Ein feucht-fröhliches Vergnügen – Miriam Hauft über das Magdeburger Elbe Open 2011

Datum: 6. Juli 2011
Redakteur:
Kategorie: Themen, Turniere

Um es mit Rainald Grebe zu sagen: „Madonna und Marilyn Manson kennt jeder auf der Welt, doch wer kennt schon das Land zwischen Stendal, Burg und Bitterfeld?“ 16 Teams aus allen Ecken Deutschlands fanden am 2. und 3. Juli den Weg in die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts und können nun von sich behaupten, dass sie dieses Land kennen. Der Debattierclub Magdeburg hatte zum dritten Freundschaftsturnier seiner Geschichte geladen und richtete an diesem Wochenende das Elbe Open 2011 aus. Das Turnier war gleichzeitig das letzte Turnier der ersten Saison der Freien Debattierliga (FDL) vor dem Finale in Greifswald.

Was da stattfand, war definitiv ein Turnier unter erschwerten Bedingungen. Das galt zum einen für die Anreise. Denn wer schon einmal versucht hat, Magdeburg an einem Wochenende per Zug zu erreichen – und zwar so, dass man um 8.30 Uhr da ist – der weiß, dass nur die Stärksten ankommen werden. So blieb ein Redner aus Essen irgendwo in der niedersächsischen Pampa im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke, weil der deutschen Bahn die Lok verlustig gegangen war. Er kam erst zur zweiten Vorrunde dazu. Andere Teams waren clever und waren bereits am Vorabend angereist. Oder auch nachts. Die Mainzer Delegation erreichte erst gegen vier Uhr morgens das rettende Nachtlager auf Cheforganisator Jan-Dirk Capelles Fußboden.

Verkündung der Sieger Dessislava Kirova und Juliane Mendelsohn vom Team “Berlin Moral Agency” durch die Finaljury, v.l.: Miriam Hauft, Torsten Rössing, Hauke Blume, Isabelle Loewe und Annette Kirste. Foto: Jan-Dirk Capelle

Verkündung der Sieger Dessislava Kirova und Juliane Mendelsohn vom Team “Berlin Moral Agency” durch die Finaljury, v.l.: Miriam Hauft, Torsten Rössing, Hauke Blume, Isabelle Loewe und Annette Kirste. Foto: Jan-Dirk Capelle

Dennoch traf man am Samstagmorgen im wirtschaftswissenschaftlichen Gebäude der Universität Magdeburg auf ein erstaunlich gut gelauntes und munteres Trüppchen von Juroren, Debattierern und Organisatoren. Die Delegation aus Berlin hatte heldenhaft um 6.11 Uhr den Regionalexpress nach Magdeburg bestiegen und stand geschlossen und pünktlich auf der Matte. Und auch (fast) alle anderen waren zur rechten Zeit am rechten Ort. Nach einem kurzen Frühstück trat Cheforganisator und Clubpräsident Jan-Dirk Capelle zur Begrüßung ans Mikrofon und das Turnier konnte beginnen. Die erste Vorrunde passte dann thematisch auch zum Allgemeinbefinden und stand ganz im Zeichen sachsen-anhaltischer Originalität: „Dieses Haus glaubt: Frühaufstehen ist keine Tugend.“

Da die Magdeburger Mensa es allen Ernstes fertig bringt samstags ganze 90 Minuten lang (von 12 bis 13.30 Uhr) offen zu sein, musste die Mittagspause bereits nach der ersten Vorrunde stattfinden. Dies brachte allerdings den Vorteil mit sich, dass die anderen drei Vorrunden des Tages danach entspannt und ohne Zeitdruck zelebriert werden konnten.

In fünfminütigen Reden kämpften sich die Teams von Runde zu Runde, während draußen die Welt unterging. Der Umstand, dass das Tief „Jörg“ beschlossen hatte, an diesem Wochenende Unmengen von Wasser über Magdeburg auszuschütten (ein paar Sturmböen hatte Jörg auch mitgebracht), machte das Turnier insbesondere für das Orga-Team zur Aufgabe für Fortgeschrittene. Und das, obwohl keiner der Helfer und Organisatoren bisher allein ein Turnier ausgerichtet hatte.

Für den Abend war eigentlich ein Grillfest am Elbstrand geplant, das zum einen eben die obligatorische Party gewesen wäre, zum anderen aber auch die Abendverpflegung der Teilnehmer gewährleistet hätte. Bei strömendem Regen und Temperaturen um die 13 Grad fiel dies aber flach. Die Magdeburger entschlossen sich daher dazu, im Innenhof des Unigebäudes den Grill aufzubauen und die hungrigen Debattierer drinnen mit Grillgut zu versorgen. Hierzu wurde eigens spontan ein Partyzelt gekauft, um den Grillmeister und die Glut zu schützen. Leider streckte das Zelt jedoch innerhalb von zehn Minuten die Waffen. In den kräftigen Sturmböen war eine Stützstange gebrochen. Das Magdeburger Grillteam reagierte spontan und heldenhaft: Abwechselnd in Schichten hielten je vier Helfer das Zeltdach in die Höhe und retten somit den Grillprozess und die Verpflegung. Dass sie dabei selbst pitschnass und durchgepustet wurden, nahmen sie in Kauf. Eine Leistung, für die man ihnen nicht oft genug danken kann. So konnten gegen 20 Uhr dann tatsächlich alle Turnierteilnehmer gesättigt von Schweinenackensteak, Würstchen, Grillkäse und Maiskolben zum Hasselbachplatz – dem Kneipenzentrum Magdeburgs – transferiert werden. Hier hatte man einen Nebenraum im „Riff“ (einer beliebten Magdeburger Bar) organisiert, wo die komplette Debattiertruppe an zwei langen Tafeln Platz fand. Jens Fischer, Tabmaster des Turniers, bemerkte beim Anblick der angeregt schnatternden Runde zufrieden: „Genau so müssen Debattierabendveranstaltungen aussehen.“ Die Berliner Delegation zog sich zwar schon früh ins „Pfarrhaus“ zurück, wo ihnen die katholische Studentengemeinde freundlicherweise zehn Crashplätze zur Verfügung gestellt hatte, aber einige hartgesottene Teilnehmer sollen nach Berichten aus erster Hand erst gegen vier Uhr den Weg ins Bett gefunden haben.

Der nächste Tag wurde mit der letzten Vorrunde eingeläutet. Zum Thema „Dieses Haus fordert eine Vermögensobergrenze“ stritten sich die mehr oder weniger müden Teams und wurden dafür zur Pause mit Gummifröschen und -tausendfüßlern belohnt. Dann stieg die Spannung, nicht nur bei den Rednern, auch bei mir. Da ich selbst zum ersten Mal als Chefjurorin an einem Turnier teilnahm, durfte ich erstmals den Break verkünden. Drei Berliner Teams sowie die Teams aus Greifswald, Potsdam, Mainz, München und Essen schafften es in Halbfinale. Sie wurden tosend bejubelt und beklatscht. Im Halbfinale erlebten ich und das Publikum eine spannende Debatte zum Thema „Dieses Haus meint: Dominique Strauss-Kahn soll als französischer Staatspräsident kandidieren“, oder wie Jens Fischer es abkürzte: DSK 4 PRF!

Das Finale schließlich war ganz eindeutig von der Präsenz der Hauptstadt dominiert. Die Berliner Teams hatten sich alle drei ins Finale vorgekämpft, tapfer stellte sich ihnen das Team aus Greifswald. Zum Thema „Dieses Haus fordert: Der Westen sollte Schwellen- und Entwicklungsländer dafür bezahlen ihre Umwelt zu bewahren“ bot sich den übrigen Turnierteilnehmern und den Zuschauern, die sich durch den Regen zur Uni getraut hatten, eine hitzige Debatte, aus der Dessislava Kirova und Juliane Mendelsohn vom Team „Berlin Moral Agency“ schließlich als Siegerinnen hervorgingen. Der Sieg war knapp: Die fünfköpfige Finaljury, bestehend aus mir und meinen beiden Chefjurorkollegen Isabelle Loewe und Torsten Rössing sowie Annette Kirste und Hauke Blume kam zu einer 3:2-Split Decision. Den sichtlich überraschten Siegerinnen überreichten die Magdeburger als Preis eine Flasche des Getränks, das kurz vor dem Turnier noch für eine Namensänderung in „Elbe Open“ gesorgt hatte. Der „Doppelte Otto“ ist eine Likörkreation, die den Magdeburger Halbkugelversuch nachstellt. In zwei halbkugelförmigen Flaschen, die ineinander greifen, befinden sich jeweils eine Portion Orangenlikör und eine Portion Kräuterbitter. Wer wissen will, wie das ganze aussieht und wer welchen Schnaps bekommen hat, kann ja mal bei Dessi und Juliane anfragen.

Gegen 16 Uhr endete das Turnier und die Teilnehmer schwärmten hinaus in den Regen, um dahin zurück zu kehren, wo sie hergekommen waren. Ich machte mich gemeinsam mit einer großen Gruppe im Regionalexpress wieder zurück auf den Weg nach Berlin und hörte dort in vielen Gesprächen heraus, was auch mein Eindruck war. Allen hatte das Turnier gefallen und alle waren müde und nass, aber zufrieden. Auch Cheforganisator Jan-Dirk Capelle bilanziert: „Unser vorläufiges Fazit ist, dass das Turnier – trotz Sturm und Regen – ein großer Erfolg war. Gleichzeitig haben wir als Club viele wertvolle Erfahrungen gewonnen. Damit können wir das Elbe Open 2012 noch erfolgreicher gestalten – hoffentlich bei besserem Wetter!“

Alle Themen auf einen Blick:

  • 1. Vorrunde: Dieses Haus glaubt: Frühaufstehen ist keine Tugend.
  • 2. Vorrunde: Dieses Haus fordert eine „Newcomer“-Quote für alle Radiosender.
  • 3. Vorrunde: Dieses Haus findet, dass es nur eine christliche Kirche geben sollte.
  • 4. Vorrunde: Dieses Haus fordert freies Geleit für Muammar al Gaddafi.
  • 5. Vorrunde: Dieses Haus fordert eine Vermögens-Obergrenze.
  • Halbfinale: Dieses Haus meint: Dominique Strauss-Kahn soll als französischer Staatspräsident kandidieren.
  • Finale: Dieses Haus fordert: Der Westen sollte Schwellen- und Entwicklungsländer dafür bezahlen, ihre Umwelt zu bewahren.

Und noch ein wenig Statistik zu den Elbe Open (vielen Dank an den Herrn der Zahlen Manuel Adams):

  • Punkte-Duchschnitt Vorrunden: 71,87 (Saison-Mittelmaß im BPS-Vergleich)
  • Punkte-Duchschnitt Top-10: 77,48 (besser war nur das BDU-Einladungsturnier 2011)
  • Frauenquote: 34,4% (Rekord für diese Saison)
  • Frauenquote im Finale: 50,0 % (ebenfalls Rekord für diese Saison)
  • Anteil der Redner, für die es das erste VDCH-/FDL-Turnier war: 40,6%

Miriam Hauft / xzy / tr

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