Walter Jens ist tot
Der Altphilologe, Literaturhistoriker und Schriftsteller Walter Jens starb am vergangen Sonntag. Jens hatte 1963 bis 1988 den ersten, eigens für ihn geschaffenen Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik an der Eberhard Karls Universität Tübingen inne. Karsten Stölzgen, der ihn persönlich erlebt hat, verfasste folgende Nachruf.
„Wie wenig andere stand Walter Jens für etwas, das Debattanten wichtig ist: Streitkultur. Die Kraft seiner öffentlichen Rede kam aus der inneren Überzeugung, das eine Republik Menschen braucht, die das Wort ergreifen zu den Dingen, die sie etwas angehen. Und Walter Jens ging vieles an. Seine großen Themen kamen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, von der Politik über die Literatur bis hin zur Bundesliga und dem Fernsehprogramm. Über was er auch sprach, er sah die große Linie und hatte einen fundierten Blick auf die Sache. Rhetorik war für ihn nicht die Kunst großen Worte, sondern der persönliche Ausdruck der Auseinandersetzung mit der Sache oder, wie er einmal formulierte: „Rhetorik ist dann überzeugend, wenn ich zeige, dies bin ich und ich meine es so wie ich es sage.“
Vielleicht ist das, was wir Debattanten von Walter Jens lernen können. Rhetorik, die nur um ihrer selbst willen betrieben wird, bleibt unter ihren Möglichkeiten. Wirklich überzeugend, sind wir dann, wenn uns die Dinge, über die wir reden auch etwas angehen.“
Karsten Stölzgen