schon über die Zukunft der EU streiten, dann auch länderübergreifend!
AM: Wer sind IDEA Netherlands und Habla y Debate, die Veranstalter in Spanien und den Niederlanden? Wer wird die Debatten in den anderen Ländern vor Ort organisieren?
Christoph: Mit IDEA Netherlands, einer professionellen Debattierorganisation für Schüler und Studierende, arbeitet der VDCH ja schon länger zusammen, unter anderem im Rahmen des Projekts Debate Changing Europe, das vom Programm Jugend in Aktion der Europäischen Union unterstützt wurde und zu dem auch die ZEIT DEBATTE Aachen 2013 gehörte. Habla y Debate ist ein spanischer Debattierverein, mit dem wir erstmals kooperieren. Den Kontakt zu beiden Partnerorganisationen kam durch Philipp Stiel zu Stande, wofür ich sehr dankbar bin. Die beiden Debatten werden, wie die anderen auch, in enger Abstimmung mit Bürger Europas organisiert. Es wird auch ein Vertreter von uns vor Ort sein. Details werden bei einem Vorbereitungstreffen der Ausrichter bekanntgegeben. Ich bin selbst gespannt, wie das wird!
AM: Es gab in der zweiten Runde Themen, die häufig wiederholt wurden. Wie wird die Themenstellung in der dritten Runde aussehen?
Christoph: Es wird auf jeden Fall wieder ein Thema zur Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa geben, weil es eines der aktuellsten Themen ist. Aber natürlich wird sich die zentrale Fragestellung darum drehen: Wo soll es mit Europa hingehen? Wir werden versuchen, die Themenbereiche der Fragestellung möglichst nahe an dem zu halten, was den Europawahlkampf bestimmt. Das Europäische Parlament hat sich fünf Themenbereiche überlegt, die in den Vordergrund gerückt werden sollen und aus denen gewählt werden kann: Wirtschaft, Arbeit, der Euro, Lebensqualität und die Rolle der EU in der Welt. Dann überlegen wir zusammen mit dem jeweiligen Ausrichter und den politischen Gästen, welches Thema am besten passt.
AM: Die Debattenserie zielt vor allem auf die Publikumsansprache ab. Gibt es ein „Erfolgsrezept“, um zahlreiche Gäste anzuziehen?
Christoph: Zum einen ist das eine Frage des Engagements des ausrichtenden Clubs. Werbung zum Beispiel kann nur vor Ort gemacht werden, und die ist das A und O. Flyer verteilen und Poster aufhängen ist wichtig, genauso wie Menschen über die Vereinsstrukturen anzusprechen, etwa Clubabende, Verteiler, Facebook. Die Ausrichter können Freunde, Familie und Bekannte zum Debattenabend einladen, personalisierte Werbung wirkt immer.
Die zweite wichtige Sache ist die Wahl des Raumes, die sich als bedeutsam herausgestellt hat. Der Veranstaltungsort muss sehr einfach zugänglich und möglichst zentral gelegen sein. Wenn die Zuschauer erst eine Stunde laufen oder fahren müssen, kommen sie nicht. Das Thema Europa ist den meisten Menschen nicht so wichtig, vor allem, weil wir seit ein paar Jahren eine Flut von Europaveranstaltung erleben. Da muss man sich schon abheben und den Zugang möglichst einfach gestalten.
AM: Wie hebt sich Klartext Europa von der besagten Konkurrenz ab?
Christoph: Neben der Publikumsnähe vor allem durch die klaren Zeitvorgaben. Die politischen Gäste sind wirklich dankbar für die zeitliche Beschränkung der Gegenseite, die zum Einstiegsstatement nur fünf Minuten reden darf. Das Publikum kann sich dadurch auch entsprechend Zeit nehmen und nicht nur eine ganz kurze Frage stellen. Ich glaube, das ist unser Alleinstellungsmerkmal, das die Publikumsdebatte gegenüber einer normalen Diskussion ausmacht. Das werden wir definitiv beibehalten.
AM: In der aktuellen Ausschreibung wird betont, dass auch Clubs als Ausrichter willkommen sind, die sich noch nicht als Veranstalter versucht haben.
Christoph: Clubs, die schon einmal Publikumsdebatten oder eine ZEIT DEBATTE mit öffentlichem Finale ausgerichtet haben, haben natürlich einen Startvorteil. Aber wir leisten zentral sehr viel Schützenhilfe: Sei es durch die Einladung der Gastredner, Infoblätter oder den engen telefonischen Kontakt, den wir mit den Ausrichtern halten.
Das wird dieses Jahr sogar noch intensiver durch das Vorbereitungstreffen in Berlin, das im März stattfindet. Die Ausrichter der 22 Debattierclubs sind eingeladen, ihre Erfahrungen auszutauschen, unsere Partner kennenzulernen und sich untereinander auch jenseits der Turniere zu vernetzten. Von daher, liebe Clubs: Ob groß oder klein, mehr oder weniger erfahren, bewerbt Euch!
AM: Das erste Jahr von Klartext Europa ist vorbei. Was ziehst du für eine Bilanz?
Christoph: Es lohnt sich, über Europa, zu streiten, denn es bringt dem Publikum, den politischen Gästen und besonders den ausrichtenden Clubs einen Erkenntnisgewinn – nämlich den, dass nichts alternativlos ist. Es liegt an der Politik und den Bürgern, in welche Richtung sich das Projekt Europa fortentwickeln wird. Klar gab es Veranstaltungen, die weniger gut besucht waren, klar gab es Debatten, die schlechter liefen. Aber im Großen und Ganzen hat es sehr gut geklappt. Besonders die Clubs, die tatsächlich viel Publikum anziehen konnten – damit meine ich zwischen 50 und 100 Gäste -, können sich auf die Schulter klopfen. Zu einem schwierigen Thema und einem unbekannten Format ist das wirklich keine einfache Aufgabe. Und wir alle – die Clubs, der VDCH und Bürger Europas – haben sie gut gemeistert. Lasst es uns dieses Jahr noch besser machen!
Lieber Christoph, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellten Saskia Höfer und Sarah Kempf.
hoe/kem/tk
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Christoph Krakowiak ist VDCH-Vorstandsbeirat für Europadebatten. In der Amtszeit 2008/09 war er Vorsitzender der Streitkultur e.V. Tübingen, im Jahr 2010 gehörte er als Vorsitzender dem Gründungsvorstand der Streitkultur Berlin e.V. an. Er war Chefjuror der ZEIT DEBATTE Karlsruhe 2011 und des Streitkultur-Cups 2010. In Tübingen und Berlin studierte er Politikwissenschaften und arbeitet derzeit als Freier Dozent für Rhetorik und politische Bildung. Zusätzlich ist er als Referent für Bürger Europas e.V. tätig.
Klasse Sache!