Ein europäisches Debattierwochenende – Leo Weese über das Athens Open
Das Wochenende Mitte April war ein europäisches Debattierwochenende: Neben den deutschsprachigen Regionalmeisterschaften in Frankfurt, Halle und Osnabrück fanden auch die niederländischen Nationalmeisterschaften und das Lund Open statt. Und das American College in Greece richtete das diesjährige Athens Open aus. Zusätzlich zu den Toprednern, die man üblicherweise auf dem Balkan trifft, betraten in Athen auch viele Neulinge das internationale Debattierparkett.
Zum Einen nahmen verschiedene Debattierclubs aus Paris teil, die zeigten, dass das Paris IV, das ebenfalls schon diesen Monat stattgefunden hatte, als Katalysator des BP-Debattierens in Europa wirkt. Aus Deutschland nahmen Aachen und Paderborn teil, außerdem war das fränkische Würzburg mit Jamie-Lee Campbell als Jurorin vertreten, die später auch das Finale mitjurierte. Wien schließlich sandte zwei Teams in die griechische Hauptstadt: Vienna Vice und Vienna Viridescence.
Ein großer Pluspunkt war das Viersternehotel, in dem die Debattierer sehr komfortabel untergebracht waren. Von den Betten machten sie jedoch wegen der vielen Zimmerpartys gar nicht übermäßigen Gebrauch. Der Gastgeber, das American College of Greece, ist eine aus Amerika finanzierte Universität am Rande Athens, das vor allem den Bachelor of Arts im Angebot hat – und einen gut finanzierten Debattierclub. Ironischerweise werden die zahlreichen Computer der Universität und die Klimaanlagen von USAID gesponsert – eine amerikanische Organisation, die sich der Förderung von Infrastruktur in Entwicklungsländern widmet.Um vom Hotel auf den Campus zu gelangen, brauchte es nur eine kurze Fahrt mit U-Bahn und Bus. Anders als in Paris, legte man uns nahe, ein Ticket (für 70 Cent) zu erwerben – andernfalls würden Schwarzfahrer umgehend an Deutschland oder wahlweise den IWF verkauft oder direkt zum Militär eingezogen und nach Zypern gesendet (siehe Halbfinale).
Steven Nolan, Maja Cimerman und Manos Moschopoulos, ein gut funktionierendes und oft gesehenes Chefjurorenteam, stellten eine großartige Jurierung der großartigen Themen sicher, obwohl uns die oben erwähnten, andernorts stattfindenden Turniere einige zusätzlich gebrauchte Juroren vorenthielten.
Das Turnier begann, wie ein gutes Turnier beginnen sollte: mit kostenlosem Kaffee. Und noch besser: Die griechische Kaffeekultur – anders als die französische, italienische oder deutsche – verachtet nicht eisgekühlten Kaffee. Nach den ersten beiden Runden zogen wir um in eine nahegelegene Bar, wo uns extrem süßer und leckerer Wein mit Honig serviert wurde. Obwohl wärmeres und trockeneres Wetter willkommen gewesen wäre, war es angenehm draußen zu sein und die neuen Debattierer kennen zu lernen. Ein Mietbus brachte uns wieder ins Hotel, wo die Party in den gemütlichen Zimmern weiterging.
Entgegen jeglicher Erwartung streikte am folgenden Morgen niemand. So begann der Wettstreit lediglich mit der üblichen Verspätung. Etwas chaotisch war die Sache mit dem Abendessen: Erst nach dem Finale, gegen 22 Uhr, wurden wir informiert, dass das Dinner ausfiel. Leider erlaubte das Wetter nicht, dass wir grillten.
Gute Nachrichten: Vienna Viridescence, Agnieszka Bibro und Leonhard Weese,breakten ins Halbfinale. Zum Thema „This house believes that Greece and Turkey should immediately remove their troops from Cyprus“ gab es eine ganz gute Debatte mit überzeugenden Argumenten für und wider von allen vier Teams. Allerdings entlarvte die Debatte auch eins der Risiken des Debattierens: Nicht richtig Bescheid zu wissen über die Lage in Zypern ist weder ein Hindernis, noch ein Vorteil. Nach einiger Recherche bei Wikipedia im Anschluss zeigte sich, dass die Argumente auf beiden Seiten auf dünnem Eis standen.
Das Finale wurde von einem Vertreter der Uni auf recht ungewöhnliche Weise eröffnet: Er summte die europäische Hymne und entschuldigte sich dafür, früher einmal für kurze Zeit Politiker gewesen zu sein. Nachdem er so das Eis gebrochen hatte, sprach der Professor über die Probleme Griechenlands. Die Rede nahm eine sehr unterhaltsame und provozierende Wendung mit schlichter und erinnerungswürdiger Botschaft: querzudenken, wenn man neue Lösungen für politische Probleme suche. Ich würde nur ungern über seine politischen Ansichten spekulieren, aber angesichts seiner Unzufriedenheit mit dem politischen System und der einfachen Tatsache, dass sich dies alles in Griechenland zutrug, liegt der Schluss nahe, dass er in eine anarchistische Richtung tendierte – trotz seiner konservativen Politikervergangenheit.
Im Grunde wurden wir überzeugt, dass Griechenland niemals Herr seiner finanziellen Bürde würde, wenn es nicht sein Hauptproblem abschüttelte. Seine Übersiebzigjährigen kosten den Staat eine enorme Summe dank der Annehmlichkeiten, die sie genießen, der immensen Gesundheitsversorgung und einem durch den demographischen Faktor herausgeforderten Pensionssystem. Seiner Rede zufolge ist diese Generation nicht nur die finanzielle, sondern auch die politische Ursache des Problems. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, sämtliche Übersiebzigjährigen vom sozialverträglichen Ableben zu überzeugen, aber definitiv wäre es Querdenken.
Auch der Wortlaut des Finalthemas trug zu dem Sachverhalt bei: “This house believes that democracy has failed”.Das Siegerteam, Tijana Mijalković und Goran Jankuloski, haben die „motion“ in den USA angesiedelt und damit überzeugt. Nach dem Finale verloren sich die Debattierer etwas in einer großen Straße voll mit belebten Bars. Aber das tat der ekstatischen und langen Nacht keinen Abbruch.
Die Themen des Athens Open:
- Runde 1: In cases of repetitive tax evasionm this house would take away that individuals right to vote
- Runde 2: Except in cases of rape, this house believes that women should not be allowed to have an abortion without the consent of the father of the child.
- Runde 3: In cases where there is harmful depiction in the media, this house would compensate minority communities.
- Runde 4: This house would impose an immediate ban on all pornography which shows or simulates violence.
- Runde 5: This house believes that the west should assassinate political leaders who use violence against their own people.
- Halbfinale: This house believes that Greece and Turkey should immediately withdraw all their troops from Cyprus.
- Finale: This house believes that democracy has failed.
Leonhard Weese / apf / glx
Der Debattierclub Aachen berichtet auf seiner Homepage über das Athens Open. Zwei Teams aus der Kaiserstadt nahmen am griechischen Wettstreit teil: Down-Quark Aachen (Anna Heynkes und Fabian Bonk) and Up-Quark Aachen (Marc-Andre Schulz and Holger Teichgräber).
Die Ergebnisse und das vollständige Tab stehen bereits auf der Turnierhomepage online.
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