Botschafter a.D. Westdickenberg: Oxford Style Debatte in einem Kurs für junge internationale Führungskräfte

Datum: 9. November 2012
Redakteur:
Kategorie: Debattieren in der Öffentlichkeit, Presseschau

Gerd Westdickenberg  ist deutscher Diplomat und war im Rahmen dieser Tätigkeiten bereits an mehreren Deutschen Botschaften im Ausland beschäftigt. Seinen Erfahrungsschatz versucht er nun auch an Diplomatischen Akademie an seine Nachfolger weiter zu geben. Für den aktuellen Newsletter des VDCH hat er einen Gastbeitrag geschrieben: Hier schildert er den Einsatz der Debatte als Methode in Akademien für internationale Führungskräfte im Auswärtigen Amt.

Oxford Style Debatte in einem Kurs für junge internationale Führungskräfte

Dass das Debattieren neben den sportlichen Aspekten und den Begegnungen auf persönlicher Ebene auch nützliche Softskills trainiert dürfte für Debattantinnen und Debattanten keine Neuigkeit mehr sein. Eine Neuheit ist allerdings die Entwicklung, dass immer mehr Institutionen  außerhalb des Hochschuldebattierens die Debatte als Mittel und Trainingsmethode verwenden, um mithilfe dieser Gesprächskompetenz, die rhetorischen Fähigkeiten und das Präsentationsgeschick zu schulen. Der Botschafter a.D. Westdickenberg stellt im Folgenden den Kurs „International Futures“ innerhalb des Angebots der Diplomatischen Akademie des Auswärtigen Amts vor, welcher Debatten im Oxford Style als ein zentrales Element der Ausbildung der Teilnehmer integriert.

Die Diplomatische Akademie des Auswärtigen Amtes veranstaltet unter ihren zahlreichen Kursen für ausländische Diplomaten auch den Kurs „International Futures“ für junge Führungskräfte. Diese kommen überwiegend aus G20-Staaten aus den Bereichen Diplomatie, öffentliche Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ziel ist es, durch eine Vernetzung des Führungsnachwuchses und die Vermittlung von Kernkompetenzen in der Diskussion mit deutschen Persönlichkeiten zu einer globalen Verantwortungspartnerschaft beizutragen. Die Teilnehmer des Kurses diskutieren Chancen und Herausforderungen der Diplomatie in Zeiten der Globalisierung ebenso wie die Gestaltung eines globalen Ordnungsrahmens – auch über die Grenzen klassischer Außenpolitik hinaus. So werden beispielsweise Themen wie internationale Finanzarchitektur, Fragen der Ernährungssicherheit einschließlich der Ressourcen Boden und Wasser, regionale Zusammenarbeit von Staaten und Welthandelsfragen behandelt.

Angesichts des weit gespannten Themenbereichs und der vergleichsweise kurzen Zeitdauer von zwei Wochen ist der Kurs sehr intensiv und verlangt den Teilnehmern ein hohes Maß an Konzentration, Aufnahmebereitschaft und -vermögen ab. Deshalb ist es wichtig, dass den Teilnehmern neben einer Wissensvermittlung in hoch konzentrierter Form die Möglichkeit geboten wird, ihre eigene Kompetenz sowie ihr eigenes Wissen zusammen mit dem neu Gelernten aktiv einzubringen und so zu testen. Deshalb sind neben der ausführlichen Diskussion nach jedem Vortrag insbesondere Rollenspiele und Oxford Style-Debatten Teil des Kursprogramms.

Wir haben zum zweiten Mal im Rahmen des Kurses mit ca. 30 Personen einen ganzen Tag für die Oxford Debatte reserviert und dabei sehr gute Erfahrungen gemacht:

  • sie bietet allen Teilnehmern eine gute Möglichkeit, neues Wissen einzubringen und so zu festigen; dies verbessert ihre Debattierfertigkeit;
  • die straffe zeitliche und formale Struktur der Debatte erfordert von den Teilnehmern Disziplin, sich auf das Wesentliche zu beschränken;
  • sie hält sie an, genau hinzuhören, um auf die Argumente der Gegenseite eingehen zu können;
  • sie hilft den eher „stillen“ und zurückhaltenden Teilnehmern sich durch die Rollenverteilung innerhalb der Teams aktiv zu beteiligen;
  • sie bietet den Teilnehmern, die gerade die Rolle „Publikum“ ausfüllen, eine gute Möglichkeit, unterschiedliche Debattenstile zu erleben und auch selbst anzuwenden.

Einen besonderen Vorteil der Oxford Debatte für einen Kurs mit Teilnehmern aus sehr unterschiedlichen Kulturen sehe ich darin, dass die Debattierenden ihre verschiedenen Mentalitäten erkennen und lernen können, ihre Debattenbeiträge entsprechend zu adaptieren. Solche Erfahrungen erleichtern es ihnen später, in internationalen Verhandlungen angemessen und effizient aufzutreten.

Einen weiteren Vorteil sehe ich darin, dass sie den Zusammenhalt und die Interaktionen innerhalb der Gruppe positiv beeinflusst. Sie lockert die allgemeine Anspannung im Rahmen eines sehr fordernden Programms und führt häufig dazu, dass die Teilnehmer mehr aus sich herausgehen, als sie es bis dahin bei Diskussionen getan haben. Die Teilnehmer öffnen sich dadurch auch gegenüber den anderen in der Gruppe.

Um diese Vorteile auch wirklich erreichen zu können, ist es aus meiner Sicht erforderlich, dass

  • polarisierende, die Emotion ansprechende, knappe Themenstellungen vorgegeben werden;
  • ausreichend Zeit für die Erläuterung der Technik des Debattenablaufs einkalkuliert wird;
  • nach der Erläuterung eine praktische Übung in einer Kleingruppe vorgesehen wird; denn häufig ergibt sich aus der praktischen Anwendung bei den Teilnehmern die Erkenntnis, was sie noch nicht verstanden haben, und öffnet die Möglichkeit zu klärenden Fragen;
  • die Gruppen, die jeweils die Position des Pro bzw. Kontra vertreten, zahlenmäßig so bemessen werden, dass jeder Teilnehmer der Gruppe auch gezwungen ist, sich aktiv zu beteiligen.

Auch das Echo der Teilnehmer – mit anonymen Fragebögen übermittelt – war außerordentlich positiv. Die Oxford Debatte wurde vielfach als ein Bereich bezeichnet, den man noch ausdehnen sollte (immerhin war schon ein ganzer Tag vorgesehen!).

Dieser Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe des Newsletters “Debattenkultur” des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH). Die Oktoberausgabe des Newsletters dreht sich um das Thema “Debatte im Aufwind” – Sie finden sie hier.

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