Spaß mit Tom, Jerry und Robin Hood – das war der Gutenberg-Cup 2010
In manchen Dingen ist der Mainzer Debattierclub Johannes Gutenberg (DCJG) einsame Spitze. Der DCJG ist nicht nur der einzige VDCH-Club, der schon zwei Mal Deutsche Meister im Debattieren hervorgebracht hat, sondern auch der Ausrichter des einzigen deutschsprachigen Turniers, bei dem ausschließlich Spaßthemen debattiert werden. Mitte Oktober fand mit 15 OPD-Teams aus ganz Deutschland der bisher größte Gutenberg-Cup statt, der auch gleichzeitig das allererste Turnier im Rahmen der Freien Debattierliga (FDL) war. An Spaßthemen scheiden sich bekanntlich die Geister. Die einen sagen, erzwungene Spaßdebatte werden alles andere als lustig. Im Gegensatz dazu liebt so mancher Redner Spaßdebatten als willkommene Abwechslung zu ernsteren Debattierthemen. Was der Wahrheit in diesem Falle näherkommt, sei an dieser Stelle dahingestellt. An Spaß jedenfalls mangelte es während der Debatten des Gutenberg-Cup 2010 wahrlich nicht.
Bevor es am Samstag, 16. Oktober, wirklich losging, hatten die Mainzer zu einem vorabendlichen Treffen in der Kneipe Quartier Mayence geladen, wo schon mal alte Bekanntschaften vertieft und neue geschlossen wurden. Zu späterer Stunde verteilten sich die angereisten Debattanten zur Übernachtung auf die Domizilien der gastfreundlichen Mainzer – so mancher Mainzer Debattant schnitt mit seinen Gästen mitten in der Nacht noch den Kuchen an, der eigentlich für die Kaffeepause am Samstag gedacht war. Die Übernachtung direkt bei den Mainzern trug nicht zuletzt zum besseren Kennenlernen des Ausrichterclubs und am Sonntag schließlich zum herzlichen Abschied von den netten Gastgebern bei.
Der nächste Tag wartete ab halb zehn mit der ersten Vorrunde auf, auf die wohl jeder gespannt war. Denn ein Spaßturnier gibt einigen Spekulationen bezüglich der Themen Raum: Was werden sich die Chefjuroren Anna Mattes (Tübingen) und Thore Wojke (Mainz) wohl überlegt haben? Spekuliert wurde zum Beispiel über eine Verbindung der großen politischen Streitthemen der Zeit, wie wäre es etwa, mutmaßte man, mit „Soll der Atommüll im neuen Stuttgarter Untergrundbahnhof gelagert werden?“ Obwohl Bezüge zu Stuttgart 21 dennoch in einigen Vorrunden und dem Halbfinale auftauchten, wurden schließlich weder der unterirdische Bahnhof noch die Atomkraft explizit thematisiert.
Das Thema „Sollen Tom und Jerry sich vertragen?“ wurde mit Weltfrieden, Vorteilen des Vegetarismus und Reinkarnation verteidigt. Mit „Ist die Evolution gescheitert?“ kehrte kurzzeitig etwas mehr Ernsthaftigkeit in die Debattenräume, die jedoch bei der dritten Vorrunde „Sollte im Sexualkundeunterricht mehr Praxisbezug hergestellt werden?“ wieder zurückging. Verständlicherweise war diese dritte Vorrunde auch der vorläufige Höhepunkt des Tages, denn die jeweiligen Regierungsfraktionen hatten sich hier mit kreativen Anträgen überboten.
Mit großer Spannung wurde nicht nur die erste Vorrunde, sondern auch der Halbfinalbreak erwartet. In die beiden Halbfinals haben es jeweils die Teams aus Mainz und München sowie aus Tübingen und Heidelberg geschafft. Nicht nur für die Halbfinalisten gab es jedoch einen Grund zur Freude, sondern auch für alle Debattanten und Juroren. Die Mainzer können nämlich nicht nur Fastnacht, sondern auch Orga: Feiern, ausschlafen und debattieren hat in ihrem Zeitplan Platz. Wer schon einmal auf einem Debattierturnier war, dem ist das Problem bekannt: Meist fängt die Party am Samstagabend zu relativ fortgeschrittener Zeit an und geht bis in die frühen Morgenstunden. Das darauffolgende Aufstehen bereitet in diesem Falle einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Dagegen fingen bei diesem Turnier die obligatorische Samstagsparty ungewöhnlich früh und der zweite Turniertag ungewöhnlich spät an, sodass man gebührend feiern und dem zweiten Turniertag trotzdem mehr oder weniger ausgeschlafen entgegenblicken konnte. Während der Party selbst schlüpfte der spätere Finalist Clemens Fucker (DCJG) erfolgreich in die Rolle des DJ und ließ Hit auf Hit aus den Boxen dröhnen.
Am Sonntag trudelten die ausgeschlafenen Debattanten nach und nach ein – entweder um sich im Halbfinale zu messen oder um sich dasselbige anzusehen. Wie Chefjuror Thore später verriet, lag ihm besonders ein Sprichwortthema am Herzen. So geschah es dann auch: München stritt gegen Mainz und Heidelberg gegen Tübingen über das Thema „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“. Da forderte eine Regierung, unlauteren Politiker eine Grube graben zu lassen und sie dorthinein zu verbannen.
Die Halbfinals entschieden Clemens Fucker, Marietta Gädeke und Alwin Gerner für Mainz und Pauline Leopold, Peter Croonenbroeck und Christoph Krakowiak für Tübingen für sich. Damit standen die selben drei Tübinger im Finale des Gutenberg-Cup wie im vergangenen Jahr. Es stellte sich die spannende Frage: Werden die drei das Turnier wieder wie 2009 gewinnen? Im kommenden Finale sollte die Antwort dann „Ja“ lauten, denn das Mainzer Team konnte das finale Heimspiel nicht für sich entscheiden. Stattdessen überzeugten die Tübinger die Jury zum Thema „Brauchen wir einen neuen Robin Hood“ aus der Regierung heraus. Ungewöhnlicherweise sprachen im Finale gleich vier Fraktionsfreie Redner. Denn als neben Gregor Steinhagen und Hauke Blume der dritte Fraktionsfreie Finalredner verkündet werden sollte, ergab sich zunächst ein kleines Problem: Valerio Morelli und Wladi Jachtchenko hatten die gleiche Punktzahl. Das Gros der Anwesenden war aber der Meinung, dass vier Freie Redner nicht schaden können und so durften beide Münchner in das Finale einziehen.
Der Publikumsliebling des Vorjahresfinales Wladi leitete seine Rede mit einem höchst kreativen Gedicht ein, das er erst während der Debatte (!) verfasst hatte. Den Preis des Publikumsliebling gewann er trotz des Gedichts in diesem Jahr aber nicht: Hauke Blume überzeugte das Publikum mit einer fulminanten Rede. Derweil nahm das Tübinger Team mit großer Freude seinen zweiten Siegespokal und den Titel „Meister der Späß“ entgegen. Pauline kündigte an, dass sie und ihre Rednerkollegen nicht mehr als Team am Gutenberg-Cup teilnehmen werden, um auch anderen demnächst die Chance zu geben, als „Meister der Späße“ aus Mainz heimzukehren.
Xenia Zhykhar / glx
Der Gutenberg-Cup des Debattierclub Johannes Gutenberg Mainz (DCJG) wird seit 2008 in Mainz veranstaltet. Seit 2009 werden ausschließlich “Spaßdebatten”-Themen gestellt. Pauline Leopold, Peter Croonenbroeck und Christoph Krakowiak sicherten dem Debattierclub Streitkultur Tübingen im Oktober 2010 zum zweiten Mal in Folge den Titel “Meister der Späße”. Zum besten Redner des Finales wurde Hauke Blume gekürt, der als Fraktionsfreier Redner das Finale bestritten hatte. Gegner des späteren Siegerteams im Finale des Turniers waren für den DCJG Clemens Fucker, Marietta Gädeke und Alwin Gerner; als Fraktionsfreie Redner debattierten neben Hauke Gregor Steinhagen, Valerio Morelli und Wladislaw Jachtchenko. Eva Schlindwein, Nicolas Eberle, Lukas Haffert und Marco Niedermaier jurierten das Finale gemeinsam mit den Chefjuroren des Turniers Anna Mattes und Thore Wojke.
Infolge diverse Anfragen – Der Link zum Einspieler zur dritten Vorrunde:
http://www.dumpert.nl/mediabase/1158861/9273af71/hee_elmo_neuqen_.html
Da ist uns freien Redner ja echt was entgangen. 😀