Daniel rezensiert: „Rede im Studium!“
Vorsicht – dies ist kein Nachschlagewerk, in das man mal kurz reinschaut, um vor dem gefürchteten Referat oder der Prüfung gerade noch die Kurve kratzen zu können. Das Buch „Rede im Studium!: Ein Rhetorikleitfaden für Studierende” von den beiden Alt-Tübingern Tim-C. Bartsch und Bernd Rex will vielmehr am Stück gelesen werden. Was im Umschlag “Alles Wichtige über die Kernkompetenz der mündlichen Kommunikation im Studium” verspricht, ist keiner von zahlreichen Rhetorikratgebern auf dem Büchermarkt. Dieses Werk entpuppt sich vielmehr als ein Studienberater, der Studierende nicht mit ebenso rasch durchgelesenen wie vergessenen Bulletpoints und Merk-Kästchen konfrontiert, sondern sie verbindlich, aber sehr engagiert und wohlwollend anspricht und mindestens genauso ein Ratgeber für das strategische und wissenschaftliche Denken ist, als für das Reden an sich.
Debattierer werden an vielen Stellen ihre eigene Kunst wiederfinden – kein Wunder, denn die Autoren gehören zu den Urgesteinen der deutschen Debattierszene. Zugleich wird beim Lesen klar, welche Vorteile man selbst aus einem Hobby bereits an der Uni gezogen hat und worauf man Studierende auch in der Dozentenrolle hinweisen sollte.
Die beiden Autoren betten ihre Hilfestellung bereits in der Einleitung in einen weit gefassten Rhetorik-Begriff ein, der den sprachlichen Ausdruck zwar als Krönung, aber auch “nur” als Bestandteil des rhetorischen Prozesses im Studium versteht. Für Bartsch und Rex beginnt die Rhetorik mit dem Verstehen. Ebenso sind Gliedern, Formulieren und Einprägen von Redeinhalten für sie dem Vortrag vorgeschaltet.
Hiervon ausgehend arbeiten die Autoren so ziemlich jede Situation im Studium ab, in denen man verbale Kommunikation einsetzen muss. Es sind nicht nur die “Klassiker” Referat und mündliche Prüfung abgedeckt, sondern es finden sich auch Tipps für Gespräche mit dem Dozenten auf dem Gang und in der Sprechstunde, die Lösung von Konflikten in der Lerngruppe oder auch die Gestaltung der Rednerliste auf der stundenlangen Fachschaftsversammlung.
Es sind zum einen die vielen kleinen hilfreichen Ratschläge, die einem im ersten Moment banal erscheinen, bis man merkt, dass man auch als Achtsemester oft rhetorische Grundregeln verletzt. So mag es eine Binsenweisheit sein, dass ein gutes Beherrschen des Referatstoffes Lampenfieber abbaut – aber selbst dem Fortgeschrittenen ist es ein sinnvoller Hinweis, dass man sich mit der Akustik und Beleuchtung eines Raumes bewusst auseinander setzen sollte, bevor man als Referent oder Tutor einen Vortrag macht.
Zum anderen machen die Autoren klar, dass Kommunikation immer auch Strategie ist. Vielen Studierenden würde es gut tun, sich den Abschnitt über Fragen in Vorlesungen und Seminaren zu Gemüte zu führen. Dort wird im Detail und sehr ausführlich beschrieben mit welcher Fragesorte ich den Professor wann traktieren sollte, um einen guten Eindruck zu machen.
Der Reiz des Buches ist zugleich sein größtes Manko. Mit dem ganzheitlichen Rhetorik-Anspruch wird dem Leser von Anfang an ein hoher Grad an Aufmerksamkeit und Interesse abverlangt. Die Sprache des Buches ist zwar durchgehend klar und flüssig, gerade Erstsemester werden sich jedoch an den oft formellen Ton gewöhnen müssen. Die Autoren setzen voraus, dass das “nötige basale Grundwissen” eines Studierenden “mit der allgemeinen Schulbildung und einem interessierten Zeitungslesen gut abgedeckt sein” sollte. Man erhält den Eindruck, dass wer diese Idealvorstellung nicht erfüllt, sich im Buch erst nach etwas Einarbeitungszeit zurecht finden wird, denn Textgestaltung und Aufmachung sind eher spröde und ohne große Hervorhebungen oder Zusammenfassungen. Auch ist offen ob Sätze wie “Die zentrale Figur im Leben eines Studenten ist der Dozent” animierend wirken. Ab und an finden sich fast zudem spontan wirkende Exkurse, so zum Beispiel zur Frage der richtigen Formulierung von E-Mails an die Hochschulverwaltung, die sehr nützlich sind, aber dem sporadischen Leser in der Gliederung nicht auffallen.
Wer dieses Buch aber als Gesamtwerk annimmt, der wird mit mehr als ein paar Rede-Tipps belohnt, sondern mit einem neuen Blick auf sein Studium, in dem es nicht darum geht nur Wissen im Frontalunterricht aufzunehmen, sondern in dem man Lernen für sich und andere aktiv und kreativ gestalten kann. Man würde sich wünschen, dass so mancher Studierender von seinem Studienberater vor dem Beginn seines Studiums diese Einstellung vermittelt bekommt. Und ebenso mancher Dozent.
Tim-C. Bartsch und Bernd Rex
„Rede im Studium!
Ein Rhetorikleitfaden für Studierende“
UTB / Schöningh, Paderborn 2008
ISBN: 978-3825229764
173 S.; 6,90 €
Daniel Grotzky / xzy / glx
Tim C.-Bartsch und Bernd Rex vom Debattierclub Streitkultur Tübingen sind Deutsche Vizemeister 2004 in Bonn. Bernd ist Baden-Württembergischer Meister 2004 und war Chefjuror der DDM 2005. Tim war Chefjuror der DDM 2007 und arbeitet heute als Redenschreiber im Staatsministerium Baden-Württemberg. Bernd arbeitet als selbständiger Trainer und Berater.
Unser Autor Daniel Grotzky ist Vizeeuropameister und Süddeutscher Meister 2006 und war Finalist mehrer ZEIT DEBATTEN. Er war Chefjuror der der Süddeutschen Meisterschaft 2007 und 2010 sowie der Deutschen Meisterschaft 2010. 2007/2008 war Daniel Präsident des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH), anschließend war er ein Jahr lang Präsident des Alumnivereins Deutsche Debattiergesellschaft (DDG). Ursprünglich im DC München beheimatet engagiert er sich heute insbesondere für das Debattieren in der Schweiz, wo er als Pressereferent eines Pharmazieunternehmen arbeitet.