OPD-Regelkommission beschließt Aktualisierungen

Datum: 23. August 2011
Redakteur:
Kategorie: Turniere

Die Regelkommission der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) hat getagt und Änderungen beschlossen, die einige Anregungen und Erfahrungen der vergangenen Jahre aufgreifen. Bevor wir die Regeländerungen vorstellen, erläutern wir in einem kurzen Exkurs, was die Regelkommission ist und wofür sie da ist.

Wie so viele Texte haben auch die OPD-Regeln einen Autor. In diesem Fall sogar drei: Bernd Rex, Ansgar Kemmann und Michael Hoppmann. Die Autoren haben die Regeln 2001 entwickelt und danach wieder und wieder überarbeitet, ergänzt und verändert. Irgendwann (2002) waren sie soweit, dass man damit prima Turniere veranstalten konnte und die Regeln und vor allem auch der Kommentar aus sich heraus keinen Veränderungsbedarf mehr hatten. Aber ein Regelwerk, das gute rednerische Leistungen unterstützen will, muss nicht nur in sich stimmig sein, es ist auch äußeren Einflüssen ausgesetzt. Entwicklungen, die Lücken aufzeigen oder andere Betonungen oder Bewertungen erfordern.

Um auf diese Entwicklungen reagieren zu können, haben sich die Autoren damals dazu entschlossen, die weitere Pflege der OPD in die Hände einer Regelkommission zu legen. Diese Gruppe erfahrener Debattanten wird jährlich von der Streitkultur Tübingen gewählt und ist mit einem sehr konservativem Mandat ausgestattet – Regeln nur dann zu ändern, wenn es wirklich notwendig erscheint – eine Zielsetzung, die sich auch im Abstimmungsmodus widerspiegelt, der vier von fünf Stimmen für eine Regeländerung erfordern.  In den ersten Jahren ist die Regelkommission häufig zusammengetreten und hat sich stundenlang über Anpassungen und Ergänzungen gestritten, die sich in der bisherigen Versionsnummer 7.01 der OPD-Regeln niederschlugen. Erfreulicherweise haben sich die allermeisten dieser Ergänzungen bewährt und die Anlässe für Überprüfungen sind immer rarer geworden. So rar, dass es seit 2005 keine weiteren Veränderungen mehr gab. In den vergangenen Jahren sind allerdings wieder ein paar kleinere Fragen aufgetaucht, die wir nun zusammengefasst und abgearbeitet haben.

Heißt das, ein paar alte Herren (und Damen) setzen sich in Tübingen zusammen und plötzlich muss ich in Flensburg und Passau anders debattieren? Natürlich nicht. Zum einen, weil die Änderungen so sehr das Detail betreffen, dass die allermeisten sie in den Debatten vermutlich gar nicht bemerken würden. Und zum anderen, weil wir keinesfalls vorhaben, irgendjemanden vorzuschreiben, wie man zu debattieren hat! Alles was wir wollen, ist ein konsistentes Regel- und Bewertungssystem zur Verfügung stellen, auf das man sich – bis ins kleine Detail hinein – verlassen kann. Die OPD-Regelkommission ist eine Serviceleistung an die Debattier- und insbesondere Turniergemeinde, die die Aufgabe hat, Schlupflöcher und Fehlentwicklungen zu finden und zu stopfen. Wenn mir als Debattant oder Turnierveranstalter eine Regel nicht gefällt, dann mache ich es halt anders und nenne das Ding OPD+ oder OPD- oder auch ganz anders. Wenn ich als Turnierveranstalter aber auf ein bewährtes System zurückgreifen will, dann kann ich mich als Turnierteilnehmer darauf verlassen, dass alle Regeln transparent zugänglich und erprobt sind.

Exkurs Ende – was hat sich geändert?

Insgesamt gab es acht Anpassungen – im Folgenden in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit:

1) Betrifft Regelwerk C.3.3

Änderung: Der Gebrauch elektronischer Hilfsmittel ist nicht mehr grundsätzlich untersagt, sondern wird vom Ausrichter bestimmt.
Was war das Problem? Die Regel stammte aus einer Zeit, in der ein internetfähiger Laptop ein Luxusartikel war. Wir wollten garantieren, dass die Vorbereitung einkommensunabhängig fair ist. Heute kann ich mit jedem besseren Telefon auf Wikipedia zugreifen. Das kann man für die Debattenvorbereitung blöd finden, oder auch nicht. Es ist aber kein Problem der Fairness mehr, dass die Regeln zu lösen haben, sondern eine Frage des Geschmacks, die der Turnierausrichter entscheiden kann. Wichtig ist lediglich, dass ein Turnierausrichter, der sich für ein Verbot entscheidet, dies auch konsequent überwacht. (Was sich im Übrigen auf den letzten Turnieren bei vollständigen Verboten als praktisch sehr schwierig erwiesen hat.)

2a) Betrifft B.2.5

Änderung: Die Generalopposition ist abgeschafft.
Was war das Problem? Die Generalopposition – so sinnvoll sie in der Theorie auch sein mochte – wurde viel zu häufig missbraucht. Wir haben die Generalopposition eingeführt, um den Fraktionsfreien Rednern in der (sehr seltenen) Situation des „Rechts Überholens“ der Opposition die Möglichkeit einer alternativen Positionierung zu geben. Auf diese Positionierung sollten dann beide Seiten mit Zwischenfragen und vor allem Zwischenreden reagieren können. Es hat sich aber herausgestellt, dass die entsprechenden Situationen tatsächlich extrem selten sind und – gravierender – sich viel zu häufig Redner, insbesondere in Finalrunden, dazu berufen fühlten mal „kreativ“ zu sein und in Generalopposition zu geben. Aus subjektiver Perspektive mag das jeweils originell sein, aber über die gesamte Debattierlandschaft gerechnet führte es zu schlechteren Debatten. Das theoretisch sinnvolle Mittel hatte praktisch mehr Nachteile als Nutzen und wird daher abgeschafft. Einen Teil des Bereichs fangen wir aber mit Anpassung 2b) wieder ab.

2b) Betrifft B.4.2

Änderung: Auf Antrag darf ausnahmsweise auch die „eigene“ Seite eine Zwischenrede halten.
Problem: Mit dem Ende der Generalopposition kann es sehr vereinzelt wieder zu Situationen des Typus „Ich bin gegen den Antrag der Regierung, aber aus fundamental anderen Gründen als die Opposition.“ kommen. Falls diese Fraktionsfreien Reden substantiell gegen die „eigene“ Seite (in der Regel die Opposition) verstoßen und diese schwächen oder substantiell hinterfragen, dann darf die Opposition auf Antrag an den Präsidenten eine weitere Zwischenrede halten. Der Präsident entscheidet über diesen Antrag dann ohne Begründung und ohne Rücksprache und lehnt ihn im Zweifelsfall ab. Dieses Mittel ist (wie ehemals die Generalopposition) nur für Ausnahmesituation gedacht, ein Missbrauch kann aber (im Gegensatz zur ehemaligen Generalopposition) so vom Präsidenten verhindert werden.

3) Betrifft B.4.3.3

Änderung: Wenn ein Team bis zum Schlussredner keine Zwischenfrage gestellt und keine Zwischenrede gehalten hat, darf es in der letzten gegnerischen Rede eine Privilegfrage stellen, die nicht abgelehnt werden kann.
Problem: In letzter Zeit geisterte immer mal wieder das Gerücht einer „OPD-Falle“ durch die Turniere: Wenn keine Zwischenrede gehalten wurde, zählen die Punkte der Zwischenfragen – was aber tun, wenn auch keine Zwischenfrage des Teams angenommen wurde? Theoretisch ist die Antwort einfach: Die Zwischenrufe (die einem niemand nehmen kann) greifen für alle drei Kategorien. Praktisch ist dies für viele Juroren aber eine schwer zu bewertende Kategorie. Um dieses Problem zu lösen (wenn man so will: die „OPD-Falle“ abzuschaffen) und gleichzeitig einen zusätzlich Anreiz zu schaffen, in den ersten Reden nicht nur Fraktionsfreie Fragen anzunehmen, wird die Privilegfrage eingeführt – die im Übrigen nicht mit der gleichnamigen Frage im Wartburgformat zu verwechseln ist!

Bis hierher die Regelanpassungen, die eine gewisse Auswirkung auf die praktische Debatte zeigen mögen. Die verbleibenden fünf Änderungen haben einen noch geringeren Umfang und sind eher an den Regelconnoisseur gerichtet:

4) Betrifft B.4.3.2

Änderung: Es wird nicht mehr automatisch nachgefragt, ob die Frage angenommen wird, wenn der Redner einen Frager mehr als 30 Sekunden stehen lässt.
Problem: Die Regelung war in ihrer rigiden Form schlicht unnötig und hat zu häufigen Störungen im Debattenfluss geführt. Es ist nun eine soll-Regelung, die der Präsident im Rahmen seiner allgemeinen Debattenhoheit anmahnen kann.

5) Betrifft B.3.5 (Kommentar)
Änderung: Zwischenfragen, die in den 6’-Hammerschlag hineinreichen, werden nicht mehr in Zwischenrufe umgewandelt, sondern dürfen als Zwischenfragen zu Ende gestellt werden.
Problem: Wiederum theoretisch sinnvoll, aber praktisch für viele zu kompliziert. Wer als Redner eine Frage erst nach 5:45 annimmt, muss mit den Konsequenzen für seine geschützte Zeit leben.

6) Betrifft D.1.3.6

Änderung: Abzüge werden nicht mehr einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit (2/3 inkl. Hauptjuror) gegeben.
Problem: Die Abzüge werden mit Recht sehr restriktiv behandelt. Vereinzelt ist es aber auch bei eindeutig gerechtfertigten Abzügen zu einer übermäßigen Blockade (meist unerfahrener Juroren) gekommen. Dem wollen wir durch eine leichte Liberalisierung der Abzugsregeln entgegenwirken.

7) Betrifft D.1.3.6 (Kommentar)

Änderung: Klarstellung des unmittelbaren Punktabzuges bei Zeitüberschreitung.
Problem: Man sollte es angesichts der teilweise vorherrschenden Verwirrung nicht glauben, aber im Regelwerk war die Abzugsfrage bei Redezeitüberschreitung schon immer sehr klar geregelt. Jetzt ist es noch ein bisschen deutlicher: Wer die Glocke hört und nicht in minimaler Reaktionszeit verstummt, der hat sich für einen Abzug qualifiziert. 7:00 bis 7:15 sind nicht das Fahren auf Reservetank, sondern das Ausrollen zur Tankstelle. Wer über 7:15 redet, muss schieben.

8) Betrifft D.1.3.3. und D.1.4.3

Änderung: Klarstellungen, welche Verhaltensweisen in der Regel als unsportlich betrachtet werden und in der Kontaktfähigkeit oder Überzeugungskraft als Schlechtleistung bewertet werden. Dies sind dauerhaftes „Stehenlassen“ (Kontaktfähigkeit), Aufbauen einer „Abseitsfalle“ und respektloses „Geschwätz“ im Team während der Rede eines Gegners (beide Überzeugungskraft).
Was war das Problem? Der Nachteil dieses Verhaltens, dass in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen ist, ist offensichtlich. Die Kommentarergänzungen sind hier nur eine Handreichung und Erinnerung an Juroren, dass sie unsportlichem Verhalten entgegenwirken können.

Das wars. Insgesamt recht detailreich, aber gleichzeitig vermutlich die unspektakulärsten Änderungen, die wir bisher bei einem Regelupdate hatten.

Wenn Ihr Fragen zu den Regeländerungen oder Regeln und Materialien ganz allgemein habt, dann könnt Ihr Euch an die Regelkommission der OPD wenden. Eine ganze Reihe von Hilfestellungen finden sich zudem auf der Streitkulturwebsite und im (mittlerweile etwas in die Tage gekommenen aber immer noch recht nützlichen) OPD-Handbuch.

Text: Michael Hoppmann, Mitglied der Regelkommission / glx

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7 Kommentare zu “OPD-Regelkommission beschließt Aktualisierungen”

  1. Manuel sagt:

    „the most popular format of debating on the German language circuit“ – seriously, Achte Minute? Möchtest Du Dich da festlegen?

  2. John sagt:

    Even if it is true… It’s not something I would admit in public.

  3. Anja sagt:

    OK, guys, facing the fact that three out of four ZEIT DEBATTEN in 2010/11 will be in the format of OPD I was a little enthusiastic when translating. And a little teasing. Actually I like both formats equally when it comes to listening or debating – but, honestly, not when I’m a judge.

  4. Christian Blum sagt:

    Leute legt Euch doch erst ein Mal auf eine Sprache fest, wenn Ihr hier kommentiert! Und selbstverständlich ist OPD das einzige ausschließlich in Deutschland entwickelte Debattierformat und somit auch das populärste. Wir haben hart darum gekämpft dies BP vs OPD Diskussion zu beenden, also bitte belasst es dabei.

  5. Anja sagt:

    Lieber Christian,

    bei einem zweisprachigen Magazin, wie es die Achte Minute nun mal seit einem guten Jahr ist, darf auch in verschiedenen Sprachen kommentiert werden – zumal auf Englisch, wenn dezidiert der englische Text kommentiert wird. Das Kriegsbeil um BPS und OPD will die Achte Minute aber auf gar keinen Fall wieder ausgraben.

    Grüße von einer etwas flapsigen, die Materie aber durchaus ernstnehmenden Achte-Minute-Übersetzerin.
    Anja.

  6. Mathias sagt:

    Nun ja, Wartburg ist ein anderes in Dtl entwickeltes Format und „Jugend Debattiert“ nicht vllt. auch?
    Aber vllt. könnte die Achte Minute die OPD-Regelkommission mal vorstellen? Wer ist das, was machen die, was beschließen sie wie, auf welcher Grundlagen und wann? Und warum? Welche Motivation haben sie?

    Zu Populären Format: In der FDL waren es in der letzten Saison 6 BP und 4 OPD Turniere. In dieser Saison sind zwar 3 der 4 ZD OPD aber man könnte natürlich auch Zählen: 1 ZD ist BPS, 3 Regios sind BPS und die DDM ist BPS. Aber vllt. hat der Chefstatistiker Manuel noch interessantere Ansichten.

  7. Manuel sagt:

    Ja, habe ich. Mein Anliegen beschränkte sich aber darauf, den von Christian Blum angemahnten Waffenstillstand auch einzufordern. Wenn das deutsche Zentralorgan gegenüber dem internationalen Publikum so etwas behauptet, ist das ein wenig unfair.

    Bei dieser Operationalisierung kann ich auch behaupten, dass Frauen die weniger populären Debattierer sind. Schließlich machen sie nur ein Viertel aller deutschen Debattierer aus.

Kommentare sind geschlossen.

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