Das Debattieren braucht keinen Ehrenschutz durch die FPÖ! / Ein Stellungnahme von Leonhard Weese, Florian Prischl, Stefan Zweiker und Rosie Halmi
Im Nachklang der Austrian Open kam es online wie offline zu Diskussionen um den Ehrenschutz der Finalveranstaltung. Den nämlich gewährte auch der Obmann (Vorsitzende) der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), der Rechtspopulist Hans-Christian Strache in seiner Funktion als Obmann des Freiheitlichen Klubs im Nationalrat (entspricht in etwa einer Fraktion im Bundestag). Der Ehrenschutz, erklärt Wikipedia, ist eine mit der Schirmherrschaft vergleichbare moralische Unterstützung einer prominenten Persönlichkeit für eine Veranstaltung. Die vier österreichischen Debattanten Leonhard Weese, Florian Prischl, Stefan Zweiker und Rosie Halmi sind überzeugt: Es ist abzulehnen, dass Strache oder die FPÖ den Ehrenschutz für Debattierveranstaltungen übernehmen. Für die Achte Minute beziehen sie Stellung.
Zweck von Ehrenschutz
Veranstaltungen, Organisationen oder Initiativen bitten Persönlichkeiten um Ehrenschutz, um ihren Gästen und Partnern zu zeigen, dass ihre Sache unterstützungswürdig ist. Das funktioniert aber nur, wenn die Ziele, die die Persönlichkeit verfolgt, bekannt und legitim erscheinen. Beispielsweise ist es für eine Benefizveranstaltung zu Gunsten von AIDS-Betroffenen hilfreich, Bono für den Ehrenschutz zu gewinnen. Die Ziele und Methoden von Bono sind der Öffentlichkeit bekannt und gelten als legitim, der Ehrenschutz zeigt Spendern und Gästen, dass das Event in Bonos Augen unterstützensswert ist.
Ziele und Effekte von Ehrenschützern
Im Zusammenhang mit den Austrian Open scheinen die Ziele der FPÖ vage. Wir können uns nicht vorstellen warum sie mit den speziellen Zielen eines Debattierturniers einhergehen. Wem ist Straches Ehrenschutz ein Zeichen für die Unterstützungswürdigkeit des Turniers? Wer kann dadurch als Partner gewonnen werden? Dabei muss insbesondere Straches politischer Stil auf Verfechter von Debattierkultur stark abschreckend wirken.
Zudem übernahm Strache den Ehrenschutz als FPÖ (Klub-)Obmann und Abgeordneter, also in Parteifunktionen. Als Parteiobmann vertritt Strache die Partei beziehungsweise deren Mitglieder. Als Klubobmann beziehungsweise Abgeordneter vertritt Strache die Wähler der FPÖ. Darum wird Strache als Ehrenschützer dem Überparteilichkeitsanspruch des Debattierclub AFA Graz nicht gerecht.
Ämter (zum Beispiel Wissenschaftsminister oder Bürgermeisterin) eignen sich viel eher als Ehrenschützer. Sie treten nicht in ihrer Funktion als Parteimitglieder auf, sondern als Agenten des Staates. Ziele von Ämtern sind klar von Verfassung und Philosophie beschrieben, während die Ziele von Parteien einseitig zugunsten ihrer Klientel sind. Der Bürgermeister hat im Gegensatz zum Parteiobmann einen klaren staatlichen Auftrag. Er oder sie hat das Mandat der gesamten Bevölkerung zu erfüllen, ist dieser Rechenschaft schuldig und erfüllt so – im Gegensatz zu Parteifunktionären – Ziele der Überparteilichkeit und Vetretung.
Wir glauben, dass Straches virtuelle Anwesenheit nur auf sehr wenige Menschen, Organisationen oder Parteien positiv wirkt. Auf viele mehr wirkt sie stark negativ. Die Tatsache, dass die politischen Aktivitäten der FPÖ aufgrund ihrer stramm rechten Ausrichtung seit jeher stark umstritten sind (siehe zum Beispiel die gegenständliche Diskussion), legt Zeugnis dafür ab.
Aber selbst wenn dieser negative Effekt nicht stark ist: Der Debattierclub AFA Graz hat nach eigener Auskunft 101 Personen um Ehrenschutz für die Austrian Open gebeten. Die Kosten hierfür betragen bei durchschnittlichen Portokosten knapp 70 Euro, ein Betrag der durch Straches Spende von 100 Euro nur knapp wieder hereingeholt wird. Diese große Zahl an Personen als potentielle Ehrenschützer zu bedenken, ist reine Beliebigkeit.
Überparteilichkeit bedeutet nicht Allparteilichkeit. Wer vermeiden will, mit einem bestimmten politischen Spektrum assoziiert zu werden, muss nicht jede Partei anschreiben. Es reicht, keine Partei anzuschreiben. Wer dagegen Personen als Amtsinhaber für den Ehrenschutz gewinnt, gewinnt diese als Bürgermeister, Wissenschaftsminister oder Parlamentspräsident anstatt als als Parteimitglied.
Debattierclubs und die politische Rechte
Das Wort „Debattierclub“ weckt bei jedem andere Assoziationen. Eine Assoziation sind Rhetorikschulen. Das ist insofern nicht vorteilhaft, als dass Rhetorik in der Politik als „schwarze Magie“ gilt, die verwendet wird um das Volk zu verführen.
Eine andere Assoziation ist die der „kontroversen Gespräche“. Wir Debattanten meinen mit kontroversen Themen vor allem diejenigen, die allgemeine Prinzipien hinterfragen und kritisches Denken anregen. Auch der Debattierklub Wien nannte sich von 2004-2006 „Debattier-KG, Kontroverse Gespräche“. Rechte Organisationen missbrauchen diese Begriffe jedoch gerne. Sie bezeichnen Diskussionen unter Holocaust-Leugnern, Eugenikern und Rassentheoretikern als „kontrovers“, suggerieren damit die Legitimität einer Position und besetzen damit in der öffentlichen Wahrnehmung Begriffe wie „Meinungsfreiheit“, „Debatte“ und gar „Debattierclub“. So ist die FPÖ in der Vergangenheit durch Veranstaltungen aufgefallen, in denen zweifelhafte „Professoren“ und „Historiker“ „provokante“ Themen diskutieren. Für eine mit dem Debattieren unvertraute Person (und davon gibt es in Österreich leider noch viele), besteht darum bei jeder Debattierveranstaltung, die unter Straches Ehrenschutz steht, Verwechslungsgefahr.
Beide Assoziationen sind Gründe dafür, dass sich politische Parteien vom Debattieren fernhalten, und auch Gründe dafür, dass gerade die FPÖ positiv auf die Anfrage des Debattierclub AFA Graz geantwortet hat. Indem dieses Geld angenommen wurde entsteht eine Rückkopplung, bei dem diese Assoziationen verstärkt werden, und das nächste Mal wieder nur die FPÖ Debattierveranstaltungen unterstützt. Der Effekt ist umso gefährlicher, als dass die Austrian Open den Anspruch erheben die ersten Österreichischen Debattiermeisterschaften zu sein.
Schluss
Es ist nicht schwer, eine lange Liste mit Ehrenschützern für Österreichische Debattiermeisterschaften anzuhäufen. Aber man sollte sich bei jedem einzelnen Namen und jeder einzelnen Position überlegen, wie groß der Nutzen und der potentielle Schaden für das Turnier und das noch junge Debattieren in Österreich ist. Politiker, die keine Ämter innehaben und insbesondere extreme Politiker erhöhren dieses Risiko überdurchschnittlich stark.
Besonders im Fall Straches ist unklar inwiefern seine Ziele mit denen der Debattiermeisterschaft in Einklang stehen. Durch Straches Ehrenschutz werden mehr Unterstützer abgeschreckt als angezogen. Es ist schädlich, Strache die Möglichkeit zu geben, das Debattieren in einem so jungen Stadium zu vereinnahmen und es ist schädlich, Strache die Möglichkeit zu geben, sich für 100 Euro als früher Unterstützer der österreichischen Debattierlandschaft zu präsentieren.
Ein sehr gelungenes Beispiel einer Schirmherrschaft ist jene von Helmut Schmidt für die ZEIT DEBATTEN. Er übernimmt diese Schirmherrschaft als deutscher Bundeskanzler a.D., wird viel mehr mit seinem Amt und seiner überragenden Persönlichkeit als seinen ehemaligen Parteifunktionen assoziiert, wirkt auf viele Leute positiv, ohne negative Ausstrahlung auf andere zu haben, wird mit Debattierkultur ebenso verbunden wie mit Weisheit und hat sich nie als Freund extremistischer Sprüche bekannt gemacht. Gut, dass seine Schirmherrschaft nicht durch den parallelen Ehrenschutz vieler Anderer relativiert wird.
Text: Leonhard Weese, Florian Prischl, Stefan Zweiker und Rosie Halmi / Einleitung: glx
Die Autoren und die Autorin dieser Stellungnahme vertreten ausschließlich ihre persönliche Meinung.
Was uns auch die Wikipedia verrät: „Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist eine rechtspopulistische Partei in Österreich, […]. Im In- und Ausland wird ihr ein Naheverhältnis zum Rechtsextremismus attestiert. Auch gilt die Industriellenvereinigung seit Jahrzehnten als ihr nahestehend.“
Wenn man die Meinung der Autor_innen teilt, stellt sich mir die Frage, welche Auswirkungen auf die MDD zu erwarten sind. Als Deutscher ist mir nicht bekannt, wie die Verbindungen zwischen den unterschiedlichen AFA-Clubs ausgestaltet werden. Über eine Stellungnahme des AFA Wien würde ich mich freuen.
Hallo Patrick, liebe Debattiergemeinde!
Als bundesweiter Generalsekretär des AFA und Cheforganisator der MDD kann ich allen versichern, dass das AFA auf Bundesebene und insbesondere der AFA-DC Wien jeglichen Kontakt zur FPÖ schon immer vermieden hat und auch in Zukunft vermeiden wird. Auch werden wir keinen Politiker ohne öffentlicher Funktion als Ehrenjuror bzw. Schirmherr anfragen. Die Entscheidung über den Ehrenschutz beim Austrian Open ist autonom vom Organisationsteam des Turnieres gefällt worden. Dabei waren keine bundesweiten Funktionäre bzw. anderen Debattierclubs des AFA informiert – gescheige denn involviert. Dies ist in der dezentralen DC-Struktur des AFA aber auch nicht erforderlich. Das AFA ist für die Debattierclubs -vereinfacht ausgedrückt- einfach ein österreichweiter Dachverband.
Ich hoffe, ich konnte mit dieser Information Klarheit verschaffen?
Liebe Grüße aus Wien
Text der leider einige Fakten nicht nennt, vielleicht weil sie den Autoren nicht bekannt sind:
Der DC AFA Graz hat alle Parteien des österreichischen Parlamentes (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und BZÖ) um Ehrenschutz gebeten. Ebenso das Präsidium des Nationalrates und die Vorsitzende des Bundesrates – also die Inhaber dieser Ämter, wie oben angesprochen.
Die Idee dahinter war, wie im Schreiben an die einzelnen Personen und Gruppen auch angeführt, dass in Parlamenten debattiert wird und die Fähigkeit sich auszudrücken in Demokratien für jedermann – auch die Bürgerin, den Bürger – eine wichtige ist.
In den Ehrenschutz-Briefen wurde darauf hingewiesen, dass alle Parteien, die im Parlament vertreten sind gefragt werden, alle Briefe wurden gleichzeitig zur Post gegeben und waren an die Parteiobmänner, die Parteiobfrau bzw. ihre Büros adressiert.
Nachdem die FPÖ bzw. Herr Strache als Erster geantwortet hatte und von den anderen keine Reaktion kam, wurde bei, teilweise mit Mitgliedern des DC befreundeten, Vertretern der Parteien (vor allem SPÖ und Grünen) nachgefragt, die Situation dargelegt und um die Übernahme zumindest des Ehrenschutz gebeten, um eben die Optik der Einseitigkeit zu vermeiden.
Leider wurde trotz intensiver Bemühungen und Bitten nur durch Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) als Person (Außenminister und Klubobmann ÖVP) ein weiterer Ehrenschutz übernommen.
Warum Herr Bundeskanzler Faymann (SPÖ) und Frau Dr.in Glawischnig (Grüne) den Ehrenschutz nicht übernommen haben, ist leider nicht bekannt.
Es war natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich die FPÖ bzw. Herrn Strache auszuladen, weil das nicht nur unhöflich, sondern reine Willkür gewesen wäre: Es würde sich heute kaum jemand beschweren und diese Debatte würde nicht stattfinden wenn z.B. nur Frau Dr.in Glawischnig von den Grünen den Ehrenschutzbrief beantwortet hätte und dann nur die Grünen auf dem Zettel gestanden wären.
Mir persönlich ist nicht bekannt warum genau die Autoren und die Autorin sich zu diese Stellungnahmen berufen fühlen bzw. sich für ausreichend informiert halten eine solche abzugeben und wieso achteminute.de gerade diese Stellungnahme veröffentlich. Ohne den Autoren und der Autorin, noch der Homepage das Recht dazu absprechen zu wollen.
Ich kann nur feststellen, dass es aus journalistischer und auch qualitativer Sicht etwas fragwürdig ist, da mir auch nicht bekannt ist, dass irgendjemand mit dem Organisationsteam des Turniers gesprochen hätte und sollte dies passiert sein, sind die Informationen nicht in diese Stellungnahme mit eingeflossen.
Wenn sich nun der Leser die Leserin fragt, woher ich das alles wissen will:
Ich war für die Versendung des Teils der Ehrenschutzbriefe, um den es hier geht zuständig und das Organisationsteam hat das hier diskutierte Problem versucht zu lösen, sobald es aufgetreten ist.
Es ist nicht an den Veranstaltern der ÖDM, dem DC AFA Graz oder dem AFA Graz gelegen, dass am Ende nur Herr Strache von der FPÖ und Herr Dr. Spindelegger von der ÖVP den Ehrenschutz gegeben hatten, sondern an den Verantwortlichen bei SPÖ, Grünen und BZÖ, die den Ehrenschutz, aus welchen Gründen auch immer, nicht übernommen haben.
Natürlich ist es im nach hinein leicht zu sagen, dass alles wäre nicht passiert wenn ihr einfach nicht die Möglichkeit gegeben hättet, dass Herr Strache den Ehrenschutz übernimmt. Es ist sicher auch darüber nachzudenken hinkünftig keine Partei mehr um Ehrenschutz zu bitten. Die Grundidee war aber eben allen vom österreichischen Volk gewählten Vertretern die Möglichkeit zu geben, ihre Unterstützung zu bekunden und so das Debattieren an sich auch bekannter zu machen.
In einer Demokratie gibt es immer Parteien und Gruppen, die vielen anderen unsympathisch sind. Wenn diese aber nicht durch eine unabhängige Justiz von der Partizipation ausgeschlossen werden und dann von nicht wenigen gewählt werden und so an der Staatsmacht, wenn auch nur als Opposition teilhaben, wird es für eine überparteiliche Veranstaltung schwer sie selektiv zu ignorieren,
Abschließend möchte ich noch festhalten, dass ich diese Antwort weder als Vertreter des AFA, noch des DC sondern als „Privater“ abgebe. Es stört mich einfach, dass wegen Umständen, für die die hier „Angeprangerten“ nichts können, der Eindruck erweckt wird, es sei die Absicht oder Schuld der Organisatoren, dass eine manchen unliebsamen Person den Ehrenschutz inne hatte.
Alle waren eingeladen, es sind leider nicht alle gekommen.
Mit besten Grüßen und Wünschen
Paul
Einsnoch:
„Das AFA ist für die Debattier-Clubs – vereinfacht ausgedrückt – einfach ein österreichweiter Dachverband.“
Oder auch so:
Wir befinden uns im Jahre 2012 n.Chr. Ganz Österreich wird vom AFA vertreten… Ganz Österreich? Nein!
Ein von unbeugsamen Wienern geführter Klub hört nicht auf, der Vereinnahmung Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für den DK ….
Die Liste des Ehrenschutzen der Austrian Open:
NRAbg. Dr. Michael Spindelegger
Vizekanzler, Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Abgeordneter zum Nationalrat, Bundesparteiobmann der ÖVP
Mag. Kristina Edlinger-Ploder
Landesrätin der Steiermark für Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und Pflegemanagement,
Mag. Siegfried Nagl
Bürgermeister,
Univ. Prof. Dr. Heinrich Schmidinger
Präsident der Österreichischen Universitäten Konferenz, Rektor der Universität Salzburg
Univ. Prof. Dr. Christa Neuper
Rektorin der Karl-Franzens-Universität Graz
Univ. Prof. Dr. Josef Smolle
Rektor der Medizinischen Universität Graz
NR Heinz-Christian Strache,
Abgeordneter zum Nationalrat, Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklubs
MEP Ing. Dr. Paul Rübig
Abgeordneter zum Europäischen Parlament,
MEP Mag. Angelika Werthmann
Abgeordnete zum Europäischen Parlament
Detlev Eisel-Eiselsberg
Stadtrat Graz
Mag. Martina Schröck
Stadträtin Graz
Gemeinderat Dr. Peter Piffl-Perčević
Abgeordnete zum Grazer Gemeinderat, Obmann Grazer ÖVP Gemeinderatsclub
Danke Paul und Stephanie für die Klarstellungen. Wir wollten eh niemanden anprangern sondern nur spezifisch zur Debatte über den Ehrenschutz anregen. Wir haben auch angefangen uns intern mehr Gedanken um diese Frage zu machen. Wenn die Ehrenschutzlisten bei Turnieren in Zukunft bewusster ausgesucht werden, dann hat der Artikel auch sein Ziel erreicht.
Gratulation noch einmal zum Turnier in Graz – es war eine tolle Veranstaltung und wir hoffen, dass ihr euch nicht davon abhalten lässt noch einmal ein Turnier auf die Beine zu stellen!