Ein Turnier im Grünen: Florian Umscheid über das Jacobs Open 2011
Ich war noch niemals in … Bremen. Zugegeben, in New York war ich auch noch nicht, aber in Bremen, was deutlich näher liegt, war ich tatsächlich noch nie. Überhaupt weiß ich recht wenig über Bremen, gemessen an der Größe der Stadt. Lediglich, dass eine Tierkombo aus der Stadt zumindest bei den Gebrüdern Grimm einige Achtungserfolge erzielte. Und, dass Robinson Crusoe ein fiktiver, aber Sohn der Stadt ist. Es gibt den Roland auf dem Marktplatz und Bremen war Hansestadt.
Und in meinem Hinterkopf war da auch noch die Information, dass es in Bremen mit dem Jacobs Open ein mit den Attributen wie „großartig“ und „eine Reise wert“ geschmücktes Turnier stattfand. Für einen Debattiertouristen, der ich tief im Herzen bin, ist das Ausrede genug. Zusätzlich dazu wurde mit einem Havana Black Tie Social gelockt. Nach einer mehrstündigen Fahrt in diversen Regionalexpressen quer durch Deutschland kamen wir bei schönstem Wetter und fast pünktlich an der Jacobs University an.
Es ist ein bemerkenswerter Campus, den die Jacobs University hat. Die Ziegelsteinbauten einer Kaserne aus den dreißiger Jahren sind nach der militärischen Nutzung zum Campus geworden. Und der erinnert nicht mehr an eine Kaserne. Die Gebäude sind allesamt aufwändig renoviert und für den Studienbetrieb umgebaut worden. Weitläufige Grünflächen dominieren und verleihen dem Campus einen parkartigen Charakter. Mit seinen Tennisplätzen, Beachvolleyballplätzen und Fußballplätzen schafft der Campus eine Atmosphäre, wie ich sie bis jetzt an noch keinem Campus erleben konnte. Einzig am „Wachhäuschen“ am Eingang mit seinen Schlagbäumen und bei der Anordnung der Gebäude erkennt das geschulte Auge eines ehemaligen Wehrdienstleistenden, dass man sich auf einem ehemaligen Militärgelände befindet.
Nachdem wir in Empfang genommen wurden, werden wir unseren Crash-Gastgebern vorgestellt. Untergebracht sind wir bei den Studierenden in den verschiedenen Colleges auf dem Campus. Jeder von ihnen nimmt einen oder zwei Debattierer bei sich auf. Eine schöne Idee, die vielfach zu sehr netten Gesprächen führte. Es gibt die erste Vorrunde, anlässlich der königlichen Heirat mit dem Thema „This house would abolish monarchies“. Etwas überraschender als das Thema ist die Tatsache, das ich Chair in meinem Raum bin. Ich darf also in der Folge vier Teams bewerten, die wahrscheinlich wesentlich besser Englisch sprechen als ich und auch noch mehr Ahnung vom Thema haben. Genau das, kurz gesagt, was man als erstes auf einem Turnier machen möchte, wenn man zum zweiten Mal auf einem internationalen Turnier juriert. Aber mit kompetenter Hilfe von Franzika Schroeter kommen wir als Juroren zu einem Ergebnis, in der Folge die Teams zu ihrem Feedback und alle dann alle zur Party in der Campus Kneipe. Die Party ist gelungen.
Der Rückweg, für den einen früher, für den anderen später, gestaltet sich unterschiedlich schwer. Ich finde, vertraut mit den Strukturen einer Kaserne, zurück in den Schlafblock, jetzt College genannt. Mein Crash-Kollege hat weniger Erfolg und übernachtet stattdessen auf einer großen Couch im Aufenthaltsraum des gleichen Colleges, keine 50 Meter von seinem Bett entfernt.
Der nächste Morgen bringt neben einem opulenten Frühstück auf Viersterne-Niveau zwei weitere Vorrunden, „This house believes that professional sports people have a moral obligation to publicly come out“ und „This house believes that all schools in the states of former Yugoslavia should use the same history books“. Und für mich geht es weiter als Chair. Die Debatten die ich sehe sind in der Regel solide, das interessante für mich ist, Feedback zu geben. Richtig interessant wird es, als ein Team Widerspruch leistet. Auf Englisch mit ihnen über ihre Leistung streiten ist mein persönlicher Lackmusstest als Juror. Ob ich ihn in ihren Augen bestanden habe, kann ich leider nicht beurteilen. Um das perfekte Frühstück etwas zu nivellieren gibt es zum Mittagessen abgepackte Tomaten-Mozarella-Sandwiches. Eine Trübung der Stimmung will beim entspannten Herumliegen auf den diversen Wiesen nicht so recht aufkommen. Viele Redner und Juroren, die den Campus sonst nur im Winter kennen, sind begeistert darüber, dass man draußen sein kann. Der neue Termin des Turniers erweist sich als Glücksgriff.
Am Nachmittag geht es in die geschlossenen Vorrunden vier und fünf. Die Debatte zum Thema „This house would provide long-term addicts with free drugs and the facilities to use them“ darf ich nochmal als Chair bestreiten, diesmal aber ohne Feedback. In der letzten Vorrunde habe ich dann das Glück, neben Anne Valkering (asdv Bonaparte) als Wing der Debatte zum Thema „This house believes the UN Security Council should hand over Laurent Gbagbo to the International Criminal Court for indictment“ zu lauschen.
Nach dem Abendessen bleiben noch drei Stunden bist zur Party. Wir „entspannen“ uns noch weiter in den Aufenthaltsräumen unseres Colleges. Es gibt Kicker-Matches, Tischtennis, Billard und vieles mehr – in den Aufenthaltsräumen bleiben bei der Wahl der Freizeitaktivitäten wenige Wünsche offen.
Die Party hat gute Musik und Drinks, der Bitte in Black Tie zu kommen sind aber nur eine Handvoll Debattierer gefolgt. Für die Mehrheit ist „casual saturday“. Die Party ist gut, es wird spät. Es wird Morgen, der dritte Tag. Und es gibt einen Brunch in der Kantine des Campus, bei dem wieder keine Wünsche offenbleiben.
Auch im Halbfinale und im Finale darf ich mich überraschend als Juror betätigen. Sieger: „Stop trying to make ‚fetch‘ happen“ aus Leiden. Es geht zurück nach Berlin. Zur nächsten Party. Es wird rausgefeiert aus dem ersten Mai …
Von Bremen habe ich nicht viel gesehen, außer dem Bahnhof und was man aus dem Zug erblicken kann. Dafür konnte ich reichlich Erfahrung als Juror sammeln und zum ersten mal eine Finaljurierung live als Nebenjuror miterleben. Und ich habe das Jacobs Open kennengelernt. Das Jacobs Open ist auf jeden Fall ein Muss in jedem (zumindest meinem zukünftigen) Debattiererkalender. Vielen Dank an die JUB Debating Society für die Ausrichtung dieses Turniers.
Florian Umscheid / xzy / tr / glx