„Ich kann Kanzler“ – Allison Jones im Finale der ZDF-Sendung
Deutsche Debattierer sind es gewohnt, von Journalisten gefragt zu werden: „Und, gehen Sie irgendwann in die Politik?“ Ein naheliegender Gedanke, doch ein begeistertes „Ja!“ folgte darauf nie – bis jetzt.
Allison Jones, Mitglied des Mainzer Debattierclubs Johannes Gutenberg (DCJG), wagt sich vor die Kamera. Als das ZDF für seine politische Casting-Show „Ich kann Kanzler!“ Kandidaten suchte, nutzte die 22-jährige Jurastudentin die Gunst der Stunde und bewarb sich. Spaß und Interesse an Politik sollten die Kandidaten haben, natürlich ein solides politisches Wissen und vor allem gute Ideen. Unter knapp 1000 Bewerbern wurden sie und 14 weitere Kandidaten ausgewählt, um bei einer Jury vorzusprechen, die sich gut liest: Maybrit Illner, Michael Spreng und OIiver Welke. Allison verfolgt regelmäßig die von Welke moderierte „Heute-Show“ und erinnert sich: „Ich hatte mir Oliver Welker sehr locker vorgestellt und war daher erstaunt, als er das ganze Gespräch über todernst blieb.“ Sie präsentierte ihre politischen Ziele im Bereich Erziehung und Familie: Für Kinder will sie Frühförderung und Chancengleichheit, für Erwachsene die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Kinderbetreuung kostet viel mehr, als man monatlich vom Staat an Kindergeld bekommt. Es sollte also stattdessen mehr in flächendeckende Betreuungsangebote investiert werden“, findet sie.
Die Jury stellte ihr kritische Fragen, etwa zu ihrem Vorbild (Barack Obama) und nach Details zu ihren politischen Ideen. Sie lächelt unbeschwert: „Für eine Debattiererin war das zu schaffen.“ Sie war die zweite Bewerberin, die am Casting-Tag vor die Jury treten musste. Nach vier Stunden Warten stand fest: Sie hatte es ins Finale geschafft, das im ZDF ausgestrahlt wird. Hier muss sie sich ihren drei Konkurrenten im direkten Vergleich stellen.
Vorab wurde über alle Finalisten eine Home-Story gedreht, das Kamerateam besuchte Allison vergangenen Donnerstag. Zunächst wurde ihr WG-Leben gefilmt und über Fantasyliteratur geplaudert, dann folgten Aufnahmen in der Mainzer Innenstadt. Ab 17 Uhr ging es um Allisons Hobby: Debattieren. „Das Debattieren darf einfach nicht fehlen, wenn man mich und mein Leben darstellt. Es ist ein wichtiger Teil davon“, betont die Deutsch-Amerikanerin. Der DCJG hatte eine Sondersitzung angesetzt, um die Aufnahmen zu ermöglichen. Die sieben Mainzer Debattierer Marina Freund, Katharina Tschirner, Alwin Gerner, Max Fritz, Nicolas Eberle, Philipp Lohs und Willy Witthaut nahmen sich für den besonderen Termin Zeit und suchten zunächst vor laufender Kamera ein Thema – ungewohnt einträchtig und zahm angesichts der Kamera, offenbar sogar für den Laien ersichtlich. „Seid munterer!“, forderte die Redakteurin die Runde auf. Die Wahl fiel schließlich auf „Sollte das Kindergeld abgeschafft werden?“, eine Debatte, die Allisons politische Interessen unterstreicht.
Die „Kanzlerkandidatin“ trat als Ergänzungsrednerin der Regierung ans Pult und plädierte für Gutscheine als Ausgleich zum Kindergeld. „Der Staat muss Chancengleichheit ermöglichen. Bei Geld können wir nicht kontrollieren, wie es verwendet wird, bei Gutscheinen können wir gezielt Anreize zur frühkindlichen Förderung schaffen“, insistierte sie. Die Opposition kam nach ihr nicht mehr zu Wort, die Zeit wurde knapp und es musste noch im Gebäude nebenan gedreht werden, in dem Allison studiert. Vorher aber wollte das Kamera-Team noch schnell einen O-Ton vor dem eigens aufgestellten Club-Roll-Up, sie sollte den Satz vervollständigen „Ich debattiere unheimlich gerne, weil… „. Die anderen Clubmitglieder gaben aus dem Hintergrund letzte Hinweise („Denk dran, sag debattieren, niemals diskutieren!“). Acht Debattierer beim Fernsehdreh sind wie acht bessere PR-Berater – so, wie acht Stammtischfreunde beim Fußballschauen wie acht bessere Nationaltrainer sind. Die Ratgeber mussten jedoch schnell ihre eigene Medienpräsenz unter Beweis stellen, denn jeder soll etwas zum Thema Allison und Debattieren sagen. Die Vorgaben: Nur einen einzigen vollständigen Hauptsatz, der nicht wie die Antwort auf eine Frage klingt. Aus dem mehrstündigen Filmmaterial wird später ein Beitrag von eineinhalb Minuten Länge zusammengeschnitten, am Folgetag besuchte das Kamerateam Allison noch bei ihrer Arbeit in „The Porter House“, dem Pub, in dem sie arbeitet.
Wenn Allison im Finale überzeugt, kann sie Kanzler. Was das bedeutet, weiß wohl niemand so genau. Sie selbst jedenfalls will sich zwar in der Zukunft parteipolitisch bei den Grünen engagieren, um ihre Ideen umzusetzen. Von der Uni in den Bundestag aber – nein danke. Erst will sie als Juristin arbeiten und eine Familie gründen, wobei sie Politik als Beruf für später nicht ausschließt. In jedem Fall weiß sie schon jetzt, was andere erst begreifen, wenn der Ruhestand unausweichlich ist: „Es gibt ein Leben außerhalb der Politik!“
Das Finale von „Ich kann Kanzler“ ist am Dienstag, 1. Mai 2012, um 22.15 Uhr im ZDF zu sehen. Allison beim ZDF kann man sich aber auch schon mal auf YouTube anschauen – dort stellt das ZDF die vier Finalisten vor.
kem / apf
Gewonnen, so liest man.
Sehr cool. Glückwunsch!