Keine Urinproben-Becher im Büro: Das sechste Rededuell der Meister in Heidelberg
Trotz des regnerischen Wetters machten sich am vergangenen Sonntagnachmittag schaulustige Heidelberger auf den Weg in die Alte Aula der Universität Heidelberg, angelockt von einer Frage, die viele neugierig gestimmt haben dürfte: „Fehlt die Disziplin, hilft nur noch Ritalin – Soll Hirndoping an Universitäten verboten werden?“
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung mussten sich die Organisatoren des Debating Club Heidelberg ungläubige Fragen gefallen lassen: „Nehmen Sie Ritalin?“ fragte eine Dame ein wenig verdutzt, nachdem sie einen Flyer in die Hand gedrückt bekam. „Noch nicht“ lautete die Antwort, und, so viel sei vorweggenommen, daran hat sich nichts verändert.
Hinter der Aktion verbarg sich die sechste Ausgabe des Heidelberger Rededuells der Meister, das der Club nach vier Jahren der Ausrichtung von und des Erfolgs auf Turnieren wieder einführte. Der Tradition folgend traten die Gastgeber, dieses Mal vertreten durch Tom-Michael Hesse, Kristina Seebacher und Sven Hirschfeld, als Regierung an. Als Opponenten waren Daniil Pakhomenko, Andrea Gau und Sarah Kempf vom Debattierclub Johannes Gutenberg e.V. eigens aus Mainz angereist. Während der DC Heidelberg im vergangenen Sommer die deutsche Meisterschaft errang, gewannen die Mainzer im November 2012 – ebenfalls in der Alten Aula – die Baden-Württembergischen Meisterschaften. Doch nicht nur der Titel der Veranstaltung fand so seine Berechtigung, das Duell zwischen Heidelberg und Mainz gilt als ein Klassiker der Debattierszene.
Das Format der Offenen Parlamentarischen Debatte ist nicht komplett ohne freie Redner, die sich unabhängig von den Teams der Regierung und Opposition frei für oder gegen den Antrag der Regierung plädieren. Diese oft schwierige Rolle haben auch dieses mal wieder Professoren der Universität wahrgenommen. Prof. Dr. Manfred Berg, Prof. Dr. Lutz Gade und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hommelhoff stiegen in den Ring und bewiesen, dass sie nicht nur im Hörsaal und nicht nur in ihrem Fachbereich zu rhetorischen und fachlichen Höchstleistungen in der Lage sind.
Nach einem Grußwort von Prof. Óscar Loureda Lamas, Prorektor der Universität Heidelberg, begann das epochale Rededuell. Prof. Loureda bildete zusammen mit Prof. Christian Duve, Honorarprofessor der Universität und Initator des „Heidelberger Verhandlungsworkshops“, Wolfgang Berger, Leiter der Heidelberger Landeszentrale für politische Bildung und langjähriger Unterstützer des Debating Club Heidelberg, und Jürgen Popig, Leitender Schauspieldramaturg vom Theater und Orchester Heidelberg, die Ehrenjury.
Ob das Nehmen von Ritalin und Ähnlichem den Wettbewerb verzerrt oder einfach nur Nachteile ausgleicht, ob wir uns damit in eine Spirale der Perfektionierungssucht begeben oder wir unser Potenzial nutzen können – die großen Streitfragen der Debatte wurden letztendlich von zwei phänomenalen Schlussreden zusammengefasst. Doch auch die Professoren brachten neue Aspekte gegen den Antrag in die Debatte und sicherten sich die Sympathie und Bewunderung des gesamten Publikums: „Den Lebenswandel der Studenten zu überwachen, ist keine Aufgabe der Universität“, meinte Prof. Berg. Noch einen Schritt weiter ging Prof. Gade, der – freilich mit einem gewissen Augenzwinkern – erklärte, ihm sei ein Student lieber, der „bis unter die Schädeldecke zugekifft“ seine Prüfung schreibe, als wenn sich in seinem Büro die Becher mit den Urinproben auf der Fensterbank reihen – zumal Zimmerpflanzen ähnliche konzentrationsförderne Wirkungen haben könnten. Differenzierter sah es Prof. Peter Hommelhoff. Auch er befürchtete, dass sich junge Menschen mit Ritalin vergifteten, dies dürfe die Uni aber nicht verbieten, sondern müsse den Gebrauch solcher Substanzen offen ächten und den Studierenden gegebenenfalls theraupeutische Hilfe anbieten.
Schlussendlich durfte das Publikum über den besten Redner der Debatte abstimmen: Mit fast 50% der Stimmen wurde Sven Hirschfeld bestimmt, der mit seiner Schlussrede und der finalen Frage „Wann ist ein Mensch ein Mensch?“ das Publikum für sich gewinnen konnte. Prof. Christian Duve verkündete das beste Team, das die Ehrenjury bestimmt hatte: Ganz knapp lag das Heidelberger Team vorne. Herzlichen Glückwunsch an Kristina, Sven und Tom-Michael und vielen Dank an die Gäste aus Mainz!
Text: Franziska Städter/Alexander Hiller/kem
Auch die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete im Artikel „Nach der Klausur zur Urinprobe?“ über das Rededuell der Meister.