„Lassen Sie mich bitte ausreden…“ – Eine Kritik des gestrigen TV-Duells
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wenn eine Kanzlerin und ein Spitzenkandidat sich streiten, dann hofft der Zuschauer, sich am Ende freuen zu können. Sei es über inhaltliche Tiefe, Schlagfertigkeit oder Wortwitz der Widersacher. Wenn zwei sich duellieren, dann ist am Ende einer von beiden tot. Und wenn Merkel und Steinbrück sich 90 Minuten lang „duellieren“, dann sind die Zuschauer am Ende todmüde.
Zwar nicht mit scharfen Waffen, dennoch mit scharfen Worten sollten Angela Merkel und Peer Steinbrück, übertragen von vier großen Sendern gleichzeitig, gegeneinander antreten. Wie in einer guten Debatte, – egal ob von Politikern, Studenten oder Schülern geführt – hätte das Duell eine Chance für beide Kontrahenten sein können, sich durch Redegewandtheit und inhaltlich gute Argumentation auszuzeichnen. Um dies zu erreichen, muss man in einem Streitgespräch die eigene Position klar herausarbeiten und vom Gegner abgrenzen, auf Probleme der gegnerischen Argumentation eingehen und seine Argumente so gut darlegen, dass ein unbedarfter Zuhörer sich am Ende begründet auf die eigene Seite schlagen kann.
Übermoderiertes Format
Schuld daran, dass dies im „Duell“ zwischen Merkel und Steinbrück kaum passierte, hatten weniger die Kandidaten als das völlig übermoderierte und zur Darstellung einander entgegenstehender Standpunkte vollkommen ungeeignete Format des gestrigen „TV-Duells“. Denn anstatt Merkel und Steinbrück aufeinander antworten zu lassen, wurden stets beiden nacheinander unterschiedliche Fragen zum gleichen Themenkomplex gestellt. Hin und wieder zeigte sich der Wille der Kontrahenten, eine politische Debatte zu beginnen, indem sie trotz neuer Fragen seitens der Moderatoren auf Punkte des anderen zu Beginn ihrer Antwort eingingen. Diese Ansätze zu einer tatsächlichen inhaltlichen Auseinandersetzung wurden allerdings von den Moderatoren schnell wieder unterbunden. Eine Debatte im eigentlichen Sinn, die durch die Vertiefung eines Themas in mehreren aufeinander reagierenden Wortwechseln ihre Lebendigkeit erhält, konnte so überhaupt nicht zustande kommen.
Traurig war daher vor allem, dass stets nach wenigen Minuten schon wieder das Thema gewechselt wurde. Natürlich hätten beide Kandidaten uns viel erzählen können über die Hintergründe ihrer Entscheidungen und die Schwächen des Gegners. Aber bei manchmal nicht einmal 10 Minuten Zeit für einen Themenkomplex beschränkte man sich lieber auf die wichtigsten Talkingpoints, die man auf unzähligen Wahlkampfveranstaltungen schon zum Besten gegeben hatte.
So betonte Merkel die Erfolge der Bundesregierung, stellte positive Statistiken und Zahlen heraus und versicherte, dass man für die noch bestehenden Probleme schon eine Lösung finden würde. Sie blieb oft sehr allgemein und wich Fragen der Moderatoren aus. In diesem Stil hätte Merkel auch darlegen können, dass sie in einem Deutschland leben will, in dem man Wasser aus der Toilette trinken kann, ohne Ausschlag zu bekommen, ohne dadurch ihrer Argumentationslinie untreu zu werden.
Steinbrück kritisierte die Kanzlerin des öfteren und konnte so auch einige leichte Treffer landen. Zum Beispiel schaffte er es, dass die Kanzlerin sich in der Frage der PKW-Maut festlegen musste. Auch die Lächerlichkeit des sogenannten „Pflege-Bahrs“ konnte er mit einfachen Worten den Zuschauern als einen Makel in Merkels Schachtel-Politik vermitteln, bei der es notwendig sei, genau auf die Inhalte vermeintlicher Lösungen zu gucken.
„Das müsste man die SPD genauso fragen“
Solche Situationen blieben allerdings selten. Zu oft spielten sich die Moderatoren in den Vordergrund und unterbrachen die Redner. „Wie das am Ende finanziert wird, müsste man die SPD jetzt genauso fragen“, gab Maybrit Illner beim Rententhema zu, fragte aber trotzdem nicht nach, sondern leitete zur Energiewende über. Bei diesem Thema konnte dann auch Steinbrück nicht vollständig punkten. Zwar mahnte er an, dass die Experten das Management der Energiewende als katastrophal bezeichnen, versäumte es aber, dies auf konkrete und beschreibbare Fehler herunterzubrechen. Ebenso konnte er das Zugeständnis Merkels, dass die aktuelle wirtschaftliche Stabilität der Bundesrepublik maßgeblich auf die Reformen der Agenda 2010 zurückzuführen seien, nicht für sich nutzen. Dabei gab es wunderschöne Vorlagen, etwa als Merkel meinte, dass das europäische Ausland doch von diesem Reformprogramm lernen könne, um sich selbst aus der Schuldenkrise zu befreien. Auch als Mensch ohne Debattierbezug denkt man da vielleicht intuitiv, dass dann wohl die Partei, die diese Reformen entworfen hat, der bessere Lehrer wäre.
Im Prinzip war man sich aber innerhalb der Themen auch oft einig. Der Streit lag eher im Detail, aber um darauf einzugehen, war zu wenig Zeit. So waren beide für einen Mindestlohn, nur eben branchenspezifisch oder flächendeckend. Beide sahen Handlungsbedarf beim Schutz der Privatsphäre deutscher Bürger gegen ausländische Geheimdienste, und beim Thema Syrien war man sich sogar komplett einig.
Eine ungefähre Vorstellung von beiden Seiten
So blieb dem Zuschauer am Ende nicht viel mehr als ein eine ungefähre Vorstellung von beiden Seiten. Beide hatten grob gesagt, wo sie bei welchem Thema stehen, das war’s. Selbst das Aufzählen – geschweige denn Ausführen – von Gründen für den eigenen Standpunkt sparte man sich in der Regel. Aber darum ging es scheinbar auch gar nicht. Vielleicht sollte nur ein Gefühl vermittelt werden, das in der Nachberichterstattung schließlich lang und breit analysiert und diskutiert wird. „Wer hat gewonnen?“ ist die Frage nach dem gefühlten und nicht nach dem argumentativen Gewinner. Doch wenn schon Achtklässler in einer Debatte eine Stunde lang verschiedene Positionen zu einem Thema ausloten können und anderen dabei interessiert zuhören, so stellt sich die Frage, ob man dem Fernsehzuschauer nicht auch ein bisschen mehr zutrauen dürfte. Moderatoren sind wichtig zur Einhaltung der Spielregeln und zum Setzen des Rahmens. Wenn sie aber alle Ansätze zu einem Streitgespräch immer wieder im Keim ersticken, so ist zu bezweifeln, dass diese Art des Duells am Ende die richtige ist. Wir sahen ein als Duell angekündigtes Doppelinterview, bei dem die Sender und Moderatoren davor, dabei und danach alle ihre eigene Show hatten. Wir hätten gerne eine Debatte gesehen, bei der sich die Kandidaten wirklich „duellieren“.
Text: Pauline Leopold und Peter Croonenbroeck/ak/kem
Pauline Leopold ist Deutsche Vizemeisterin 2011 und Süddeutsche Meisterin 2011. Sie war Siegerin der ZEIT DEBATTE Jena 2009 sowie des Gutenberg-Cups 2009 und 2010. Sie war Chefjurorin zahlreicher Turniere, darunter die ZEIT DEBATTE Hamburg 2012, die ZEIT DEBATTE Tübingen 2010, die Mitteldeutsche Meisterschaft 2012 und die Süddeutsche Meisterschaft 2009. In der Amtszeit 2007/08 war sie Vorsitzende des Tübinger Debattierclubs Streitkultur e.V. Sie studierte Rhetorik, Politik und Deutsch. Derzeit ist sie als Fellow für die Bildungsinitiative Teach First tätig.
Peter Croonenbroeck ist Deutscher Meister 2010 und Süddeutscher Vizemeister 2010. Er war Sieger der ZEIT DEBATTE Wien 2010 sowie der ZEIT DEBATTE Jena 2009. Als Chefjuror trat er bei der ZEIT DEBATTE Magdeburg 2012, der ZEIT DEBATTE Mainz 2011 und dem Streitkultur-Cup 2009 in Erscheinung. Er war Vorstandsmitglied des Tübinger Debattierclubs Streitkultur e.V. in der Amtszeit 2007/08. An der Universität Tübingen studiert er Rhetorik, Philosophie und Geschichte. Derzeit macht er seinen Abschluss.
Wie wäre es also mit einer Jury die auf die Regeln achtet mit einem Präsidenten, und wir streichen die vier Moderatoren.
Es ist mMn sowieso zu bezweifeln ob ein TV- Duell eine sinnvolle Angelegenheit ist. Die Positionen der Kontrahenten waren schon vorher schon weitgehend ersichtlich genau wie die gegenseitiegen Vorwürfe. Eine inhaltliche Außeinandersezung über Lösungen für Probleme kam nur in ganz kleinen Ansätzen vor.
Und für solche gibt es schließlich auch das Parlament. Das wird aber weitgehend von der Presse ignoriert.
Mich beschleicht daher immer mehr der Verdacht, dass solche Veranstaltungen eher der Profilierung von Moderatoren dienen, da mann für den Bundestag und die Auswertung dortieger Debatten lediglich einen einziegen Redakteur benötigt.
Auch der mit dem „Duell“verbundene Personenkult stört mich. Die Politiker und ihre Parteien sind schließlich keine Fußballmannschaften die man zur eigenen Belustiegung anfeuert und deren Sieg oder Niederlage gefeiert oder bedauert wird. (Hier besteht auch ein grundlegender Unterschied zwischen Politik und dem Debattieren)
In der Politik sollte es idealerweise um Lösungen für Probleme oder Prävention von zukünftiegen gehen und nicht um eine gute „Performance“ für die eigene politische Meinung.
Ansonsten noch schöne 3 Wochen bis zur Wahl
Gruß Jan
Zum Thema übermoderiertes Format: In Österreich hat man das offenbar jahrelang komplett ohne Moderator gemacht:
http://www.youtube.com/watch?v=NKUUGBBDELk
http://www.youtube.com/watch?v=xLh8J3FeqDQ
Das Beispiel aus Österreich das ja sehr gut zum Vorschlag von Stefan Niggemeier (http://www.stefan-niggemeier.de/blog/vier-moderatoren-sind-vier-zuviel-das-tv-duell-ein-vorschlag-zur-guete/). Ich muss sagen: Die Idee hat was.
Man könnte die Idee zumindest mal in den Klubs ausprobieren.