Eine Debatte mit fünf Pints – Leo berichtet über das Cardiff IV
Debattieren im Ödland: Auch dieses Jahr zog das Cardiff IV wieder über 100 Debattierer vor allem aus Britannien, aber auch aus den Niederlanden (Utrecht, Rotterdam) und aus Wien in die walisische Hauptstadt. 30 Teams und zwei Springerteams stritten in vier Vorrunden mit Sieben-Minute-Reden um die Titel als Siegerteam, bester Redner und bester ESL-Redner. Wie auch im vergangenen Jahr bot die Cardiff Debating Society einiges an Erfahrung auf, obwohl sich weniger Teams angemeldet haben und auch die Vorrunden um eine abgenommen haben.
Cardiff selbst hat nicht so viel zu bieten. Die Mädchen tragen bei niedrigen Temperaturen kaum etwas am Leib, große Mengen Alkohols werden überall auch schon vormittags konsumiert, gutes Essen ist unmöglich zu finden nach neun Uhr abends und die monotonen Wohngebiete der Stadt sehen aus wie trauriges Ödland.
Große Mengen Alkohols sind auch (allerdings im positiven Sinne) charakteristisch für die Abendveranstaltungen des IV. Die Freitagabendparty begann in einem Pub mit der Verteilung der Schlafplätze und einem Treffen neuer und alter Freunde. Der Pub war allerdings schwer zu finden, da er nur auf Walisisch ausgeschrieben war (Tair Pluen), bekannt ist das Lokal allerdings nur unter seinem englischen Namen: Three Feathers. Das Cardiff IV ist bekannt für seine berüchtigte “five pint debate“: Alle Mitstreiter müssen in dieser Runde fünf Pints (Anm. d. Red.: Ein Pint entspricht rund einem halber Liter.) oder entsprechend Schnaps trinken, bevor die Debatte zu Ende ist. Das Ergebnis sind ziemlich humorige Stand-Ups mit derben Witzen und Insiderbemerkungen.
Die Debatten begannen am Samstagmorgen um 9 Uhr, wobei schnell klar war, dass der enge Zeitplan nicht eingehalten werden konnte, ebenfalls typisch für britische Debattierturniere. Dennoch wurde die Redezeit von sieben Minuten während der Vorrunden beibehalten und erst im Finale auf fünf Minuten gekürzt. Warum es so wichtig war, den Finalort 16 Minuten früher oder später zu verlassen, bleibt ein Geheimnis. Das Finale hat nicht unter den kurzen Reden gelitten, allerdings ließ das Engagement in Sachen “points of information“ zu wünschen übrig.
Nichts zu wünschen dagegen ließ die “whip“-Rede von Sheraz Qureshi übrig, der für das letztlich siegende Team in der Schließenden Regierung redete: Er zog unter Applaus wie auch unter geschockten Reaktionen sein Hemd aus – ein Tribut für David Jones, der im vergangenen Jahr die Herausforderung der fünf Pints gemeistert hatte.
Viele gute Juroren waren zum Cardiff IV gekommen, die uns über vier Vorrunden hinweg prima jurierten. Die Themen waren manchmal ganz schön hart und schienen oft schwer für beide Seiten der Debatte. Dennoch stellte sich heraus, dass sie ausgeglichen waren: Auch erfahrenen Redner mussten in neue Richtungen denken, was uns lange ausufernde Reden ersparte über Argumente, die wir schon eine Million mal gehört haben. Auch das Chefjurorenteam gönnte sich Späßchen: Der Tabmaster zeigte vorgefertigte Rankings und Rednerpunkte vor den Debatten. Dem standen bereits ausgefüllte Jurorenfeedbackbögen gegenüber. Glücklicherweise fiel das aber schnell auf.
Die Samtagabendveranstaltung war heuer verbunden mit der riesigen Party der Cardiff Union, die mit der Wahl der Studierendenschaft zusammenhing. Ein weiteres ungelöstes Geheimnis blieb der “dress code“ der Kandidaten: Sie kamen als Pelztiere verkleidet. Punkt 2 Uhr nachts wurden wir alle dort rausgeworfen – das Licht ging an und die Musik aus. Es erinnerte an eine spontane Evakuierung, wie die halbnackten und betrunkenen Waliser hinausstürmten. Aber das ist normal in Cardiff.
Bei britischen Turnieren gibt es immer nur “crash”, einfache Schlafplätze, was erfordert, dass wir billigen Ryanair-Reisenden einen Schlafsack mitbringen. Mit den Turnieren bauen die britischen Debattierclubs ihren Ruf auf und finanzieren gleichzeitig ihre Clubs. Externe Förderer gibt es nur selten, die außerdem vergrault werden durch häufig nackte (und siegende) Streiter in den nicht-öffentlichen Finals, die besucht werden von anderen betrunkenen Debattierern. Der Teilnahmebeitrag von 40 britischen Pfund pro Team erscheint recht hoch für Festlanddebattierer, vor allem da man nur “crash“ dafür bekommt und ein (zugegeben äußerst gutes) Dinner und viel indisches Essen (dreimal nachladen – juhuuu!). Allerdings gab es beim Cardiff IV auch Unmengen von Alkohol – gratis!
Der Autor freut sich außerdem, dass die Debattierer vom Festland gar keinen Teilnahmebeitrag entrichten mussten. Vergleicht man nun das Belgrade Open, das erst kürzlich gegen eine viel kleinere Teilnahmegebühr stattfand, fragt man sich schon, warum so viele Festlanddebattierer sich fast jedes Wochenende auf den Weg nach Großbritannien machen. Es muss die extreme Hingabe an das Debattieren sein, der Hunger nach neuen, progressiven und innovativen Themen, nach großartigen Juroren und nach Spaß. Außerdem soll festgehalten werden: Das Debattieren ist auf den Inseln eine so fundamentale Sache für britische Studenten, dem muss man jede Woche nachgehen, nicht nur einmal im Monat. Und wer braucht dann schon Reisen in andere Länder?
Die Themen im Überblick:
- Runde 1: This house believes that inheritance should be taxed at 100%.
- Runde 2: This house would allow individuals to sell their vote on the market.
- Runde 3: This house believes that a technocratic state, not a democratic state, produces the best society.
- Runde 4: This house believes that in a situation where the UK is able to intervene in order to prevent human rights abuses in only some of multiple cases its soldiers should vote to decide which.
- Finale: This house would not participate in an industry that profits the mental problems of celebrities.
Im Finale des Cardiff IV 2011 traten am Samstag folgende Teams gegeneinander an: Utrecht (Eröffnende Regierung, Adriaan Andringa und Arielle Dundas), Warwick (Eröffnende Opposition, Andrew Forst und Gareth Williams), ULU (Schließende Regierung, Sheraz Qureshi and Anser Aftab) von der University of London und Erasmus (Schließende Opposition, Lars Duursma und Daniel Springer) aus Rotterdam. Durchgesetzt haben sich die Londoner Sheraz und Anser. Bester Redner im Tab war Anser, der Niederländer Daniel führte das ESL-Tab an.
Leonhard Weese / apf
For the purposes of clarification there was an issue that resulted in the printed ballots having random speaker points and positions already inserted in – this was a malfunction (that I don’t understand) in the relationship between the excel and the powerpoints and not an attempt on my part to guess the positions and speaker points before the debate happens (as it may appear from reading this article), judges simply crossed out the existing speaker points and positions before replacing them with their own!
I’m surprised you managed to get such a negative impression of the whole country considering you only spent 48 hours in one university. The Tair Pluen is referred in Welsh (I’d never even heard the English translation before) which shouldn’t be too much of a surprise given that this is the capital of Wales. Perhaps you need to experience the culture of a country before you make those kinds of comments in future.
No… You got it wrong… It was the ‚relationship‘ between Excel & PowerPoint… They have been arguing of late and the marriage might end up in a divorce… I think it might have been their kids, visual & basic, that inserted the marks in deliberately to get some attention.