„Herr Haneklaus, haben Sie nicht mal eben Lust aus der Stratosphäre zu springen?“ – Stuttgart gewinnt ZEIT DEBATTE Tübingen 2012

Datum: 26. November 2012
Redakteur:
Kategorie: Turniere

„Die Redezeit ist endlich, die Möglichkeiten nicht!“, ist ein Auszug des Grußwortes von Prinz Asfa-Wossen Asserate, der im Finale der ZEIT DEBATTE Tübingen dem Publikum das Debattieren schmackhaft machte. Was die Zuschauer daraufhin erleben durften, war mehr als die Hoffnung auf eine gute Debatte – es war ein Leckerbissen!

Das Siegerteam aus Stuttgart während der Debatte (Foto: Carsten Schmidt)

Das Siegerteam aus Stuttgart während der Debatte (Foto: Carsten Schmidt)

Aber schauen wir uns erst einmal an, wie es dazu gekommen war: Vom 23.11. – 25.11.12 reisten 27 Teams aus dem ganzen VDCH-Land nach Tübingen, um in der Krippe des deutschsprachigen Debattierens den ersten Sieger der ZEIT-DEBATTEN-Saison 2012/2013 zu küren. Die Chefjuroren Philipp Stiel, Wiebke Nadler und Leonid Vogel waren für die inhaltliche Leitung des Turniers zuständig. Die Bandbreite der Themen reichte von Netzpolitik, Liebe, Jura und Demokratie bis hin zu James Bond. Am Ende konnte sich jeder Teilnehmer mit mindestens einem der Themen identifizieren – eine tolle Leistung!

Seien wir ehrlich: Kein Turnier trumpft, wenn nur die inhaltlichen Kriterien und Maßstäbe erfüllt wurden. Am Ende waren es die kleinen Dinge, die uns das Wochenende zu einem vergnüglichen Event machten. Auch hier fehlte es an absolut nichts. Gemachte Betten, urige Kneipen, eine selbstorganisierte Party, ständige Versorgung und das wichtigste überhaupt: Ehrliche gute Laune bei den Organisatoren und Helfer. Vielen Dank und Gratulation für dieses Fest, liebe Streitkultur, insbesondere den Cheforganisatoren Marie Rulfs, Konrad Gütschow und Nikos Bosse!

Die Chefuroren der ZEIT DEBATTE Tübingen 2012 (v.l.n.r.): Leo Vogel, Wiebke Nadler und Philipp Stiel (Foto: Carsten Schmidt)

Die Chefuroren der ZEIT DEBATTE Tübingen 2012 (v.l.n.r.): Leo Vogel, Wiebke Nadler und Philipp Stiel (Foto: Carsten Schmidt)

Nach 5 Vorrunden schafften es am Ende je ein Team aus Stuttgart, Jena, Berlin und Mainz ins Halbfinale. Als Freie Redner zogen zudem Barbara Schunicht (Hamburg), Adrian Gombert (Münster), Jan Ohmstedt (Heidelberg), Marc-André Schulz (Aachen), Almut Graebsch und Gabor Stefan (beide München) ins Halbfinale ein. In den Halbfinals konnten sich letztendlich Stuttgart gegen Mainz und Jena gegen Berlin durchsetzen. Fraktionsfreie Redner des Finales waren Jan Ohmstedt (Heidelberg), Georg Sommerfeld (Berlin) und Almut Graebsch (München).

Das Finale, welches im Silchersaal in Tübingen stattfand, stand ganz im Zeichen der Tradition des ältesten deutschsprachigen Debattierclubs in Deutschland. Neben dem schon oben genannten Prinzen richtete auch Ansgar Kehmann, Gründungsmitglied der Streitkultur, ein Grußwort an das Publikum. Bei seinem Streifzug durch die Geschichte des Vereins konnten sich viele der älteren Debattanten und Debattantinnen an das ein oder andere erinnern und viele der jüngeren lebendige Geschichte erfahren. Mit der guten Grundstimmung ließ das Finale nicht mehr lange auf sich warten, insbesondere weil Georg Landwehr vom Magazin „Debatare“ schnell, präzise und charmant erklärte, was die Zuschauer in den nächsten zwei Stunden erwarten sollte. Thema des Finales war „Soll Sponsoring von Stunts und lebensgefährlichen Sportarten verboten werden?“.

Gruppenbild der Teilnehmer auf der ZEIT DEBATTE in Tübingen (Foto: Carsten Schmidt)

Gruppenbild der Teilnehmer auf der ZEIT DEBATTE in Tübingen (Foto: Carsten Schmidt)

Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon spannendere Streitfragen gehört. Am Ende ist jedoch nur die Redezeit endlich, die Möglichkeiten sind es nicht. Damit sollte Prinz Asfa-Wossen Asserate Recht behalten. Denn die Finaldebatte war eine der unterhaltsamsten, die ich je miterleben durfte. Die Redner waren charmant, publikumswirksam, präzise und schöpften bis zum letzten Redner immer ihre Möglichkeiten aus. Severins Höhenangst und Ikarus-Vergleiche wurden am Ende nur noch vom Besten Redner der Debatte, Nils Haneklaus, übertrumpft, der dem Publikum glaubhaft erklären konnte, warum Red Bull nicht einfach so an seiner Haustür klopft und fragt: „Herr Haneklaus, haben Sie nicht mal eben Lust aus der Stratosphäre zu springen?“ Am Ende gewann das Team, das zwar ein bisschen Zeit brauchte, dennoch am überzeugendsten war – Stuttgart. Herzlichen Glückwunsch den Siegern aus dem Schwabenland, aber auch allen anderen Teilnehmer des Finals für ihre herausragende Leistung!

Text: Willy Witthaut / Anna Mattes

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5 Kommentare zu “„Herr Haneklaus, haben Sie nicht mal eben Lust aus der Stratosphäre zu springen?“ – Stuttgart gewinnt ZEIT DEBATTE Tübingen 2012”

  1. Ja, (nochmal) herzlichen Glückwunsch an Stuttgart! Ich fand das Turnier auch im Großen und Ganzen gut organisiert. Der Jugendherbergs-Standard war sehr hoch, besonders das Essen in der Jugendherberge war super!

    Die Vorrundenthemen fand ich allerdings ausbaufähig. Ich fand viele Themen recht einseitig und habe zum Teil nur sehr wenige Argumente gesehen. „Strafgefangenen temporär das Wahlrecht entziehen“ ist eine Debatte, die kaum reale Folgen hat, und daher eher für ein antragsfreies Format (DHG, Wartburg) geeignet ist. Sonst hat die Regierung immer das Problem, dass sie Handlungsbedarf nachweisen muss. Für „Doping verjähren“ sehe ich bis heute eigentlich nur ein pro-Argument, und das ist eine Analogie zum Strafrecht, die nicht trägt. Für „Partner von Verfassungsfeinden auch verfassungsfeindlich“ habe ich nur ein einziges valides pro-Argument gehört, in der Regel ist das eine Gesinnungsstrafrechtsdebatte, die enorm schwer für pro zu gewinnen ist. „Auto-Complete“ halte ich für ein gutes Thema. „Bond in den Ruhestand“ ist eine Spaßdebatte, und man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass die Chefjury mit einer Spaßdebatte nichts falsch machen kann, allerdings auch nicht viel richtig.

    Ich würde mir wünschen, dass Chefjuries beim Setzen von Themen für jedes Thema ein casefile anlegen. Wenn es nicht eine bestimmte Anzahl (sagen wir je vier) von separaten, konkreten („Da ist die ganze Paternalismus-Liberalismus-Debatte drin.“ gilt nicht als konkret) auf beiden Seiten gibt, dann sollte das Thema nicht gesetzt werden. Ich würde mir wünschen, dass die CJ diese casefiles nach dem Turnier veröffentlicht.

  2. PS. Das Halbfinalsthema „Bürger zu Staatsanleihen zwingen“ ist meiner Meinung nach in OPD für pro ungewinnbar, wenn contra sich auf die mangelnde Umsetzbarkeit kapriziert.

  3. Andi sagt:

    In Shengwu Lis Debattierblog gibt es eine gute Checkliste für das Erstellen von Themen: http://trolleyproblem.blogspot.de/2012/01/advice-for-new-cas-setting-motions.html.

  4. Witthaut sagt:

    Meiner Meinung nach war das James Bond keine klassische Spaßdebatte. Zumindest in unserem Raum nicht. Nur weil man sich nicht in der „ach so realen Debattierrealität“ befindet und Vergleiche, Beispiele etc. daher holt, ist es nicht minder ernst, insofern ich sie mir aus der Welt des Films, James Bond etc besorge. Das Thema regt nur unglaublich an humorvoll zu sein. Nils hat in seiner finalen Schlussrede hervorragend dargestellt wie man gleichzeitig Charmant, witzig und publikumswirksam sein kann und trotzdem eine klasse (auch inhaltlich) Rede halten kann.

    Beim Thema Doping verjähren stimme ich dir zu. Jedoch was das Thema mit den Strafgefangenen angeht, teile ich deine Meinung nicht. Das Thema hat einen klaren Antrag, einen einfachen Mechanismus und es Bedarf keiner großen Kreativität. Der Clash lässt sich einfach ermitteln. Es mag vll sein, dass es NOCH besser ist in anderen Formaten zu debattieren, jedoch geht es kaum klassischer bei OPD und ist gerade für den Auftakt eines Turnieres gut geeignet.

    Nun zu deiner Forderung:
    Ich verneine das vehement. Vll hab ich eine künstlerische Aufassung vom Debattieren, Das hätte natürlich auch seine Schattenseiten. Doch solche Casefiles haben mehrere Dinge zur Folge (insofern sie veröffentlich werden). Erstens glaube ich, dass CJ ihre Aufgabe ernst nehmen und sowas (wenn nicht explizit schriftlich) ausdiskutieren. Niemand setzt ein Thema willentlich, dass „nur ein Argument“ bietet.
    Schauen wir uns erst einmal an, was ein Argument ist… Natürlich gibt es Defintionen. Die können wir auch alle festlegen und ausdiskutieren. Aber so eindeutig wie du gerade die Objektivität darstellst, ist sie nicht. Fakt ist aber beim Debattieren, dass es am Ende darauf ankommt, was wir aus dem Argument machen. Unsere kreative Leistung, es an den Zuhörer / Adressaten abzuliefern ist das künstlerische Element. Natürlich kann eine Seite „bessere“ Argumente haben, trotzdem kann man mit seiner Leistung das Ding gewinnen, selbst wenn die Teams ausgeglichen sind (siehe Mainz bei der BaWü).

    Casefiles sorgen dafür, dass im Nachhinein disktutiert wird. „Ist das ein valides Argument gewesen? – Ja oder nein?“ Ich glaube es gibt unterschiedliche Aufassungen was am Ende ein Argument sein kann und Casefiles versuchen dann eine Objektivität zu schaffen, die gar nicht so einfach exisitert. Sonst müssten wir gar nicht debattieren. Das beste oder die besten Argumente gäbe es ja dann bereits. Außerdem sorgt es dafür, dass Chefjuroren „unfehlbar“ sein müssen. Aber warum denn bitte? In jeder Debatte lernt man was dazu – auch als Chefjuror. Ich weiß nicht wie oft ich das Thema „Schuluniform“ debattiert oder juriert habe . jedes mal war die Debatte anders. Das ist doch das schöne und künstlerische am Debattieren. Letzten Endes gibt es Leuten eine Argumentations“hilfe“, die nicht ganz legitim ist. Ich werde mich immer in einer Debatte berufen können: „Aber A) B) C) hab ich doch gesagt. Was sollen wir denn noch tun um die Debatte zu gewinnen?“. Es sorgt dafür, dass genau diese Frage gar nicht mehr beantwortet wird, denn die Leute haben ja einen Erwartungshorizont im Nachhinein gestellt bekommen, der als festes Werk und Statut existieren wird. Mir ist egal was mein Hauptjuror noch gesagt, ich habe ja damals gesagt, was die Chefjuroren wollten. Eigentlich hätte ich gewinnen müssen. Dieser Erwartungshorizont zerstört ein bisschen die Freigeistigkeit des Debattierens.
    Letzter Punkt: Auch die Chefjuroren haben dann vielleicht so einen Erwartungshorizont. Fände ich schade. Denn am Ende müssen sie sich ja auf diesen berufen. Das ist keine so einfach regelbare Zwickmühle. Deswegen verneine ich entschieden diese Forderung.

  5. Willy, Du scheinst Dir zu widersprechen; indem Du einerseits sagst, dass die CJ sich ohnehin die Argumente (die es in Deiner künstlerischen Form der Debatte gar nicht wirklich zu geben scheint, aber das nur nebenbei) vorher überlegen, und andererseits befürchtest, sie würden durch das Erstellen (und nachträgliche Veröffentlichen) von casefiles zu voreingenommen sein, sie würden einen Erwartungshorizont konstruieren. Wenn sie sich vorher schon überlegen, welche Argumente in dieser Debatte funktionieren (und dass es ausreichend für beide Seiten ist), dann haben sie diesen Erwartungshorizont schon. Ihre Fertigkeit besteht darin, sich dennoch überzeugen zu lassen, wenn jemand einen gangbaren, in der Debatte ungeschlagenen Weg geht, den sie selbst nicht vorhergesehen hatten. Ich habe den Eindruck, dass dieses Missverständnis einen Großteil Deiner Argumentation begründet. (s.u.)

    >>Das Thema [Strafgefangene] hat einen klaren Antrag, einen einfachen Mechanismus und es Bedarf keiner großen Kreativität.
    Den case, der einen Nexus zwischen Problem und Antrag herstellen kann, würde ich gern mal sehen. [Ich hoffe es läuft nicht darauf hinaus, dass (wie die slideshow suggerierte) Strafgefangene tendenziell NPD wählen und wir nicht wollen, dass die NPD gewählt wird.]

    >>Niemand setzt ein Thema willentlich, dass “nur ein Argument” bietet.
    Ich sage nicht, dass es willentlich geschieht, aber es geschieht. Gerade die Verschriftlichung könnte den CJ eher bewusst machen, was eigentlich genau das Argument ist, von dem sie glauben, dass es existiert. Vielleicht fällt ihnen dann öfter auf, dass es nicht funktioniert. (Damit meine ich, dass man es zwar erstmal behaupten kann, dass aber die Widerlegung offensichtlich ist.)

    >>Ich weiß nicht wie oft ich das Thema “Schuluniform” debattiert oder juriert habe . jedes mal war die Debatte anders.
    Es geht nicht darum, dass die Liste der Argumente der CJs erschöpfend sein soll. Sondern sie soll einfach nur aufzeigen, dass eine Debatte zu dem Thema möglich war.

    >>Letzten Endes gibt es Leuten eine Argumentations”hilfe”, die nicht ganz legitim ist. Ich werde mich immer in einer Debatte berufen können: “Aber A) B) C) hab ich doch gesagt. Was sollen wir denn noch tun um die Debatte zu gewinnen?”
    Auch das trifft nicht zu. Verlieren kann man aus vielen Gründen. Zum Beispiel, weil man widerlegt worden ist. Das Casefile soll nicht die Argumente bewerten oder als „unschlagbar“ definieren. Es soll einfach nur aufzeigen, dass eine Debatte zu dem Thema möglich war.

    >>Casefiles sorgen dafür, dass im Nachhinein disktutiert wird. “Ist das ein valides Argument gewesen? – Ja oder nein?”
    Wo ist das Problem? Genau das ist es, was die Jury jeder Debatte machen soll. Wenn es – wie Du zu behaupten scheinst – prinzipiell unmöglich ist, darüber eine Entscheidung zu treffen, (weil die Darbietung künstlerisch ist), dann sollten wir keine Juries mehr haben, sondern den Sieger auslosen.

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