Kleine Gesten, große Wirkung: Ideen zur Jurorenförderung im Club

Datum: 9. Oktober 2013
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Mittlerweile  passiert es immer häufiger, dass sich bei Turnieren im VDCH-Land zu wenige Juroren anmelden. Dieses Problem wurde schon des Öfteren behandelt. Jonathan Scholbach hat einen guten Problemaufriss geliefert. Anna Mattes hat die drei wichtigen Faktoren für eine gute Jurierung für Turniere benannt (VDCH, Clubs und Ausrichter) und gleich einige spannende Ansätze für eine bessere Betreuung von jungen Juroren von Seiten der  Chefjuroren geliefert. Dem VDCH-Vorstand ist dieses Problem bewusst, was sich anhand der Schaffung des Postens eines Vorstandsbeirates für Jurierseminare zeigt.
In diesem Beitrag möchte ich einige Vorschläge für den dritten und grundlegendsten Akteur bei der Jurorenausbildung aufführen: Die Clubs. Diese Sammlung von Vorschlägen könnte als Anregung für die Clubvorstände dienen, um die  Maßnahmen von Verband und Ausrichtern zu ergänzen und zu verstärken, und könnte langfristig dazu führen, dass mehr Juroren bei einem Turnier antreten.

1. Ansatz im Club

Nicht jeder Debattierclub hat das Glück, dass mehrere Debattiergranden, die noch hauptsächlich jurieren, am normalen Clubleben teilnehmen und als Juroren auf Turniere fahren. Später nehmen die jüngeren Mitglieder, die zuerst als Redner Erfolge gefeiert haben, den Platz der Vorgänger ein. Hier zwei Möglichkeiten, die junge Redner zum Jurieren anstiften könnten:

Altgedienter Juror: Christian Landrock (Mitte) (c) Jöran Beel

Altgedienter Juror: Christian Landrock (Mitte)
(c) Jöran Beel

a) kompetitiver Ansatz

Der kompetitive Ansatz gliedert sich in zwei Teile. Einerseits wird den Mitgliedern bzw. den Interessierten klargemacht, dass sie, wenn sie nie die Perspektive eines Jurors angenommen haben, wirklich gute Redner sein werden. Denn nur, wenn er seine Sichtweise selbst häufig genug eingenommen hat, weiß ein Redner, worauf ein Juror achtet, und kann sich in der eigenen Rede daran orientieren. Dass ehrgeizige Redner dies wirklich machen, zeigt folgendes Beispiel: In der vergangenen Saison haben mehrere Mitglieder eines Clubs, der hauptsächlich im British Parliamentary Style (BPS) debattiert, am Brüder-Grimm-Cup teilgenommen, obwohl kein Team des Clubs angetreten ist. Die Mitglieder des Clubs wollten sich in Hinblick auf die bevorstehende Deutschsprachige Debattiermeisterschaft einfach intensiv mit der Jurorenperspektive in der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) beschäftigen.
Der andere Teil des Ansatzes liegt in den Fähigkeiten, die bei der Jurorentätigkeit trainiert werden und die sowohl als Debattierer, als auch im richtigen Leben von Vorteil sind. Dies sind die Fähigkeit zur Analyse, das Training der Aufmerksamkeit, das Argumentieren in der Jurorenbesprechung als eigener Wettkampf und das Geben von konstruktivem Feedback als Hauptjuror. Hinzu kommt der erfreuliche Umstand, dass man als Hauptjuror länger redet als jeder Redner.

b) emotionaler Ansatz

Hierbei geht es darum, wie der Einsatz von Juroren in einem Club vermittelt wird. Das  kann sich einerseits durch die Wortwahl als auch mittels Gesten zeigen. Wenn der Vorstand und/oder die erfahrenen Mitglieder die Jurorentätigkeit nicht als Bestrafung, sondern als andere Form der rhetorischen Entwicklung darstellen, dann haben die jüngeren Mitglieder nicht gleich das Bild des Dummen vor Augen, der einen unbeliebten Job machen muss. Positive Formulierungen sind hilfreich, man kennt das von sich selbst: Wenn man bei einer Aufgabe denkt „Ich muss das jetzt tun“, dann ist das weniger motivierend, als wenn man denkt „Ich darf das machen“.

Ein anderer Punkt sind die kleinen Gesten. Nach einem Turnier werden meistens bei der nächsten Übungsdebatte, beim Turnierbericht auf der Homepage und auf Facebook die Ergebnisse der Redner gewürdigt. Dabei gehen leider die Teilnahme und die Leistung eines oder mehrerer Juroren für den Club bei dem Turnier unter. Jeder vernünftige Juror wird sich dann denken: „Toll, anscheinend kann ich nur als Redner Prestige für mich und den Club erwerben!“ Dass dann kein großer Anreiz entsteht, noch einmal auf ein Turnier zu fahren, ist selbsterklärend. Deshalb sollten diese Leistungen immer benannt und gewürdigt werden.

2. Maßnahmen im Clubleben

Hier sind einige Maßnahmen, um bei Mitgliedern die Hemmschwelle für eine Jurorentätigkeit zu senken und diese für Turniere zu begeistern.

a) Stetiger Jurorenwechsel

Hierbei geht es darum, dass jede Woche mindestens ein anderes Mitglied juriert, damit jeder im Club mit dieser Tätigkeit in Berührung kommt. Gekoppelt werden kann dieser Punkt mit dem Recht, dass dieses Mitglied das Thema für die Übungsdebatte bestimmt bzw. mehrere Motions vorschlägt. Ob das Thema im Vorfeld der Debatte oder erst bei der Sitzung vorgestellt wird, sei dahingestellt. Der Themensucher hat ohnehin schon einen Wettbewerbsvorteil, weshalb es für ihn kein Problem darstellen sollte, dies zu jurieren.

b) Jurorenschulung im Club

Wenn gerade keine Möglichkeit zur Jurorenschulung besteht bzw. die Mitglieder wegen der Reisebeschwerlichkeiten die Fahrt dahin scheuen, dann kann ohne große Erfordernisse auch selbst eine Jurorenschulung vorgenommen werden. Einige Mitglieder debattieren gegeneinander und der Rest juriert. Zwei bis drei erfahrene Mitglieder kommen zu einem Ergebnis. Derweil jurieren die unerfahrenen Juroren in Zweiergruppen ebenfalls und kommen zu einem Ergebnis. Schließlich werden die Resultate abgeglichen und ausgewertet. Eine Woche später findet ein Rollentausch der letztwöchigen Redner und Juroren statt. Wenn nicht genug Leute im Clubleben für eine sinnvolle Debatte in OPD und BPS inkl. einer Lehrjurierung vorhanden sind, dann reicht auch eine halbe BPS-Debatte bzw. das Mastersformat aus.

Noch besser klappt es, wenn eine Kamera vorhanden ist. Die erfahrenen Juroren jurieren die Debatten und nehmen sie auf, geben aber kein Feedback. Eine Woche später schauen sich alle Mitglieder die Debatte an und bewerten sie. Erst jetzt geben die erfahrenen Juroren ihre Bewertung bekannt.

c) Jurorenteilnahmen subventionieren

Debattierer, die auf Turnieren juriert haben, sind für jeden Club ein Gewinn. Sie haben ihre Fähigkeiten als Juroren verbessert, was der Jurierung im Club zu Gute kommt. Sie haben neue Debattierstile gesehen und können sie aufnehmen. Nicht zu vergessen den solidarischen Beitrag, den ein Club mit einen Juroren leistet, damit das Turnier und somit die anderen Redner des Turniers fair beurteilt werden. Wie Jonathan richtig klargestellt hat, ist die finanzielle Sanktion, dass ein Team nur dann starten darf, wenn der Teilnehmerbeitrag für einen Juror gezahlt wird, offenbar wirkungslos.

Neben den oben erwähnten Maßnahmen könnte deshalb eine weitere Senkung der Hemmschwelle sein, eine Erstattung bzw. eine Teilerstattung der Teilnahmegebühren oder der Reisekosten der Juroren sein. Auf jeden Fall sollte sich der Club bemühen, die Kosten für die Mitglieder zu senken. Der Debattierclub Magdeburg konnte in der vergangenen Saison die Reisekosten bei mehreren Turnieren mit Anträgen beim Studentenrat der Universität Magdeburg bedeutend mindern.

Als ein sehr gutes Turnier, bei dem junge Debattierer gute Erfahrungen als Juroren sammeln können, hat sich der Masters-Cup erwiesen. Das jährliche Debattieralumni-Turnier in Eisenach weist mehrere günstige Faktoren für Einsteiger auf: Ein relativ einfaches Debattierformat, keine langen und anstrengenden Debatten, einen sehr entspannten Zeitplan, überdurchschnittliche Debatten mit Reden, die teilweise wie aus dem Lehrbuch wirken, keine angespannte und ehrgeizige Atmosphäre wie auf anderen Turnieren. Natürlich bestehen noch viele andere Gründe für eine Masters-Cup-Teilnahme. Allein aus der Perspektive der Jurierung sollte jeder Vorstand bemüht sein, dorthin studentische Juroren zu entsenden.

d) Turnierteilnahmen sanktionieren

Die Berlin Debating Union praktiziert ein sehr erfolgreiches System bei den Turnierteilnahmen, damit speziell bei kleineren Turnieren nicht immer die gleichen Personen reden. Ein Mitglied muss einmal auf einen Turnier juriert haben, um bei zwei anderen Turnieren reden zu dürfen. An sich ist diese Regelung sehr gut und gerecht, allerdings ist zu fragen, ob dies nur bei Clubs funktioniert, die über eine so große Anzahl von ehrgeizigen Mitgliedern verfügen.

3. Punkte für Jurorenteilnahmen in der FDL

Immer wieder steht die potentielle Regeländerung im Raum, dass gebreakte Juroren Punkte für ihren Club in der Freien Debattierliga sammeln können. Da das Problem des Jurorenmangels weiterhin besteht und Punkte die Rolle eines Juroren aufwerten können (siehe Punkt 1b), plädiere ich für eine Honorierung der Leistung eines Juroren. Hinzu kommt, dass auch unter den Juroren ein impliziter Wettkampf herrscht, nämlich darum, wer in der Jurierung besser argumentieren kann. Ein Break ist auch eine Auszeichnung dafür, dass sich ein Juror und seine Fähigkeiten beim Lesen einer Debatte durchsetzen konnten. Die Clubs, die eine gute Platzierung in der FDL anstreben, hätten gleichfalls eine größere Motivation, Juroren für das Turnier zu finden. Hierbei kämen für mich zwei Möglichkeiten ins Spiel:

a) Jeder Juror, der ins Halbfinale breakt, holt für seinen Club Punkte. Dadurch wird der Faktor neutralisiert, dass kompetente Juroren bei einem Finale nicht berücksichtigt werden, das ihr Heimatclub erreicht hat.

b) Wenn mehrere Clubs am Ende der Saison die gleiche Anzahl von Punkten haben, wird nachgesehen, wer mehr Juroren entsandt hat (auch wenn das in etwa so häufig passieren wird wie ein Präsidentenentscheid im Finale).

4. Gespräch vor dem Turnier

Dieser Punkt müsste nur bei unerfahrenen Mitgliedern angewandt werden. Viele Debattierer scheuen sich davor, zum ersten Mal auf einem Turnier als Juror anzutreten, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Hier müssen der Vorstand und/oder erfahrene Mitglieder den potentiellen Teilnehmern erläutern, dass sie auf einen Turnier nicht auf sich alleine gestellt sind und von den Chefjuroren unterstützt werden können. Zugleich lernen sie etwas.

Dies sind einige Denkanstöße. Nicht alle lassen sich Eins-zu-eins auf jeden Club übertragen. Um es mit den Worten von Anna zu sagen: Ich würde mich freuen, wenn Sinn und Unsinn der jeweiligen Maßnahmen in den Kommentaren diskutiert wird und freue mich ebenfalls über weitere Ideen!

Christian Landrock/ak

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: jeden Mittwoch ab 9.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Christian Landrock war Präsident des Debattierclubs Magdeburg e.V. im Amtsjahr 2012/13, von 2011 bis 2012 war er Vizepräsident des Clubs. Er war Cheforganisator der ZEIT DEBATTE Magdeburg 2012 und Mitorganisator weiterer Turniere. Derzeit promoviert er im Fach Geschichte.

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2 Kommentare zu “Kleine Gesten, große Wirkung: Ideen zur Jurorenförderung im Club”

  1. Alex L. (DD) sagt:

    Ich halte nichts davon, für den Jurorenbreak Punkte zu vergeben, dafür ist das Zustandekommens des Breaks nicht „fair“ genug. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Breakchancen auf einem FDL-Turnier einfach aufgrund meiner Bekanntheit und meiner bisherigen Jurier-Karriere deutlich besser sind als die eines Anfängers, der eine vergleichbare Kompetenz besitzt. Das ist keine Kritik, sondern einfach das Resultat verschiedener Einschränkungen, die verhindern, dass Chefjuroren eine komplett objektive Wahl treffen können.

    Daraus folgt aber, dass es deutlich attraktiver ist, mich als Juror auf ein Turnier zu schicken als einen Anfänger. Damit wird der ganze Ansatz der Nachwuchsförderung ad absurdum geführt.

    Es wäre sicherlich schön, wenn es irgendeine Anerkennung für Juroren geben würde, aber dann lieber personalisiert und nicht auf den Club bezogen, um zu verhindern, dass ein Club plötzlich den Anreiz hat, lieber bekannte Namen als talentierte Nachwuchs-Juroren mit zu nehmen.

  2. Jonathan Scholbach sagt:

    Ich finde es sehr gut, dass zunehmend darüber reflektiert wird, wie Jurierungen besser werden können. In meinen Augen tritt der VDCH in eine Phase der Professionalisierung ein, in der auch die Wertschätzung des Jurierens an Bedeutung gewinnt. Ich teile völlig die Analyse des Artikels. Ich möchte noch zwei Dinge unterstreichen bzw. ergänzen:

    1. Es scheint mir besonders wichtig, dass die Clubs (vor Allem die Vorstände) erkennen, dass gute Clubjurierungen der Schlüssel zur Entwicklung des Clubs sind. Das gilt nicht nur in Sachen der Redequalität, sondern auch in Bezug darauf, wie attraktiv der Club für Neumitglieder ist. Eine gute Jurierung und ein hervorragendes Feedback in der ersten Rede wecken Lust auf mehr, schlechte Jurierungen und miserables Feedback hingegen schrecken ab.

    2. Ich werde eine Liste erstellen, in der die Teilnahmen (und Breaks) der Juroren über die Saison zumindest erstmal gelistet werden. Die Jurierungen auf diese Weise sichtbarer zu machen ist der erste Schritt zu einer angemesseneren Wertschätzung des Jurierens, wie sie auch der Artikel fordert.

Kommentare sind geschlossen.

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